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Sabine Maier - Nadja Meister: Unter einem Himmel#

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Sabine Maier - Nadja Meister: Unter einem Himmel. Über Wege und Orte in niederösterreichisch-tschechischen Regionen. Museumsmanagement Niederösterreich St. Pölten..224 S., ill., € 8,90

"Österreich, Tschechien. geteilt - getrennt - vereint" war 2009 der Titel einer Niederösterreichischen Landesausstellung. Sie fand 20 Jahre nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs in Horn, Raabs und Telč statt. Seither ist ein weiteres Jahrzehnt vergangen und ein neues Buch über die ehemalige Randzone erschienen. Die Kulturredakteurin Sabine Maier und die Fotografin Nadja Meister dokumentieren den erfreulichen Wandel in ebenso informativen wie originellen Texten und hinreißenden Bildern. 24 Kapitel geben Einblick in fünf Regionen: Südböhmen, Waldviertel, Vysočina, Südmähren und Weinviertel. Durch die jüngere Zeitgeschichte – den Eisernen Vorhang – wurde die Region von 1950 bis 1989 leider komplett durchtrennt. Und damit abgeschnitten von einer über Jahrhunderte reichenden Tradition und gemeinsamen Geschichte. Nun aber versucht man, nicht zuletzt mit Hilfe der EU, das Gemeinsame über das Trennende zu stellen.

Die Entdeckungsreise "in der Grenzen keine Rolle mehr spielen" beginnt mit der Architektur. So finden sich diesseits und jenseits Sgraffito-Häuser aus dem 16. Jahrhundert. In Gmünd, Weitra, Slavonice und Telč erzählen die Fassaden Geschichten. Der historische Teil der Renaissancestadt Telč samt dem Schloss zählt zum UNESCO-Welterbe. Das besterhaltene Barocktheater der Welt ist ein Teil des Schlosses von Český Krumlov. Die sensationelle Bühnentechnik und der Fundus von 350 Kulissen, 600 Kostümen und 2.400 Requisiten kommen bis heute zum Einsatz.

Ein weiteres UNESCO-Welterbe stellt die Kulturlandschaft Lednice-Valtice dar. Das großartige Ensemble war ein Besitz der Fürsten Liechtenstein. Um 1800 stattete Alois I. vier Expeditionen nach Nordamerika aus, die 32.000 Pflanzen- und Samenarten nach Mähren brachten. Der barocke Park wurde zu einem englischen Landschaftsgarten, dessen Gestaltung den Flusslauf der Thaya einbezog und Bauten wie ein Minarett, Tempel, Burgen und ein fast 100 m langes Glashaus mit tropischen Raritäten umfasst. In den letzten Jahren restauriert, sind sie nun ebenso Attraktionen wie die Schlösser selbst. Die romantische Ausstattung der Parks geht großteils auf den Architekten und Erfinder Joseph Hardtmuth zurück, der 1805 bis 1812 als fürstlicher Baudirektor tätig war. Ende des 18. Jahrhunderts hatte er in Wien nach eigenen Erfindungen Steingut und Bleistifte produziert. Seine Söhne verlegten die Bleistiftfabrik Koh-i-Noor, damals die größte der Welt, nach Budweis. Sie besteht nach wie vor in České Budějovice.

Ein anderer kreativer und zukunftsweisender Fabrikant war Jakob Christoph Rad. Als Direktor der Zuckerfabrik in Dačice erfand er den Würfelzucker. Kulinarisches fanden die Autorinnen gleichermaßen in Tschechien wie in Niederösterreich. Die Traditiion des Budweiser Biers begann 1265, Weitra war seit 1321 die älteste Braustadt Österreichs. Auch die berühmte Teichlandschaft in Südböhmen und im Waldviertel wurde im 14. Jahrhundert angelegt. 7.000 Teiche in Böhmen und 1.800 im Waldviertel versorgten Mitteleuropa mit Karpfen - und ihre adeligen Besitzer mit Wohlstand. Böhmische Teichbaumeister und Handwerker schufen kilometerlange Kanäle und riesige Wasserflächen. Handwerkskunst und historische Industrie ist das Thema eines eigenen Kapitels. Glas und Steinobjekte aus Gmünd, die Papiermanufaktur in Bad Großpertholz oder die Retzer Windmühle sind Besonderheiten aus Niederösterreich. Der Charme des Alltags begegnet in mehreren Sammlungen beider Länder, in denen Greißlereien, Apotheke, Schule und Spital rekonstruiert wurden. Auch technische Raritäten kann man in verschiedenen Sammlungen sehen. In Ziersdorf wie in Chvalovice-Hatec stehen hunderte "Wurlitzer". Das Bahnwärterhäuschen in České Budějovice erinnert an die einst längste Bahn des Kontinents, die mit Pferdekraft Bier nach Linz und Salz nach Böhmen brachte. In Laa an der Thaya gibt es ein Kutschenmuseum, in Retz eines für Fahrräder, in Znaim und Nová Bystřice Oldtimer-Sammlungen. Der Hausindustrie wie den frühen Textilfabriken begegnet man im "Bandlkramerlandl" um Groß-Siegharts und Weitra.

Die Archäologie öffnet Fenster in die Vergangenheit. In Dolní Věstonice kam eine Frauenstatuette aus Ton zutage, deren Alter auf 25.000 bis 29.000 Jahre geschätzt wird. Ihr und den Spuren eiszeitlicher Mammutjäger widmet sich der "Archäopark Pavlov". In Eggenburg fanden Johann Krahuletz, in Horn Josef Höbarth ur- und frühgeschichtliche Artefakte und bauten ihnen Museen. In Eggenburg entstand so der erste Museumsbau Niederösterreichs. Andere historische Objekte sind erst später zu Museen geworden. In Žďár nad Sázavou wirkten einst die Zisterzienser. Jetzt ist das "Museum der neuen Generation" eines der modernsten Europas. Mit Hilfe interaktiver Medien erfährt man alles Wissenswerte über die Geschichte des Ortes, des Schlosses und der nahen Wallfahrtskirche Zelená Hora, die seit 1994 zum UNESCO-Welterbe zählt. In Niederösterreich ist das Weinviertler Museumsdorf in Niedersulz, das größte Freilichtmuseum des Landes, Schauplatz zahlreicher Veanstaltungen.

Wer sich mehr für die "Hochkultur", Burgen & Schlösser, Künstler und andere Promis interessiert, wird in den Schausammlungen und im vorliegenden Buch bestens bedient. Die überaus interessante und modern gestaltete Publikation behandelt außerdem Naturschönheiten, Unkonventionelles und Skurriles wie Mystische Orte, Kellerwelten oder Verrückte Plätze.

Religion & Reformen und Das jüdische Erbe sind weitere Abschnitte übertitelt. Während in Niederösterreich Klöster wie Zwettl oder Altenburg erhalten und in jüngster Zeit beispielgebend restauriert wurden, sind in Böhmen und Mähren viele verlorene Klöster zu beklagen. Sie fielen den Hussitenkriegen und der kommunistischen Regierung zum Opfer, nur einzelne werden jetzt museal genutzt. Anders verhält es sich mit dem jüdischen Erbe, das in Südböhmen, Vysočina und Südmähren auch dank großangelegter Restaurierungs-Projekte in einzigartiger Weise präsent ist.

Über Zeitgeschichte. Die Stürme des 20. Jahrhunderts liest man: Wie in einem Brennglas spiegeln sich hier die Ereignisse einer stürmischen Epoche wider, deren zentrale Themen Trennung und Öffnung lauteten. Ein eindrucksvolles Beispiel des neuen Miteinander bildet das bilaterale Naturschutzgebiet Thayatal-Podyji. Zwischen der kleinsten Stadt Österreichs, Hardegg, und Čížov bestand bis 1950 eine Brücke, in deren Mitte die Grenze verläuft. Auf der tschechischen Seite wurden alle Bodenbretter entfernt, die Brückenkonstruktion verrostete. Heute verbindet die Brücke die beiden Länder wieder… Sie ist wieder zum Symbol geworden - aber diesmal zu einem Symbol des Miteinander und der Zusammenarbeit.

hmw