Erwin Pröll: Mein Niederösterreich #
Erwin Pröll: Mein Niederösterreich. Eine Liebeserklärung. Verlag Ueberreuter Wien. 240 S., ill., € 28,-
An diesem Niederösterreich hänge ich mit jedem Herzschlag, sagt Erwin Pröll. Viele seiner "Herzensorte" stellt der Altlandeshauptmann in diesem Buch vor. Es ist ein Heimat-Buch im besten Sinne, in exzellenter Ausstattung (sogar mit blauem und gelbem Lesebändchen). Obwohl es sich um eine "kleine Auswahl" handelt, lernt man das abwechslungsreiche Land gut kennen und erfährt viel Neues: Niederösterreich umfasst rund ein Viertel der Fläche Österreichs, exakt 19.179 m², wovon 48 % landwirtschaftlich genutzt werden. Es bestehen 573 Gemeinden und 3.833 Ortschaften. Zwei Nationalparks und 23 der 48 österreichischen Naturparke liegen in Niederösterreich Das Wildnisgebiet Dürrenstein zählt zum UNESCO-Weltnaturerbe, Wachau und Semmeringbahn zu den UNESCO-Welterbestätten. Außerdem bieten 15 Klöster und Stifte sowie 750 Museen und 50 Spielstätten von Sommertheatern kulturelle Vielfalt. Die vier Viertel des größten österreichischen Bundeslandes - erstmals 1697 als solche definiert - präsentieren sich in hinreißenden Fotos von Barbara Wirl, informativen Texten von Marlene Groihofer und der "Liebeserklärung" des Autors.
Die Reise beginnt im Mostviertel, mit fast einem Drittel der größte Landesteil. Hier findet man die "Wiege Österreichs" (Ostarrichi-Urkunde 996) ebenso wie die junge Hauptstadt St. Pölten. Kultur, Natur - allein 300.000 Birnbäume entlang der Moststraße - und landschaftliche Schönheiten charakterisieren das Viertel im Südwesten. Der Ötscher bildet seine höchste Erhebung. Über das Ötscherland schreibt Erwin Pröll: Ich war zehn Jahre alt und meine erste Fahrt mit der Mariazellerbahn eine Märchenreise. … Bis heute ist die Schmalspurbahn ein Wunderwerk für mich, die schönste Verbindung zwischen Technik und Natur. Dank seines Engagements betreibt seit 2010 das Land Niederösterreich die, "Himmelstreppe" genannte, Bahn von St. Pölten nach Mariazell. Eine weitere touristische Attraktion brachte die Landesausstellung, mit der 2015 auch das "Naturparkzentrum Ötscher-Basis" eröffnet wurde. Schon 2007 war das Mostviertel Schauplatz einer Landesausstellung, der das Rothschild-Schloss in Waidhofen an der Ybbs seine Revitalisierung verdankt. So wurde im "Land der Schwarzen Grafen", der Hammerherren, wieder ein Stück des an Geschichte überaus reichen Viertels ober dem Wienerwald lebendig. Dazu zählen u. a. die Stifte Ardagger, Herzogenburg, Lilienfeld und Seitenstetten die Wallfahrtskirche Sonntagberg, die Kartause Gaming, die Schallaburg, die Römerstädte Traismauer und Tulln.
Im Waldviertel verbindet Erwin Pröll vieles mit der Rosenburg. Wenn er mit seinen Enkeln die Greifvogelvorführungen bewundert, denkt er gerne an seine eigene Kindheit: Die Rosenburg war die allererste Burg, die ich je besucht habe. Von der Burgterrasse genießt er einen einzigartigen Ausblick, auf Stift Altenburg, weit übers Kamptal und bis Maria Dreieichen. Unvergleichlich präsentieren sich an diesem Ort die landschaftliche Schönheit und der große Kulturschatz Niederösterreichs. Weitra, Österreichs älteste Braustadt, zählt ebenso zu den Sehenswürdigkeiten wie die Blockheide mit ihren tonnenschweren Wackelsteinen oder das "Mohndorf" Armschlag. Waldviertler Graumohn ist als europäische Ursprungsbezeichnung registriert. Im Mittelalter brachten Mönche die Kulturpflanze ins Waldviertel, wo sich berühmte Klöster wie Altenburg, Zwettl und Geras befinden. Grafenegg ist die bedeutendste historistische Schlossanlage Österreichs und seit 2007 Schauplatz eines internationalen Musikfestivals. Mit dem "Wolkenturm" besitzt es eine der besten Open-Air-Bühnen der Welt.
Eine besondere Stellung im nordwestlichen Landesteil gebührt der Wachau die zum Weltkulturerbe zählt. Sie erstreckt sich zwischen Melk und Krems auf 36 km entlang der Donau, die Niederösterreich auf 218 km durchfließt. Während Melk für seine barocke Stiftsanlage berühmt ist, bietet Krems - die älteste Stadt Niederösterreichs - mit seiner kürzlich eröffneten Landesgalerie eine moderne Landmarke. So ist es nicht übertrieben, wenn der populäre Politiker meint Diese Stadt ist für mich ein Juwel der kulturellen Entwicklung des Landes - und der persönliche Schlussstein seiner kulturpolitischen Tätigkeit.
Seine eigentliche Heimat ist das Weinviertel. 1946 in Radlbrunn im Schmiedatal als Bauernsohn geboren, studierte er in Wien an der Universität für Bodenkultur Agrarökonomie. Erwin Pröll war fast vier Jahrzehnte in der niederösterreichischen Politik tätig, zuletzt 1992 bis 2017 als Landeshauptmann. Die Natur lehrte ihn Nur wer sät, der kann auch ernten, und in der Dorfgemeinschaft erfuhr er Füreinander da sein und aneinandergeraten, Feste feiern und Krisen meistern. Alle Facetten menschlichen Lebens … Heute bin ich dafür dankbar. Im Weinviertel wird auf 13.000 Hektar Wein gebaut, es ist als Region der 1000 Kellergassen bekannt. Mit ihrer wieder entdeckten Kultur zählen sie jetzt zum Immateriellen Kulturerbe der UNESCO. Das Marchfeld, das ebenfalls zum nordöstlichen Teil des Bundeslandes gehört, gilt mit seinen ausgedehnten Getreidefeldern und 700 Gemüsebauern als Kornkammer Österreichs. Mit Schloss Hof, Niederweiden, Eckartsau, Marchegg, Obersiebenbrunn und Orth erstreckt sich das "Schlösserreich" zwischen Donau und slowakischer Grenze.
Das Industrieviertel lässt sich am besten als vielseitige Region der Kontraste charakterisieren. Kurgegend und Industrieregion, Forschungsstandort und archäologische Fundstätte, mit Hochgebirge und den sanften Hügeln der Buckligen Welt. Der Wienerwald zählt dazu, ebenso die Wiener Alpen (Hohe Wand, Schneeberg, Rax, Semmering) und die Gegend zwischen Donau und Leitha. In Lichtenwörth befand sich 1747 mit der Nadelburg die erste Fabrikssiedlung Europas. In Rohrau wurden die Komponistenbrüder Joseph und Michael Haydn geboren. Carnuntum, um das Jahr 300 Hauptstadt der römischen Provinz Oberpannonien, war eine Drehscheibe der Weltpolitik. Pröll, der Carnuntum erst für sich entdecken musste, schreibt jetzt mit Herzblut: Heute ist die vormalige römische Metropole touristischer Anziehungspunkt, aber auch symbolträchtiger Wegweiser. Carnuntum ist, wenn man so möchte, eine "Tankstelle" für das Selbstbewusstsein Niederösterreichs. Und es ist eine Erinnerung. Daran, dass wir als Land im Herzen Europas stets dazu aufgerufen sind, uns einzubringen - mit fruchtbaren Impulsen für ein globales Miteinander.