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Klaus Bergdolt: Die Weihnachtskrippe#

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Klaus Bergdolt: Die Weihnachtskrippe. Theologie, Kunst, Anthropologie. Verlag Friedrich Pustet Regensburg. 144 S., ill., € 16,95

Alle Jahre wieder findet man Weihnachtskrippen zwischen Kitsch und Kommerz. Viele Betrachter wissen mit dem dargestellten Geschehen nichts anzufangen. Das entsprechende Basiswissen scheint aus dem religiösen Bildungskanon verschwunden zu sein. Dafür gibt es viele Gründe, die der Autor ausführlich referiert - und womit er sich nicht einfach abfinden möchte. Der Kunst- und Medizinhistoriker DDr. Klaus Bergdolt war Universitätsprofessor in Köln und Vorsitzender des Deutschen Studienzentrums in Venedig. Er erkundet in diesem Buch die kulturhistorischen Zusammenhänge der Weihnachtskrippe von den Anfängen über die Blütezeit zwischen 1650 und 1850 bis in die Gegenwart.

Spätestens im frühen 4. Jahrhundert war auch Christi Geburt ein zentrales Motiv christlicher Kunst. Nicht nur seine symbolgetragenen Wunder und seine Auferstehung beschäftigten die Theologen, sondern auch die Menschwerdung des Erlösers, der zugleich Gott blieb. … Gott sollte Mensch geworden sein - war dieses für Anhänger wie Gegner des Christentums absurde Paradoxon überhaupt denkbar? Erst die Konzilien von Nikaia (Nicäa), 325, und Konstantinopel, 381, formulierten das Glaubensbekenntnis "Gott von Gott, Licht vom Lichte, wahrer Gott vom wahren Gott".

Die Krippenkultur begann im 7. Jahrhundert in der römischen Kirche Santa Maria Maggiore (Santa Maria ad Presepe). Hier verehrte man einen Holztrog, der als originale Krippe galt. Einige in Silber und Kristall gefasste Teile haben sich erhalten, manche zählten zu den in der Burg Karlstein bei Prag aufbewahrten Reichskleinodien. Am 25. Dezember zelebrierte der Papst in Santa Maria ad Presepe die Messe. Dieses Datum wurde anno 336 als nativitas domini erwähnt und 354 von Papst Liberius festgelegt. Von Santa Maria Maggiore aus nahm die Tradition des 25. Dezember in Italien und Nordafrika ihren Ausgang. Für diese römische Marienkirche stellte einer der bedeutendsten Bildhauer des 13. Jahrhunderts, Arnolfo di Cambio, unter Verwendung der Holzreliquien ein Relief der Geburtsszene zusammen. Das fast lebensgroße Kunstwerk entfaltete eine starke Vorbildwirkung in Italien, Frankreich und Deutschland. Im 15. und 16. Jahrhundert hatten fast alle Frauenklöster in Neapel eine große Krippe, wobei ein naiv-frommer Konkurrenz- und Wettbewerbsgedanke die Produktion beflügelte. Auch in der intellektuellen Elite der Stadt waren Weihnachtskrippen populär. Im 18. Jahrhundert baute König Karl III. eigenhändig an der Weihnachtskrippe des Hofes mit, seine Frau nähte die Kleider für die zahlreichen Figuren. Das Bayerische Nationalmuseum bewahrt die Reste dieser kostbaren Palastkrippe. Auch J.W. Goethe war auf seiner italienischen Reise von den neapolitanischen Krippen beeindruckt. Andere Reiseschriftsteller der Aufklärung zeigten kein Verständnis für die "primitive Volkskunst", die detailreich den Alltag der einfachen Leute und häusliche Szenen abbildete.

Um 1340 hatte Sancia von Aragon, die Frau König Roberts des Weisen und Franziskaner-Tertiarin, den Franziskanerinnen von Santa Chiara in Neapel eine Krippe mit lebensgroßen Figuren geschenkt. Niemand ahnte, dass damit eine ebenso einzigartige wie großartige lokale Tradition der Krippenkultur eröffnet war. 1534 entstand in Apulien ein Krippenberg. Er zeigte die Szenen der Geburt, Anbetung der Hirten und der Könige in vertrautem Ambiente. Das entsprach auch den Bestrebungen der Missionsorden. Die Franziskaner bauten 1524 in Mexiko die erste Krippe im Stil der indigenen Kunst. Von vorauschauender Genialität war die Idee der Jesuiten, europäisches … weihnachtlichen Brauchtums mit dem Kunstsinn, der Phantasie und dem Formenreichtum der süd- und mittelamerikanischen Indianer … zu versöhnen. … Die Bevölkerung scheint begeistert Anteil genommen zu haben. Den Ordensgemeinschaften, wie Franziskaner, Theatiner, Karmeliten und Dominikaner, kam bei der Verbreitung der Weihnachtskrippe die Hauptrolle zu. Nördlich der Alpen sorgten besonders die Jesuiten, die hier eine didaktische Chance sahen, für immer spektakulärere Darstellungen der Ereignisse von Bethlehem. Nach Prag (1562) waren ihre Kirchen in München, Innsbruck und Dillingen Aufstellungsorte. In der Wiener Jesuitenkirche gab es 1732 eine imposante Krippe mit geschnitzten Figuren. Bis zum Verbot des Ordens (1773) entstanden in Bayerisch-Schwaben alljährlich großartige Inszenierungen. Die "Bethlehem-Darstellungen " nach italienischem Vorbild sollten zur Meditation anregen und Kindern die Heilsgeschichte näher bringen.

Eine der frühesten Weihnachtskrippen im deutschen Sprachraum stand um 1500 Im steirischen Oppenberg (Rottenmann). Jene vom Nonnberg in Salzburg war überregional bekannt. Auch in Tirol, das an den alten Handelswegen zwischen Italien und dem Norden lag, entstanden fantasiereich gestaltete und emotional berührende Weihnachtskrippen. Seit dem 17. Jahrhundert sah man in Matrei in Osttirol alljährlich eine Kirchenkrippe. Etwa gleichzeitig wurde es in nordalpinen Residenzstädten Brauch, nach neapolitanischem Vorbild Krippen auch außerhalb von Kirchen zu präsentieren. Auf dem Weg zur "Hauskrippe" wurden die Figuren immer kleiner. Im Inntal, etwa in Rum und Thaur, drapierten sie die Bäuerinnen neben den Kachelöfen in ihren Häusern. Die Nachbarn trafen sich dort zum Krippenschauen.

Mit den Idealen der Aufklärung erfuhr der Krippenbrauch strenge Restriktionen. 1782 erließ Kaiser Joseph II. ein Krippenverbot für Kirchen, Waisenhäuser und Klöster. 1802 nahm Franz I. den Erlass zurück. Doch in diesen zwei Jahrzehnten wurden viele Krippen zerstört, und auch später fand man sie vergleichsweise selten in Wiener Kirchen. Eine Ausnahme stellte die Pfarrkirche St. Anna dar, bei der mechanisch bewegte Engel und Wasserfälle die Szenerie belebten.

Hinter dem schlichten Buchtitel Die Weihnachtskrippe verbirgt sich eine umfassende Abhandlung theologischer, kunsthistorischer und anthropologischer Aspekte. Spezialkapitel beschäftigen sich u. a. mit den Magiern aus dem Morgenland, dem Stern von Bethlehem, Ochs und Esel, dem geistlichen Schauspiel des hl. Franziskus und Effekten der Mystik. In diesen Zusammenhang fällt der älteste liturgische Weihnachtsbrauch, das Kindelwiegen. Puppen des Christuskindes, sogenannte Fatschenkindel, wurden, von Gesängen begleitet, in Wiegen gebettet von Arm zu Arm gereicht oder in Prozessionen umgetragen. Einige dieser kostbar ausgestalteten Christkindfiguren befinden sich in Museen und Kirchen. So ist in der römischen Kirche Santa Maria in Aracoeli der "Santo Bambino" zu sehen. Bis heute vertrauen ihm die Kinder zur Weihnachtszeit ihre Wünsche an. Das erste - kritische - Zeugnis des Kindelwiegens verfasste Gerhoh von Reichersberg, ein Propst der Augustiner-Chorherren anno 1162. Nach genau 850 Jahren wurde der Brauch in der Kirche St. Gertrud der Augustiner Chorherren des Stiftes Klosterneuburg revitalisiert.

hmw

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