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Johanna Sibera: Die Wege zum Ölberg#

Bild 'Sibera'

Johanna Sibera: Die Wege zum Ölberg. Edition Weinviertel. Langenzersdorf. 114 S., ill., € 14,-

Der Ölberg ist eine der angesagtesten Wohngegenden in Klosterneuburg, wenn nicht die teuerste und am meisten begehrte. Johanna Sibera sollte es wissen. Die Literatin wurde in Klosterneuburg geboren "und lebt seitdem hier." Ihre jüngste Veröffentlichung nennt der Verlag eine "Fast-Chronik". Im Fernsehen wäre diese Klosterneuburger Sittengeschichte wohl eine Doku-Soap - an Fortsetzungen würde es nicht mangeln. Dafür könnte allein die singende Trapp-Familie, die im Martinschlössl, Martinstraße 34-36 lebte, reichlich Stoff bieten. Die Story vom U-Boot-Kapitän und der Enkelin des Torpedo-Erfinders wird hier allerdings nicht erwähnt.

Dichtung und Wahrheit, Historie und Histörchen fließen ineinander. Wer die Gegend kennt, wird vieles - und viele - Bekannte finden, wie etwa Kammersänger Karl Dönch und Sopranistin Sonja Mottl-Preger, die Initiatorin und Leiterin der Kindersozialdienste St. Martin, Ingrid Birgfellner, die stets freundliche Gärtnerin N. N. Strempel, deren Sohn und Schwiegertochter bei einem Motorradunfall starben, den Musiker Karl Loubé und seine Frau Lucie, die ein Tierheim gründete. So, wie sie die Autorin vorstellt, wirken sie alle sympathisch. Aber was ist mit den anderen, deren Privatleben bei voller Namensnennung veröffentlicht wird ? Für sie kann man nur hoffen, dass sie mit ihren intimen Details der Phantasie der Autorin entsprungen sind.

Tratschgeschichten sind nicht jedermanns Sache. Doch gibt es auch historische Fakten und Zitate, wie über das Käferkreuz. Sein Foto ziert den Umschlag des Buches. Dieser Tabernakelpfeiler, errichtet 1675 vom Hofsteinmetz Urban Illmer, ist von der barocken Figur Maria Immaculata bekrönt. Am Tabernakel befinden sich Reliefs der Heiligen Josef, Leopold, Sebastian und Martin. … Eine der Inschriften auf dem Sockel verrät die Gründe der Aufstellung: "Vor Schauer, Khefer, Gefrier, Pestilenz und Feindes Gefahr, O Herr bewahre uns dis Landt und gesambte Christen Schar. Anno 1675." Bei den erwähnten Käfern hat es sich um sogenannte Zigarrenwickler gehandelt. Unweit vom Käferkreuz gemahnen barocken Denkmäler an die Passion.

Die steinerne Ölberggruppe, rund 3 ½ km vom Stift entfernt, bildete das Ziel des "Klosterneuburger Kreuzwegs", zu dem Bittprozessionen führten. Die erste Station war die Abschiedskapelle, die eine Klosterneuburger Müllerfamilie gestiftet hatte. Die zweite Station (Am Ölberg, Ecke Käferkreuzgasse) besteht aus lebensgroßen Sandsteinfiguren, die Jesus mit den schlafenden Jüngern Jakobus, Johannes und Petrus darstellen. Auf einem Sockel steht ein Engel mit dem Kelch und einem Kreuz. Der Künstler war vermutlich Jakob Jabinger. Als Stifter traten die Bürger der Unteren Stadt auf. Die letzte Station bildet die ca. 250 m entfernte Kreuzkapelle (Käferkreuzgasse). Das kleine Bauwerk von Matthias Gerl d. Ä. enthielt Figuren und eine Pietá. Als Spender fungierte die katholische Rosenkranzbruderschaft.

An die jüdische Gemeinde erinnert ihr Friedhof in der Holzgasse, der 650 Gräber umfasst. Er entstand 1874 auf Initiative der Eltern zweier Jugendlicher, die an Cholera verstorben waren. Wegen der Seuche durften sie nicht, wie üblich, nach Wien überführt werden und mit einer Beisetzung auf dem katholischen Gottesacker waren die Angehörigen nicht einverstanden. Die mit einer Mauer umgebene Anlage wurde 1910 erweitert, die ehemalige Zeremonienhalle 2007 abgebrochen. Der Friedhof, inzwischen "malerisch überwuchert", wird sukzessive renoviert.

An der Kreuzung Ziegelofengasse und Albrechtstraße beherrscht der Dürnhof aus dem 16. Jahrhundert die Straßenecke. Die zweihöfige, zweigeschossige Anlage mit einem Wappen über dem Portal enthält einen Kapellentrakt aus der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts. In jener Zeit ließ Maria Dorothea Dietrichstein den erst landesfürstlichen, dann adeligen Freihof als Landsitz ausbauen. Heute dient er als Wohnhaus. Ab 1770 gab es Nutzungen als Kaserne, Offiziersschule und Militärdepot.

Die Gegend hier war ein frühes Industriegebiet. Allerdings wird die Kolonialzuckerraffinerie in der Martinstraße 58 nicht erwähnt. Sie war die erste ihrer Art im heutigen Österreich und bestand von 1785 bis 1798. An Stelle der Reihenhäuser der Aichfeldsiedlung war von ca. 1800 bis 1934 ein Ziegelofen in Betrieb. Der Straßenname erinnert daran. Die Fabrik samt dem charakteristischen Schlot und Arbeiterhäusern wurde 1956 geschleift. An der Gabelung von Ziegelofengasse und Käferkreuzgasse befindet sich ein spätgotischer Pfeilerbildstock. Aus der Wand ragt eine geschmiedete "eiserne Hand". Sie könnte ein Wegweiser sein, eher aber ein Verbotszeichen, das - wie die Südtiroler "Saltnerpratzen" - vom Betreten der Weinberge, zur Zeit der Lese, warnte. Die Autorin überliefert eine bekannte Sage: Im Volksmund wird sie Teufelshand genannt und man erzählt, dass an dieser Stelle der Teufel einen reichen, gottlosen Ziegelbrenner geholt hat. Ein anderes Unternehmen in der Ziegelofengasse war die Spiritusfabrik, die aus Kartoffelstärke Alkohol herstellte.

Ein gutes Stück weiter, mit der Adresse Eisenhütte 32, produziert Herwig Pecoraro mit seiner Familie Aceto Balsamico her. Eigentlich war der Eigentümer Polizist, dann studierte er bei einem der besten Gesangslehrer Italiens. In Modena lernte er das traditionelle Verfahren der Balsamico-Herstellung kennen. Heute tritt der Kammersänger an der Wiener Staatsoper auf. In Klosterneuburg betreibt er die Acetaia Pecoraro GmbH und ein "Refugio" für exklusive Feierlichkeiten. Die "Ruhe-Oase" mit ihren zahlreichen Attraktionen erstreckt sich auf 1000 m² am Ölberg, "einer der angesagtesten … und am meisten begehrten" Gegenden der Babenbergerstadt.

hmw