Helene Schießl - Walter Hejduk: Mühlen, Sägen, Wasserwelten#
Helene Schießl - Walter Hejduk: Mühlen, Sägen, Wasserwelten. Durchs Triestingtal in Vergangenheit und Gegenwart. Kral-Verlag Berndorf. 208 S., ill., € 26,90
Die Triesting, ein Fluss im südöstlichen Wienerwald, entspringt mehreren Quellen bei Kaumberg am Schöpflmassiv und mündet nach 60 km in die Schwechat. Als eines der am meisten benützten fließenden Gewässer Niederösterreichs betrieben sie und ihre Nebenbäche fast 80 Mühlen. Die meisten verarbeiteten Getreide. Bei alten Sägemühlen standen Säge und Mühle nebeneinander und nutzen abwechselnd die Kraft des Wassers. Auch Fabriken profitierten von der kostenlosen Energiequelle, sie erzeugten oder veredelten Metallwaren, Holzgegenstände, Textilien und Papier. Einige wurden zum Kern neuer Industrieanlagen.
Die pensionierte Gymnasialprofessorin Helene Schießl und der ehemalige Eisenbahner Walter Hejduk haben die Standorte der frühen Gewerbebetriebe rekonstruiert, detailliert beschrieben und in Skizzen grafisch dargestellt. Dabei gingen sie mit bewundernswerter Geduld, Akribie und topografischer Kenntnis vor, wie sie nur Heimatforschern eigen sind. Als Desiderate bleiben ein Register oder Inhaltsverzeichnis und manche Zusammenhänge, die nicht so versierten Lesern weniger bekannt sind. Besonders aussagekräftig sind die Illustrationen - historische Pläne, Ansichtskarten, alte und aktuelle Fotos. Bevorzugte Quellen der Autorin, die im Kral-Verlag schon etliche lokalgeschichtliche Bände publiziert hat, sind Chroniken und Heimatkunden. Beim Thema Mühlen stützt sie sich vor allem auf drei Werke. 1878 erschien das historisch-topographische Buch der Handels- und Gewerbekammer über "das Gebiet des Schwechatflusses", in dem rund 50 Betriebe an der Triesting aufscheinen. Ein Jahr zuvor brachte die Eröffnung der Bahnlinie Leobersdorf - Kaumberg Impulse für Industrie und Fremdenverkehr. Bald erschien dazu ein Touristenführer mit Beschreibungen der Gegend. Um 1900 erfasste der Wasserwerks-Verein die "Wasser-Triebwerke" an Triesting und Schwechat. Das vorliegende Buch behandelt Anlagen in 20 Ortschaften mit ihrer technischen Ausstattung und teilweise die Familiengeschichte der Besitzer.
Dem Flusslauf folgend, behandelt das erste Kapitel Kaumberg, wo schon 1431 eine der zum Kloster Kleinmariazell gehörenden Mühlen bestand. (Andere besaß das Kloster in Thernberg, Kleinmariazell, Altenmarkt und Fahrafeld). Im Ortsgebiet von Kaumberg gab es neun Mühlen bzw. Sägewerke, die alle nicht mehr existieren. Der Touristenführer erwähnt in der fast 1000 Bewohner zählenden Marktgemeinde noch eine Lohmühle (die Rinde zerkleinerte, welche Gerber für die Lauge benötigten), ein "eisenhältiges Schwimmbad" und eine Schießstätte. Die seit dem 16. Jahrhundert bestehende "Taßmühl" in Tasshof veränderte man im 19. Jahrhundert zu einer Baumwollspinnerei. Außerdem bestand dort die "Cementfabrik des Adolf Baron Pittel & Comp.", die von einem mittelschlächtigen Wasserrad angetrieben wurde. Der Industriepionier besaß auch in Weißenbach eine Zementmühle. Die Nachfolgefirma zählt als Bauunternehmen zu den ältesten Familienunternehmen Österreichs.
In Furth bestanden fast 20 Betriebe, deren Lebensader die Wasserkraft war. Das im Jugendstil errichtete stattliche Gebäude der Marschowitzmühle ist ebenso zur Ruine geworden wie die anderen. Eine Sägemühle, deren Einrichtung den Zweiten Weltkrieg überstanden hatte, sollte ein Mühlenmuseum der Gemeinde werden, doch 2011 kam es zum Abbruch. Seit den 1830er Jahren waren die Grafen Wimpffen Grundherren der Güter Neuhaus und Fahrafeld. Gräfin Anastasia von Wimpffen, geb. Freiin von Sina, besaß in Fahrafeld auch die Mahl- und Sägemühle, die sie verpachtete. Ihr Enkel Simon verwandelte Neuhaus Ende des 19. Jahrhunderts in einen eleganten Kurort. Zuvor hatte sich dort seit Maria Theresias Zeiten eine Fabrik für Venetianerspiegel befunden, die in der Schleif- und Poliermühle in Fahrafeld bearbeitet wurden. Dieses Objekt wurde dann zur Metallverarbeitung genutzt und später als "Packfongschleiferei" Teil der Berndorfer Metallwarenfabrik von Arthur Krupp. Auch diese entstand aus einer ehemaligen Mühle. Der Mühlbach, der Berndorf als Kanal durchzog, mündete in die Triesting. Obwohl die Berndorfer Metallwarenfabrik nichts mit einer Mühle zu tun hat, scheint es doch erwähnenswert, dass 1878 drei oberschlächtige Wasserräder und zwei Dampfmaschinen … als Motoren dienten. Daher gab es auch einen Fabrikskanal, liest man zu den eindrucksvollen Bildern. Das Triestingwehr und der Fabrikskanal dienten als Motive von Ansichtskarten, letzterer von Luigi Kasimir, einem der bedeutendsten Vedutenmaler des 20. Jahrhunderts.
In Enzesfeld bildete die Mühle den Kern einer Industrieanlage. Ihre Reste wurden 1945 ebenso zerstört wie die daraus entstandene "Metallwaren- und Munitionsfabrik". Erhalten blieb eine ehemalige Eisenbahnbrücke für den Bahnanschluss der Hirtenberger Patronenfabrik. In Günselsdorf waren die Getreidemühle und die damit verbundenen Wasserrechte Grundlage für eine Baumwollspinnerei, die bis 1972 produzierte. Der Mechaniker und Maschinenbauer Anton Giradoni errichtete sie für die Grafen Dumba, die mehrere Textilfabriken im Industrieviertel betrieben. Charakteristisch ist der hoch aufragende Wasserturm.
Damit endet der erste Teil des Nachschlagwerkes. Zusammenfassend schreibt die Autorin: Eine stattliche Anzahl von wasserbetriebenen Mühlen und/ oder Sägen ließen sich an der Triesting und ihren Nebenbächen feststellen. … Für die letzten größeren Mühlen kam das Aus zum Teil durch die Konkurrenz … der sie nicht gewachsen waren. … Vollkommen erhalten ist nur die Dornauer Mühle. Und noch immer an der alten Stelle und in Betrieb steht das Sägewerk Heinz in Furth. Erhalten sind auch noch einige Wehre und Reste einstiger Wehre; dort entstanden - Badeplätze. Diese werden im zweiten Teil behandelt: Kaumberg, Thenneberg, Altenmarkt, Tasshof, Furth, Weißenbach, Neuhaus, Fahrafeld, Pottenstein, Berndorf, Grillenberg, St. Veit, Hirtenberg, Enzesfeld, Leobersdorf, Dornau und Günselsdorf.
in Leobersdorf eine moderne Wellness-Oase. Anhand der zahlreichen Fotos läßt sich auch die Entwicklung der Bademode der letzten 100 Jahre, besonders der Zwischenkriegszeit, studieren. Auch wenn keine Mühlen mehr am rauschenden Bach klappern - Triesting soll sich von vom altslawischen Wort tresk (schallen, schlagen, lärmen) ableiten -, lohnt es sich, das Tal zu besuchen. Im vorliegenden Buch kann man viel über ein spezielles Kapitel lernen.