Hans Petschar - Elisabeth Zeilinger (Hg.): Die Donau #
Hans Petschar - Elisabeth Zeilinger (Hg.): Die Donau. Eine Reise in die Vergangenheit. Katalog zur Sonderausstellung "Die Donau" in der ÖNB. Verlag Kremayr & Scheriau Wien. 256 S., ill., € 29,90
Mit 2888 km ist die Donau der zweitlängste Strom Europas. Sie fließt durch zehn Länder, ist Verkehrsweg, Wirtschaftsader, Geschichtsraum und Sehnsuchtsort. Die "Donaumonarchie" umfasste rund die Hälfte des schiffbaren Flusses. Die k. k. privilegierte Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft (DDSG) war weltweit das größte Unternehmen der Binnenschifffahrt … Viele gute Gründe für die Österreichische Nationalbibliothek (ÖNB), der Wasserstraße bis 7. November 2021 eine vielseitige Ausstellung und ein großartiges Begleitbuch zu widmen. Während die Attraktion der Schau eine Reproduktion der ca. 40 m langen "Pasetti-Karte" ("Karte des Donau-Stromes innerhalb der Gränzen des österreichischen Kaiserstaates, 1862-1867") bildet, versammelt das reich illustrierte Buch ein rundes Dutzend Essays namhafter AutorInnen. Dazu umfasst das Werk die Wiedergabe der Pasetti-Karte, angereichert durch Veduten und Tierbilder, und einen Katalogteil.
Die Reise in die Vergangenheit beginnt mit den frühesten Zeugnissen der Besiedlung in Donaunähe - der 36.000 Jahre alten Venus vom Galgenberg in Stratzing und der 30.000-jährigen Venus von Willendorf - und endet 1984 mit der Besetzung der Stopfenreuther Au bei Hainburg. Der Historiker Karl Vocelka stellt Die Donau als Geschichtsraum vor. Kelten, Römer, Völkerwanderung, Christianisierung, Kriege und Politik bilden Schwerpunkte der beeindruckenden Abhandlung, die auch kulturelle Denkmäler entlang der Donau, wie (Wallfahrts-)kirchen, Burgen, Schlösser und Städte auf dem Weg des Wassers zum Meer referiert.
Der Hydrobiologe Severin Hohensinner spricht von der Verwandlung der Donau, die er als eine kaum zu bändigende Flusslandschaft charakterisiert. Die Ausstellungskuratorin Elisabeth Zeilinger betitelt ihren Beitrag über Die Regulierung der Donau bei Wien mit Der unvermeidliche Hofrat Pasetti. Er entfaltete im Lauf der 1850er Jahre eine rege publizistische Tätigkeit für seine Variante - eine weniger radikale Lösung, als jene, die 1870-1875 erfolgte - und galt daher als "Verhinderer". Kaum war er (nach mehr als 50 Dienstjahren) pensioniert, kam es zu einer Einigung in der Donauregulierungs-Kommission. Überlegungen für Maßnahmen, die Wien vor den gefürchteten Hochwassern und Eisstößen schützen sollten, bestanden seit 1715. Die Zähmung der österreichischen Donau nahm rund 100 Jahre in Anspruch, fasst Hohensinner zusammen.
Auch die Schifffahrt erhoffte sich Verbesserungen. 1829 wurde die DDSG gegründet. Wenige Jahre später errichtete sie ihre erste Werft, die lange Zeit die größte Europas blieb. Eine eigene Bahnlinie sorgte für den Transport der von den Dampfschiffen benötigten Kohle. Am Beginn des 20. Jahrhunderts hatte die DDSG rund 11.000 Beschäftigte und die Dampferflotte bestand aus etwa 50 Personendampfern und 90 Zugdampfern für den Frachtverkehr, erinnert der Kulturwissenschaftler Christian Maryska in seinem Beitrag über Die DDSG und die Donauschifffahrt. Er zeigt auch Plakate und Bücher, die für Interessierte und Reisende von der Gesellschaft herausgegeben wurden. Diese bestand bis 1990. Seither profitieren ausländische Reedereien vom Boom der Flusskreuzfahrten.
Seit Jahrhunderten bot die Donaulandschaft Künstlern ein reiches Betätigungsfeld. Das Buch bringt hervorragende Reproduktionen der Werke etwa von Eduard Gurk, Jakob Alt, Franz Wolf oder Franz Jaschke. Das Schaffen dieses Kammermalers und erzherzoglichen Reisebegleiters erläutert Hans Petschar. Der Direktor des Bildarchivs und der Grafiksammlung der ÖNB zeichnet Das Bild der Donau in der Druckgrafik unter dem Titel Imaginationen. Der Ausstellungskurator schreibt: Seit Jahrhunderten beflügelte die Donau die Fantasie. Schon die berühmte Schedel'sche Weltchronik von 1493 zeigt Holzschnitte von Städten, in denen immer wieder die Donau prominent im Vordergrund zu sehen ist. Künstler vieler Generationen boten ihren Verlegern Donau-Veduten an, die zu den schönsten ihrer Art zählen. Schon in den 1840er Jahren hatten lithographische Werke und Stahlstichalben auch eine touristische Komponente.
Die Philologin Sigrid Schmid-Bortenschlager bringt Beispiele der Literatur über Die unheimliche Donau, wie Ingeborg Bachmanns "Malina" mit dem "Märchen der Prinzessin von Kagran", H.C. Artmanns und Gerhard Rühms "Donauweibchen" oder Andreas Okopenkos "Lexikon-Roman". Diese und zahlreiche andere AutorInnen schreiben nicht über die Donau selbst, sondern über die Donau-Auen, den Prater. … Die Opposition zwischen Kultur … und Natur … ist determinierend.
Die Kunsthistorikerin Michaela Ortner befasst sich mit der Monographie "Danubius Pannonico-Mysicus". Sie ist die erste vollständige, verschiedene Wissenschaftszweige umfassende, Beschreibung der Donaulandschaft. Die ÖNB besitzt das exklusiv in rotes Leder gebundene sechsbändige Privatexemplar des Prinzen Eugen von Savoyen. Geplant war, maximal 625 nummerierte Exemplare im Weg der Subskription zu vertreiben, doch fanden sich nur 181 Interessenten für das mit 407 Blättern und 288 Kupferstich-Tafeln ausgestattete wissenschaftliche Werk. Sein Autor war der Diplomat Ferdinando Marsili (1658-1730). Der aus Bologna stammende Graf stand seit 1682 als Ingenieuroffizier in kaiserlichen Diensten.
Jan Mokre, Direktor des Globenmuseums, erläutert in seinem Artikel Auf der Donau zum Schwarzen Meer die Arbeitsweise Marsilis und seiner Berufskollegen, der Militärkartographen. Dabei waren nicht nur profunde Kenntnisse gefragt, der Autor weiß auch: Mit der Militärgeographie eng verbunden war und ist die Spionage. So schickte Joseph II. als Kaufleute getarnte Offiziere auf Handelsschiffen donauabwärts, um militärisch und ökonomisch relevante Informationen zu beschaffen. Die militärische Bedeutung der Wasserstraße behandelt der Politikwissenschaftler Günther Kronenbitter. In Der Fluss und der Krieg beleuchtet er Das Donautal als Kriegsschauplatz. Für die Römer war die Donau ein Teil der Grenzzone ihres Imperiums. Kaiser Trajan ließ eine Brücke über den Fluss schlagen, in der Folge siegten seine Truppen über die Daker. Bauwerk und Schlacht sind auf der Trajanssäule in Rom verewigt.
Mit Flussüberquerungen beschäftigt sich Elisabeth Zeilinger in dem Artikel Von Pontons und fliegenden Brücken. Sie schreibt: Im Bereich der ober- und niederösterreichischen Donau gab es bis weit in das 19. Jahrhundert nur drei Brücken. In der gesamten Monarchie waren es lediglich acht. Holzkonstruktionen befanden sich in Wien, Krems-Stein und Linz, doch waren sie zeitweise unpassierbar. Einzig die berühmte Steinerne Brüske in Regensburg … war ganzjährig benutzbar. Sie überstand auch alle Hochwasser. Die Ausstellungskuratorin hat für das Buch mehrere Beiträge verfasst, u. a. über die "Pasetti-Karte". Diese nennt Furten, Überfuhren, bewegliche und stehende Brücken sowie Stege.
1867 war das Jahr der Fertigstellung dieser "Karte des Donau-Stromes innerhalb der Gränzen des österreichischen Kaiserstaates" und das Jahr der Uraufführung des wohl berühmtesten Chor-Walzers mit dem Titel "An der schönen blauen Donau" (die im Originaltext gar nicht vorkam). Damit beschäftigt sich der Direktor der ÖNB-Musiksammlung Thomas Leibnitz: Strauss und die Donau - zwei Variationen. Während der Walzer von Johann Strauss zur heimlichen Hymne avancierte, blieb die sinfonische Dichtung "Die Donau" von Richard Strauss ein Torso und ist weithin unbekannt. In beiden Fällen geht es vorrangig um eine Hommage auf Wien, das nicht nur "an der schonen blauen Donau" liegt, sondern sowohl für Johann als auch für Richard Strauss als Welthauptstadt der Musik schlechthin gilt.