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Walter Paleczny, Christian M. Springer, Andreas Urban: Die Geschichte der Brauerei Schwechat#

Bild 'Schwechater'

Walter Paleczny, Christian M. Springer, Andreas Urban: Die Geschichte der Brauerei Schwechat. Von den Bierbaronen Dreher und Mautner Markhof in die Gegenwart. Böhlau Verlag Wien - Köln - Weimar. 280 S., ill. € 35.-

Ein Blick auf die Statistik zeigt: In Österreich arbeiten 309 Brauereien, die 2020 rund 9,2 Mio. Hektoliter Bier produziert haben. Der Pro-Kopf-Verbrauch ist nur in Tschechien höher. Jeder Österreicher trinkt durchschnittlich 107 Liter ("Kurier" 12.9.2021). Selbst wer nicht zu den Konsumenten gehört, kennt den Slogan Schwechater ... recht hat er.

Die Geschichte der Brauerei Schwechat begann 1632, als Peter Descrolier, Kammerdiener und Zahlmeister des Erzherzogs Mathias, neben seinem Jagdschlösschen ein Brauhaus gründete. Es ist nicht sehr viel, was wir über das Brauhaus in Klein-Schwechat wissen, bevor es in den Besitz der Familie Dreher überging, und es wäre ohne diese Familie sicher in Vergessenheit geraten, schreiben die Autoren. Um so mehr haben die drei Experten über die Ära der Dreher und Mautner Markhof herausgefunden. Rund die Hälfte ihres Bestehens führten die beiden prägenden Eigentümerfamilien die Schwechater Brauerei. Jahrzehntelang war sie die größte des europäischen Festlandes.

Alfred Paleczny hat sein erstes Buch über Wiener Brauherrenfamilien 2014 herausgegeben und damit einen Beitrag zu einem eher unerforschten Teil der Wirtschaftsgeschichte geleistet. Christian Michael Springer begann 1982 mit einer Datenbank der historischen Brauhäuser Österreichs. Andreas Urban, Lebensmittel- und Biotechnologe, ist Braumeister und Lektor an der Universität für Bodenkultur. Wenn sich drei so kompetente Autoren zu einem Team zusammenfinden, darf man zu Recht ein interessantes Buch erwarten. Es spricht nicht nur Bierfreunde an, sondern enthält Familiengeschichte(n) ebenso wie wirtschaftshistorische Fakten und Zusammenhänge. Das Layout, mit zahlreichem Bildmaterial, ist besonders gut gelungen.

Anton Dreher d. Ä. (1810-1863), der Erfinder des Lagerbiers, entstammte einer Brauerfamilie und lernte seine Profession nach dem Besuch des Gymnasiums, in der führenden Brauerei Meichl. In den 1830er-Jahren ging er auf die Walz nach Böhmen, Deutschland und England, das produktionstechnisch weit voraus war. Mit der Mitgift seiner Frau konnte er den nach dem Tod des Vaters heruntergekommenen Betrieb kaufen. Dreher etablierte als Erster auf dem Festland das englische Mälzungsverfahren und ließ Kühlschiffe aus Gusseisen statt hölzernen Gefäßen bauen. Das Wiener Lager wurde bei vielen Ausstellungen prämiiert und im Rahmen der Weltausstellung 1862 in London mit dem ersten Platz ausgezeichnet. Eiskeller und Dampfkraft ebneten den Weg zur Großbrauerei. Um 1860 war sie größte in Kontinentaleuropa - der Ausstoß überschritt 250.000 hl. Dreher, inzwischen der beste Steuerzahler der Monarchie, engagierte sich politisch in seiner Gemeinde und als Landtagsabgeordneter. Der Kaiser verlieh ihm das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens. Beim Leichenzug des Brauers standen 10.000 Menschen Spalier.

Sein Sohn Anton Dreher d. J. (1849-1929) sollte seinem Vater als Brauherr nachfolgen. Bis zu seiner Volljährigkeit leitete eine Interims-Direktion die Firma. Das erfolgreiche Trio bestand aus seinem in der Unternehmensführung tätigen Onkel Franz Aich, dem Prokuristen August Deiglmayr und dem Wiener Bürgermeister Cajetan Felder. Dieser übernahm als Advokat auch die Vormundschaft. Anton Dreher d. J. hatte eine gute Ausbildung in der Schweiz genossen und berufliche Studienreisen unternommen. Als er an seinem 21. Geburtstag den Betrieb übernahm, war er "ein perfekt ausgebildeter Brauer". Wenige Monate später heiratete er Katharina Meichl. Die beiden Väter hatten vorgesorgt, dass Bier zu Bier kam. Die Braut war eine emanzipierte Frau, Jägerin und eine kühne Reiterin, wofür sie von Kaiserin Elisabeth bewundert wurde. Zeitgenossen rühmten Käthe Drehers außerordentliche Bildung und große Wohltätigkeit. Das Ehepaar konnte glücklich seine goldene Hochzeit feiern und hatte drei Söhne. Anton Dreher d. J. war ein erfolgreicher und innovativer Großindustrieller. Für seine Firmen ließ er die ersten Kältemaschinen bauen. Von den Gütern seiner 15 Schlösser bezog er die benötigten Rohstoffe und Nutztiere. Es waren Musterbetriebe, wo auch Kühe, Schweine, Schafe und Pferde gezüchtet wurden. Aus der Pferdezucht ergab sich die Liebe zum Rennsport, wobei seine Galopper häufig siegten.

Teil 2 des faktenreichen Buches, das sich spannend wie ein Roman liest, ist der Familie Mautner Markhof gewidmet. Ihre Angehörigen waren Mitstreiter, Konkurrenten und Gesellschaftspartner der Dreher. Adolf Ignaz Mautner (1801-1889) produzierte industrielle Presshefe und besaß in St. Marx die drittgrößte Brauerei Kontinentaleuropas. 1913 gründete Anton Dreher d. J. die "Vereinigten Brauereien Schwechat, St. Marx, Simmering - Dreher, Mautner, Meichl AG". Er wurde Präsident, Georg Meichl und Viktor Mautner Markhof Vizepräsidenten. Der Erste Weltkrieg vereitelte die hochfliegenden Pläne, in der Wirtschaftskrise vor dem Zweiten kaufte Georg III. Heinrich Mautner Markthof (1904-1982) das Unternehmen und nannte es "Mautner Markhof Brauerei Schwechat AG". Einer der bekanntesten Österreicher der Nachkriegszeit war Manfred Mautner Markhof ("MMM", 1903-1981). Er führte nicht nur das Firmenimperium durch den Krieg, sondern war auch einer der bekanntesten Österreicher der Nachkriegszeit, u. a. Mitbegründer der Industriellenvereinigung, der erste Präsident des ÖAMTC, Mitglied des Olympischen Komitées und - gemeinsam mit seiner Frau Maria Anna, geb. Kupelwieser - auf kulturellem Gebiet äußerst engagiert. Manfred war bald der mächtigste Mann der österreichischen Brauwirtschaft, schreiben die Autoren und berichten vom Ausbau der Betriebsanlagen. 1967, in seinem letzten Jahr als Vorstandsvorsitzender, erreichte MMM mit einem Ausstoß von 1,308.000 hl einen absoluten Rekordwert. Dann übernahm die fünfte Familiengeneration das Ruder. Mit Manfred II. (1927-2008) endet die Geschichte eines Unternehmens, das … in die große Gruppe der erfolgreichen österreichischen Familienunternehmen eingeordnet werden muss. 1978 erfolgte die Fusion mit der Brau AG. Trotz mehrfacher Übernahmen blieb "Schwechater" als Großbrauerei und Dosenabfüllbetrieb erhalten. Viele Besitzungen, denen das letzte Kapitel gewidmet ist, bestehen nicht mehr. Aber einige der Gutshöfe liefern wieder jene Gerste, mit der Schwechater Lager produziert wird. Es ist jenem nachempfunden, das Anton Dreher vor 180 Jahren erfunden hat … recht hat(te) er.

hmw