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Georg Markus: Zwischen den Zeiten #

Bild 'Markus Zeiten'

Georg Markus: Zwischen den Zeiten. Momente, die Geschichte schrieben. Amalthea Verlag Wien. 304 S., ill., € 27,-

Georg Markus zählt zu den erfolgreichsten Schriftstellern und Zeitungskolumnisten ("Geschichten mit Geschichte" im "Kurier). Soeben hat der Bestsellerautor ein neues Werk in seinem Spezialgenre, unterhaltsame Austriaca, veröffentlicht. Es geht, wie könnte es anders sein, um Franz Joseph und die kaiserliche Familie, aber auch um Wiener Gegenden, Berufe und Kaffeehäuser, Literatur, Musik, den Tod und vieles andere. Nicht zu vergessen: Humor, den der Autor in jedem seiner Texte beweist.

Neu und überraschend ist das letzte Kapitel Qualtinger intim. Es enthält mehr als 50 Briefe, die seine erste Frau zwischen 1964 und 1973 an ihre beste Freundin schrieb. Die Absenderin, Leomare Qualtinger, geb. Seidler (1919-1984), war von 1952 bis 1982 mit dem Schauspieler verheiratet. "Frau Leomare", wie sich ihre "Kurier"-Kolumne nannte, war ebenso Schriftstellerin wie die Empfängerin Anastasia Hacker, geb. Lohr (1925-2015), die mit dem Psychiater Prof. Friedrich Hacker in Los Angeles lebte. Kurz vor ihrem Tod vertraute "Stasi" das Konvolut Georg Markus an. Er wäre "der Einzige, der etwas damit anfangen kann." Der solcherart Beschenkte beließ es jahrelang in seinem Archiv, weil mir vieles zu persönlich schien. Etwa wenn Leomare über Qualtingers Alkoholprobleme schreibt und über die Qualen des Schauspielberufs mit einhergehenden Depressionen und schließlich über sein Fremdgehen und das Scheitern ihrer Ehe. Der Stil der brillanten Schreiberin ist prägnant, offenherzig und pointiert. Nun sind fast alle in den Briefen vorkommenden Hauptpersonen nicht mehr am Leben. Da Qualtingers zweite Frau, Vera Borek, und sein Sohn Christian nach eingehender Lektüre einverstanden waren, erfolgte jetzt die von Markus kommentierte Erstveröffentlichung.

Die Momente, die "Zwischen den Zeiten" Geschichte schrieben, umspannen im Wesentlichen das Jahrhundert, das zwischen Kaiser Franz Joseph (* 1830) und Helmut Qualtinger (* 1928) liegt. … "Ohne Kaiser geht's nicht!" lautet der Titel des ersten Überkapitels. Es behandelt u. a. das dritte, endgültige Testament Franz Josephs aus dem Jahr 1901. Als Alleinerbe seines Vorgängers, Ferdinand I., verfügte der Kaiser über einen Privatfonds, der Realitäten, Wertpapiere und Bargeld im Wert von umgerechnet rund 65 Millionen Euro umfasste. Dieses Vermögen fiel seinen beiden Töchtern Gisela und Marie Valerie, sowie der Enkelin Elisabeth Marie zu. Treue Diener erhielten großzügige Gnadengaben. Nicht im Testament bedacht wurde die Schauspielerin Frau Katharina von Kiss, geb. Schratt, mit welcher Mich innigste und wärmste Freundschaft verbindet. Als Bürgerliche sollte sie nach Ansicht der Berater nicht im Testament des Monarchen vorkommen. Dafür verwöhnte er sie vorher mit erheblichen Geldsummen und wertvollem Schmuck. Dass der Regent und die Schauspielerin nicht heirateten, wie es sich Kaiserin Elisabeth gewünscht hätte, wäre nicht am Bürger-, sondern am Familienstand der engsten Vertrauten gescheitert. Frau Schratt war bis 1909 mit dem Diplomaten Nikolaus von Kiss rechtmäßig verehelicht. Von den zahlreichen adeligen Damen, mit denen Franz Joseph nach den Vorstellungen seiner Verwandten "verkuppelt" werden sollte, wollte der Kaiser nichts wissen.

Mit feudalen Persönlichkeiten beschäftigt sich das Kapitel Adel verpflichtet, das die Familien Schwarzenberg, Liechtenstein und Hannoveraner vorstellt. Letztere sind seit Kaiser Franz Josephs Zeiten "Österreicher". Ihr König Georg V. ging nach dem verlorenen Krieg gegen Preußen nach Wien und an den Traunsee ins Exil. Das Kapitel Unsere Nachbarn handelt von der Geschichte einer Hassliebe, nämlich "Wie die Deutschen zu Piefkes wurden, von Adolf Hitlers gefälschten Tagebüchern und der ungewöhnlichen Lovestory des Bayernkönigs Ludwig I. mit der Tänzerin Lola Montez. Nicht zuletzt sie war der Grund, dass er 1848 abdanken musste. Aus der Welt der Musik erfährt man Historie und Histörchen über den Geigenbauer Antonio Stradivari, den Komponisten Ignaz Pleyel, der aus Ruppersthal in Niederösterreich stammte und in Paris Karriere machte, (Nur, dass ihn hierzulande kaum jemand kennt, stimmt nicht. Seit einem Vierteljahrhundert veranstaltet die rührige Pleyel-Gesellschaft in seinem Geburtsort Konzerte und betreibt ihm zu Ehren ein Museum, seit fünf Jahren besteht ein eigenes Pleyel-Kulturzentrum.) Joseph Lanner, den Erfinder des Dreivierteltakts und Franz Lehár mit seinem Döblinger Schlössel.

Die Literatur ist u. a. durch Giacomo Casanova, Johann Nestroy und Ignaz Castelli vertreten. Als Zeitzeugen fungieren Kurt Schuschnigg jun., der Sohn des letzten Kanzlers der Ersten Republik, Ursula Ucicky, die Schwiegertochter Gustav Klimts, und Liane Haid. Als der Filmstar von einst mit dem Autor zum 105. Geburtstag über ihr Leben plauderte, meinte sie: Die Zeit war gar nicht so wunderbar, wie es die Erinnerungen sind. … Ich habe gerne gelebt, aber … ich freu mich schon auf das Himmelreich. Wenige Monate später ging ihr Wunsch in Erfüllung. Es wäre wohl nicht Wien, wenn Kapuzinergruft und Zentralfriedhof nicht gewürdigt worden wären. Doch auch Witz, Humor und Anekdoten dürfen im jüngsten Buch des Erfolgsautors nicht fehlen. Max(i) Böhm besaß die größte Witzesammlung der Welt. 80.000 Witze haben im Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek einen würdigen Platz gefunden, wie jener: "Sagen Sie, hat der Film ein Happy End?" "Ja, alle sind froh, wenn er zu Ende ist." Dieses Buch von Georg Markus hat kein Happy End. Bei der bewundernswerten Produktivität des Autors kann man sich schon auf sein nächstes Opus freuen.

hmw