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Bernadette Spitzer: Von Bischofsstab bis Besenstiel#

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Bernadette Spitzer: Von Bischofsstab bis Besenstiel. Mit 365 Heiligen durchs Jahr. Wiener Dom Verlag. 400 S., € 29,50

Man kann mit einem Hirtenstab in der Hand heilig werden, genauso aber auch mit einem Besen, zitiert Bernadette Spitzer Johannes XXIII. (1881-1963) in der Einleitung zu ihrem speziellen Kalendarium. Über den "guten Papst" schreibt sie beim 11. Oktober: Johannes XXIII. gilt als schlagfertigster Papst des 20. Jahrhunderts und er stellte die Weichen für die Öffnung der Kirche in die Moderne. Dabei hätte er ursprünglich gar nicht Priester werden sollen - sondern den landwirtschaftlichen Großbetrieb der Familie in Bergamo (Italien) weiterführen. Am 11. Oktober 1962 eröffnete er das Zweite Vatikanische Konzil. Zu seiner Heiligsprechung kamen, ein halbes Jahrhundert später, eine Million Menschen auf den Petersplatz.

Das beeindruckende Oberhaupt der katholischen Kirche ist bei weitem nicht der einzige Papst, der zur Ehre der Altäre erhoben wurde. Doch auch für Heilige mit einem Besen hat die Autorin eine Reihe beeindruckender Beispiele auf allen Kontinenten, in allen Jahrhunderten gefunden. MMag. Bernadette Spitzer, Theologin und Anglistin, zählte 1998 zu den Gründungsmitgliedern von Radio Stephansdom. Seit 2015 gestaltet sie dort täglich die Serie "Vorbilder - Heilige des Tages", aus der dieses Buch eine Auswahl bringt. Der Stoff für ihre Beiträge wird der Redakteurin noch lange nicht ausgehen. Hochgerechnet hat sie bisher im Radio rund ein Drittel der namentlich bekannten Heiligen und Seligen porträtiert, die das aktuelle Verzeichnis des Martyrologium Romanum verzeichnet, dazu kommen 7.400 namentlich nicht bekannte, wie auch regional verehrte Patrone. Da täglich mehrere Heilige ihren Gedenktag haben, galt es eine schwere Auswahl zu treffen zwischen Klassikern und gänzlich unbekannten Heiligen. … Ich habe mich letztendlich für den - für mich - interessanten Lebensweg entschieden, der im Idealfall auch einen Österreichbezug aufweist. Populäre Patrone wie Christophorus fehlen, dafür lernt man greifbare Vorbilder wie Anton Maria Schwartz (1852-1929) kennen. Der Wiener Kalasantinerpater gründete nicht nur diesen Orden, sondern auch die erste Lehrstellenagentur. Er vermittelte mehr als 6000 Stellen bei 1000 Meistern.

Jede Zeit hat ihre Ideale - und ihre Heiligen. Manches, wie extreme asketische Übungen, klingt heute befremdlich. Die ersten Heiligen haben mit dem Leben für ihren Glauben bezahlt. Viele Überlieferungen entsprechen weniger der Realität, als dem christlichen Ideal. Es geht dabei nicht um eine historische Biographie, sondern um die Konzentration der Verdienste vor Gott, Gnadenerweise und Wundertaten. Viele Legenden sind ähnlich, individuelle Züge selten. Der oder die typische Heilige ist von Anfang an erwählt, verlässt die Familie, ist schön, klug, würdevoll, demütig und einfach. Er oder sie verschmäht die Freuden des Lebens, isst, trinkt und schläft wenig, betet viel, ist wohltätig, freundlich und friedliebend. Weibliche Heilige verweigern die Ehe und verstehen sich als "Braut Gottes". Nur in Glaubenssachen streng, geht er/sie konsequent in den Tod. Die danach gewirkten Wunder - die wieder bestimmten Typen folgen - nehmen breiten Raum ein. Eine der berühmtesten Sammlungen ist die Legenda Aurea des Dominikaners und Erzbischofs von Genua, Jacobus a Voragine (um 1229 - 1298). Das Andachtsbuch enthält 150 Legenden. Es war das populärste religiöse Volksbuch des Mittelalters, wurde in alle Sprachen des Abendlandes übersetzt und … ist die bis heute bedeutendste Sammlung von Heiligenlegenden.

Seit ihrer Abfassung um 1263 sind viele Biographen dazugekommen. Von 1588 bis zum Pontifikat Johannes Paul II. (1978-2005) gab es 231 Heiligsprechungen, er führte 482 durch - doppelt so viele wie in den 400 Jahren davor. Die Zahl der Seligsprechungen vermehrte sich von 565 um 1338. In Wien sprach er 1998 Maria Restituta Kafka, Jakob Kern und Anton Maria Schwartz selig. Außerdem verkürzte er die Verfahrenslängen. Der Papst der Superlative selbst wurde schon sechs Jahre nach seinem Tod selig und drei Jahre später heilig gesprochen.

Im frühen Mittelalter wirkten heilige Männer und Frauen als MissionarInnen und gründeten Klöster, wie das irische "Patronats-Kleeblatt" Patrick, Kolumban und Brigida von Kildare oder die vermutlichen Zwillinge Benedikt und Scholastika von Nursia, die in seiner Stiftung Montecassino (Italien) begraben sind. Anfang des 13. Jahrhunderts fand das Armutsideal des Franz von Assisi Sympathisanten. Dazu zählten die sieben Stifter des Servitenordens, wohlhabende italienische Kaufleute, die Geschäfte und Familien verließen, um sich der Armen- und Krankenpflege zu widmen. 1304 wurden die "Diener Mariens" als Orden anerkannt, was der Gründer Alexis Falconieri - er soll ein Alter von 110 Jahren erreicht haben - noch erlebte. Im folgenden Jahr gründete seine Nichte Juliana den weiblichen Zweig. Ihr ist eine Kapelle in der Servitenkirche geweiht, eine der kulturhistorisch bedeutendsten frühbarocken Kirchen Wiens. 2009 haben die Serviten ihr Kloster im 9. Bezirk aufgegeben, aber das Stadtviertel trägt weiterhin ihren Namen.

Wiens prächtigstes Gotteshaus ist einem Pestpatron geweiht. Kaiser Karl VI. hatte während der Epidemie einen Kirchenbau zu Ehren seines Namenspatrons Karl Borromäus (1538-1584) gelobt. Dieser war als Sekretär seines Onkels, Papst Pius IV., ein lebensfroher Renaissancefürst. Schon mit 27 Jahren Erzbischof von Mailand, wurde Karl Borromäus bescheidener, 1576 richtete er sein Palais als Pestspital ein und pflegte selbst die Kranken. Als Vertreter der Katholischen Reform nach dem Konzil von Trient ging er aber unerbittlich gegen Protestanten vor. Anders als er blieb der Niederländer Petrus Canisius (1521-1597) den Evangelischen gegenüber respektvoll. Statt von "Irrlehren", wie allgemein üblich, sprach er von "neuen Lehren", doch verhalf der Jesuit der Gegenreformation mit seinem Katechismus zum Erfolg. Zielgruppenorient gab es drei Ausgaben, wobei er die Glaubenswahrheiten in kurzen Fragen und Antworten einprägsam darlegte. In den 1550er Jahren wirkte er in Wien und Innsbruck.

Im 19. Jahrhundert, einer Zeit der sozialen Notstände, sahen heiligmäßige Männer und Frauen ihre Aufgabe in der Sorge um Arme, Waisen und in der Mädchenbildung. Das 20. Jahrhundert forderte politische Märtyrer, im Widerstand gegen Nationalsozialismus und Regime in Osteuropa. Unter dem Blickwinkel Weltkirche wurden auch "exotische" Heilige berücksichtigt, die hier erstmals Erwähnung finden, betont die Autorin. Sie stellt Menschen vor, die der bedingungslose Einsatz für ihren Glauben verbindet: klassische und unbekannte, Herrscher und Sklaven, brave und aufmüpfige, Geistliche und Laien. Die langjährige Redakteurin und "Heiligen-Expertin" hat jeder Persönlichkeit eine Seite gewidmet, die wichtigsten Daten finden sich auf einen Blick in der Marginalspalte. Dazu kommt ein Anhang mit der Erklärung relevanter Begriffe, wie Kanonisierung, Patronate oder Reliquien, sowie ein alphabetisches Namensregister der vorgestellten "Spitzensportler des Guten".

hmw