Robert Bouchal und Johannes Sachslehner: Eintauchen in den Wienerwald#
Robert Bouchal und Johannes Sachslehner: Eintauchen in den Wienerwald.
Natur, Geschichte und Kultur einer einzigartigen Landschaft
Styria Verlag Wien. 192 S., ill., € 27,-
Robert Bouchal und Johannes Sachslehner sind das Erfolgsduo unter den Autoren des Styria-Verlags. In letzter Zeit erschienen z. B. "Angriff auf Wien", 2015; "Wien, streng geheim", 2016; "Verschlossen", 2019. Der Bildautor Robert Bouchal widmet sich seit drei Jahrzehnten der Erforschung und Dokumentation seiner Heimat Österreich. Bekannt ist der Fotograf und Speläologe für die Aufnahmen unzugänglicher Räume, unterirdischer Bauwerke und Lost Places. Auch das neueste Buch trägt seine unverwechselbare Handschrift. Der Verlagslektor Johannes Sachslehner ist Autor zahlreicher Werke zu historischen und kulturhistorischen Themen. Das Team hat schon viele interessante Bücher veröffentlicht. Darunter ein gemeinsames über den Wienerwald, für den Bildautor ist es bereits das vierte zu diesem Thema. Doch noch immer gibt es etwas zu entdecken. Die Gliederung des neuen Buches ist unkonventionell - nicht geographisch, sondern in sechs thematischen Kapiteln. Stimmungsvolle Fotos, Überblickskarten und Tourenbeschreibungen machen Lust auf den Besuch der Natur vor der Haustür der Großstadt.
Wald und Baum bildet den Einstieg. Irgendwann in der "Steinzeit" kam der Mensch in den Wienerwald. Er fand Schutz in den großen Höhlen wie der Merkensteiner Höhle oder der Einödhöhle, im zähen Ringen mit der Natur schaffte er es, zu überleben. Obwohl das Buch auch historische Fakten bringt, ist ihm die Begeisterung für das Mythische nicht abzusprechen. So finden sich durchgehend Zitate des Esoterikers Guido List (* 1848-1919), der ein populärer Vertreter der völkischen Bewegung war und als Begründer der rassistisch-okkultistischen Ariosophie gilt. Wenn etwas "uralt" ist, und noch dazu mit gefährlichen Folgen, dann Lists religiöse Lehre („Wuotanismus“) nach Wotan, dem höchsten Gott der Germanen. Zwar äußern sich die Autoren auch kritisch dazu, kennen aber die Überzeugungskraft, der man als Leser nur schwer widerstehen kann. Deshalb wäre eine deutliche Distanzierung wünschenswert gewesen.
Das zweite Kapitel lädt ein zum Eintauchen in die Schönheit des Waldes. Zum Beispiel in das Gebiet um die Burgruine Merkenstein. Schon nach kurzer Zeit gelangen wir zu einem wahrhaft mystischen Wegzeichen. Beim "Färberkreuz" handelt sich jedoch um einen Tabernakelbildstock aus dem 16. Jahrhundert. Aber wer Mysterien finden will, findet sie auf Schritt und Tritt: Monumentale Felsformationen, ein so genannter "Turnierplatz", unter dem sich eine Säulenhalle befinden soll, ein angeblicher "Opferplatz", ein "Fruchtbarkeitskultplatz", eine vom Blitz getroffene Tanne, deren Rinde Kraft geben und positiv auf Menschen wirken soll, vermeintlich durch Erdstrahlung beeinträchtigte Bäume, ein "Türkenbrunnen" als Relikt des Schlossparks aus dem 19. Jahrhundert. - ein unglaublich spiritueller und faszinierender Ort.
Felsen und Steine übten seit jeher eine Faszination aus. So ist auch das dritte Kapitel das umfangreichste. Acht verborgene Orte aus vergangener Zeit werden vorgestellt. Beim "Hängenden Stein von Unterkirchbach" darf die Fama vom heidnischen Heiligtum nicht fehlen, dazu die Interpretation dass die "Näpfchen" von Menschen ausgerieben wurden. (Die profane und plausible Erklärung, dass sie von Wurzeln früherer Bäume stammen, findet keine Erwähnung). Unweigerlich kommt dem Leser der Archäologen-Scherz in den Sinn: "Was man nicht erklären kann, sehe man als kultisch an!". Auch vom "Karlstisch" in Baden, zu dessen Erhaltung sich ein eigener Verein konstituiert hat, erzählt man viele Geschichten. Wahrscheinlich handelt es sich ein Relikt der im 16. Jahrhundert verlassenen "Veste Rohr" (Rechtsdenkmal? Brunnenabdeckung?) Exakt vermessen und in Skizzen dargestellt sind die alten Eiskeller am Cobenzl und ein unterirdischer Gang im Kahlenberg, untrennbar verbunden mit der faustischen Figur des Freiherrn von Reichenbach und seiner düsteren Welt am Cobenzl. Der Spiritist und Erfinder Karl von Reichenbach (1788-1869) besaß das Gut ab 1835. Er postulierte eine Lebenskraft Od (von Odin/Wotan). Hingegen verraten Reste von Tafelservicen des Hotels Kahlenberg eindeutig ihre Herkunft aus den 1870er Jahren.
Wie jedes Kapitel beginnt auch das vierte mit einem Waldspaziergang. Diesmal geht es zu Quellen der ewigen Jugend nach Baden, Maria Gugging, St. Corona und Klausen-Leopoldsdorf. Ebenso erfährt man Interessantes über die Geschichte der Wiener Wasserversorgung. In der Barockzeit begannen Adelige, wie Trautson, Schönborn oder Liechtenstein, von Wienerwaldquellen gespeiste private Wasserleitungen anzulegen. Die erste öffentliche war 1804 die Albertinische Wasserleitung. Ihre Auslaufbrunnen befanden sich in Mariahilf und in der Josefstadt. Die Brunnenstube in der Hüttelbergstraße ist gut erhalten, aber nicht zugänglich.
Im fünften Kapitel lassen sich Romantische Ritterburgen erkunden. Für Ausflüge bieten sich an: Burg Kammerstein in Kaltenleutgeben, die Ruine auf dem Pankraziberg bei Nöstach, die Ruine Johannstein im Naturpark Sparbach, dem ältesten Österreichs, und die Araburg in Kaumberg. Dort haben HTL-Schüler aus Mödling eine Glocke installiert, die nach Münzeinwurf läutet. Nach einer Minute freut man sich jedoch darüber, dass die Glocke ausschwingt und im Wald um die Araburg wieder Ruhe einkehrt.
Der Höhepunkt und Abschluss ist für atemberaubende Aussichten reserviert: Das Hameau des Hofkriegsratspräsidenten Franz Moritz Graf Lacy (1725-1801), die mehr als 50 m hohe Aussichtswarte auf dem Troppberg, die knapp halb so hohe Buchbergwarte bei Neulengbach, die Tempelbergwarte in Hadersfeld, der Hochberg von Perchtoldsdorf und der höchste Punkt des Wienerwaldes, die Matraswarte am Schöpfl. Für alle Ausflugsziele gilt: Inmitten der Naturschönheit Wienerwald ahnt man die Ewigkeit des Lebens, an der wir teilhaben dürfen.