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Patrick Schicht: Habsburger Traumschlösser#

Bild 'Schicht'

Patrick Schicht: Habsburger Traumschlösser. Kral Verlag Berndorf. 264 S., ill., € 29,90

740 Jahre lang zählten die Habsburger zu den bedeutendsten Regentenfamilien Europas. Zeitweise beherrschten sie Gebiete von Portugal bis Rumänien und von Belgien bis Italien. Die dynastischen Verbindungen reichten von Frankreich bis Russland und von Luxemburg bis Griechenland. Ihre privaten Refugien bauten sie abseits der Residenzstädte, wie in Laxenburg, wo sie die alte Burg zum luxuriösen Sommersitz umgestalteten. Auf dem heutigen Leopoldsberg, in Gutenstein, Purkersdorf und in zahlreichen anderen Revieren entstanden Jagdschlösser für Hofgesellschaften. Im 19. Jahrhundert kreierten Erzherzöge ihre individuellen Traumwelten. Ihr politischer Einfluss war eingeschränkt, doch das Kapital und der erforderliche Einfluss vorhanden, um Schlösser in großzügigen Parks zu errichten. Die BauherrInnen interessierten sich für Architektur und Gartenkunst und griffen oft kompetent in die Planungen ihrer Traumschlösser ein.

Was sind Traumschlösser übertitelt der Autor eines der ersten Kapitel. Der im Bundesdenkmalamt tätige Architekt und Kunsthistoriker DDr. Patrick Schicht schreibt, dass der Begriff heutigen Vorstellungen entstammt, jedoch fußt er auf der richtigen Einschätzung, dass sowohl für die Bauherren damit Träume in Erfüllung gehen, als auch für Besucher traumhafte Erlebnisse verbunden sein konnten. Man wähnte sich in einem anderen, phantastischen Kosmos. Derartige Traumwelten sind weder eine Erfindung der Romantik noch von Hollywood oder Disneyworld. Nachweislich fußten sie seit den ersten Hochkulturen auf mythologischen oder heldenhaften Erzählungen. Mit der Antike und dem Mittelalter beginnend, bringt der Autor Beispiele in Bild und Text, weit über das Habsburgerreich hinaus. Mit diesem Buch, in dem auch die überwiegende Zahl der Fotos von ihm stammt, ist ihm ein ebenso fundiertes wie informatives Werk gelungen. Das angemessen stilvolle Layout stammt von Tina Gerstenmayer. Mit einem Wort: Ein traumhaftes Buch über Traumschlösser.

Um die gebauten Phantasien von fünf Kaisern und 21 ErzherzogInnen zu verstehen, verschaffen einleitende Artikel den adäquaten Einstieg. Auf dem Vorsatz findet man eine Stammtafel des Hauses Habsburg-Lothringen von Maria Theresia bis in die Gegenwart. Die Herrschaft der Habsburger, Osterreichische Adelsschlösser und Die Schlösser der Habsburger vor dem 19 Jahrhundert liefern wichtige Grundlagen.

Der sehr lange regierende Habsburger Franz II. (1792-1806 bzw. Franz I. 1806-1835) ging als letzter Kaiser des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation in die Geschichte ein. … Als gelernter Botaniker initiierte und förderte der "Blumenkaiser" … Institute zur Dokumentation und Zucht von Pflanzen. Sein architektonisches Prunkstück waren Schloss und Park von Laxenburg. Die neue Parkburg von Laxenburg sollte zahlreiche echte Architekturteile sowie Ausstattungsstücke des Reichs beinhalten und somit zu einem authentischen Monument des Hauses Habsburg und seiner langen Geschichte werden. Der englische Landschaftsgarten mit zahlreichen Staffagebauten wirkt wie ein mittelalterlicher Themenpark. Zudem erwarb der Kaiser eine Reihe von Sommersitzen und Jagdschlössern, wie in Orth, Pöggstall samt 14 Gütern, Luberegg, Oberranna, Gutenbrunn, Rorregg, Persenbeug, Rottenhof, Petzenkirchen, Weinzierl, Vösendorf oder Reichenau. In Baden bei Wien bewohnte er das relativ bescheidene "Kaiserhaus" auf dem Hauptplatz. Gegen Lebensende reduzierte Franz I. seine Reisen. Früher hatte er im sechsspännigen Wagen täglich mehr als 80 km zwischen seinen Landgütern zurückgelegt und war fast die Hälfte der Zeit nicht in Wien anwesend. Bei der Hofburg hatte der "Blumenkaiser" schon in seiner frühen Amtszeit ein komplexes Gartenreich angelegt und eigenhändig betreut. Nach der Sprengung der Burgbastei entstand dort ein Landschaftspark mit Springbrunnen und einem 130 m langen Glashaus. Es enthielt 17.000 exotische Pflanzen in 1.600 Arten.

Nach dem Tod von Franz übernahm sein ältester Sohn als Kaiser Ferdinand I. (der Gütige) die Habsburger Kronen. … Als Sommersitz wählte er das Schloss Ploschkowitz nahe Leitmeritz. Er ließ es ebenso ausbauen wie jenes von Reichstadt (Zákupy) in Nordböhmen. 1848 trat Kaiser Ferdinand zurück, Nachfolger wurde sein Neffe Franz Joseph I. Dieser trat während seiner fast 68-jährigen Regierungszeit oft als Bauherr auf. Doch lag sein Interesse mehr auf der Umgestaltung der Haupt- und Residenzstadt - Stichworte: Kaiserforum und Kasernen. Die Hofburg ließ er ebenso restaurieren wie das Belvedere und Schloss Schönbrunn, wo das berühmte Palmenhaus entstand. Nach der Errichtung der Doppelmonarchie 1867 erhielt das Kaiserpaar etwa 25 km östlich von Budapest das Barockschloss Gödöllö als Krönungsgeschenk. … Die Innenumbauten betrafen über 136 Wohnräume, die durch modernen Standard wie Heißluftheizung und Fließwasser aufgerüstet wurden. …Elisabeth wählte das Schloss umgehend zu ihrem bevorzugten Aufenthaltsort, wo sie dem strengen Wiener Hof entfliehen konnte. Als näher bei Wien gelegenes Refugium ließ der Kaiser im Lainzer Tiergarten die Hermesvilla für seine Gemahlin errichten. Doch diese hätte den eigenen Wohnsitz am liebsten nach Griechenland verlegt. Auch das ihrer Phantasie entsprungene Traumschloss "Achilleion" in Korfu machte sie nicht glücklich. Eine besondere Verbundenheit des Kaiserpaares entstand jedoch zur Kurstadt Bad Ischl. Bis heute pflegt sie mit der "Kaiservilla" die k. k. Tradition.

Für den jüngeren Bruder des Monarchen, Erzherzog Ferdinand Maximilian, wäre es besser gewesen, hätte er seiner Begabung als Architekt folgen können. Der 1867 hingerichtete Kaiser von Mexiko hatte als Jugendlicher sein Anwesen Maxing nächst Schönbrunn selbst geplant. Später ließ er bei Triest das "weiße Schloss" Miramare errichten und auf der "immergrünen Feeninsel" Lokrum (Kroatien) eine "traumhafte Aussteigervilla" in einem ausgedehnten Park mit exotischen Gewächsen bauen.

Karl I. wurde auf Schloss Persenbeug in Niederösterreich geboren. Im Jahr 1911 heiratete Karl die 19-jährige Prinzessin Zita von Bourbon-Parma im Schloss Schwarzau am Steinfeld in Anwesenheit des durchaus zufriedenen Kaisers Die kleine Hochzeitskapelle in Schwarzau ist bis heute innerhalb einer Justizanstalt unverändert erhalten … Einen Schwerpunkt setzte man offensichtlich im weitläufigen Schlosspark … Zudem stand ein großes Gewächshaus für seltene Chrysanthemen und Orchideen inmitten ausgedehnter Gemüse- und Blumenbeete, sowie Wäldchen mit exotischen Nadelgehölzen. Dennoch wählte das junge Paar die väterliche Villa Wartholz bald zur Lieblingsresidenz, hier wurde 1912 auch der ersehnte Thronfolger Otto geboren. Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg und der Unterzeichnung des Verzichtsschreibens im Privatschloss Eckartsau wurde die Familie schließlich auf die portugiesische Insel Madeira verschifft. In einem feuchten Privathaus untergebracht, erlitt Karl I. eine Lungenentzündung, der er 34-jährig erlag. Der letzte österreichische Kaiser starb nicht in einem Traumschloss.

Die zahlreichen adeligen Wohnsitze sind Spiegel des Zeitgeistes. Es ist das unschätzbare Verdienst von Patrick Schicht, den historischen Kontext ebenso klar zu beschreiben, wie die Anwesen und ihre BewohnerInnen. Unverkennbar ist sein persönlicher Schwerpunkt: die öffentlich wirksame Aufbereitung bauhistorischer Studien, um Akzeptanz durch Verständnis und Wertschätzung der Denkmale zu gewährleisten. Dieses Werk schließt eine Lücke in der Literatur. Es stellt - aufgrund neuester Erkenntnisse - erstmals möglichst vollständig die Stein gewordenen Ideale der Mitglieder des Kaiserhauses im 19. Jahrhundert dar. Leserfreundlich formuliert, wird das Buch nicht nur Fachleute begeistern, sondern alle Interessierten, die einfach gerne schöne Gebäude und Parks besuchen.

hmw