Thomas Drexel: Alte Bauernhäuser renovieren und umbauen#
Thomas Drexel: Alte Bauernhäuser renovieren und umbauen. Verlag Prestel München. 192 S., ill., € 39,10
Wohnen auf dem Land, in Bauern- oder Dorfhäusern mit viel Atmosphäre - das ist der Traum vieler Menschen. Immer mehr potentielle Immobilienkäufer interessieren sich für ehemalige Bauernhöfe, Scheunen, Ställe, Mühlen oder auch dörfliche Wohnhäuser. … So schön dieser Traum ist, so wichtig ist auch ein profundes Wissen um den richtigen Umgang mit historischem Gemäuer, schreibt Thomas Drexel. Er ist einer der beliebtesten Architektur-Autoren und -Fotografen des deutschsprachigen Raums. Bauen, Wohnen und Renovieren sind seine bevorzugten Themen. Im jüngsten Buch stellt Drexel mehr als zwei Dutzend Objekte aus Deutschland, Österreich und der Schweiz vor. Die Bauten entstanden zwischen dem 15. und 20. Jahrhundert. Sie sind mit ca. 60 Grundrissen, ca. 200 Fotos, informativen Texten und Angaben zu Bauweisen und -materialien umfassend beschrieben. Der Einführungsteil erklärt alle wichtigen Schritte auf dem Weg zum Traumhaus.
Die Vertreter Österreichs befinden sich in Tirol, Ober- und Niederösterreich. Ohne Pomp und Villenkitsch erfolgte in der Nähe von Kitzbühel die sensible Sanierung eines Anwesens, das im Kern auf das 15. Jahrhundert zurückgeht. Es handelt sich um ein für die Region typisches Mittelflurhaus mit rechteckigem Grundriss, das über die Giebelseite erschlossen wird. Die Eigentümer wollten den Bestand möglichst bewahren und Eingriffe in die Substanz auf ein Minimum beschränken. Daher haben sie die Räume nicht verändert, sondern behutsam mit modernen Elementen ergänzt. Stube und Wohnzimmer wurden zu einem zusammenhängenden Raum. In der früheren Stube mit Holzdecke steht die alte Eckbank, der Wohnraum ist in zeitgemäßer Elegance eingerichtet. Die Gewölbe-Küche erhielt eine moderne Ausstattung. Das Badezimmer entspricht den neuesten Standards. An der Rückseite fügten die Architekten eine großformatige Verglasung ein. Dieses Bauernhaus trägt über 600 Jahre Geschichte, Tradition und Dialog mit der Umwelt in sich. Unser Auftrag war es, zu ermöglichen, dass dieser Dialog weitergeführt wird, erinnern sich die Planer von Snow-Architektur, Innsbruck.
Vierkanthöfe sind prägend für Oberösterreich. Auf vier Seiten einen Hofraum umschließend, kommen sie innen wie außen mit einem Minimum an Mauer- und Dachflächen aus und umfassen in der letzten Ausbaustufe Wohnhaus, Stall, Heustadel und Schuppen. Leider sind viele Vertreter dieses Bautypus in den letzten Jahrzehnten aufgegeben worden, stellt Thomas Drexel fest. Ein seit langem leer stehender Vierkanter bei Steyr hatte das Glück, verständige neue Eigentümer zu finden. Durch Sanierungsmaßnahmen und Rückbau späterer Veränderungen kamen alte Qualitäten wieder zum Vorschein. Der Gewölberaum mit einer Granitsäule bildet nun den neuen Mittelpunkt. Gleichzeitig war es der Bauherrschaft ein Anliegen, etwas Zeitgemäßes hinzu zu fügen. Der ehemalige Wirtschaftsteil erhielt einen verglasten Wohnraum. Der neue Ess- und Kochbereich ist durch transparente Schiebetüren barrierefrei mit der Hof- und Gartenseite verbunden. Die sinnliche Aura der Unberührtheit gab den Anstoß, auf die Wirkung der ursprünglichen Ästhetik zu vertrauen, kommentieren die Architekten Moser und Hager das Projekt.
Dasselbe Büro war für die Umnutzung einer Tenne im Hausruckviertel verantwortlich. Ein leuchtendes Beispiel, wie sich ein früheres Wirtschaftsgebäude aufwerten lässt, schreibt Architekt Drexel. Es entstand ein "Haus im Haus" mit der für junge Familien üblichen Wohngröße von 140 m², aber außergewöhnlicher Architektur- und Wohnqualität. Der Bestand bestimmt die Atmosphäre, dazu kam nun eine Terrasse. Großzügige Verglasungen ermöglichen optimale Belichtung. Natürliche und hochwertige Materialien, Oberflächen und Farben tragen wesentlich zur Wirkung bei. Der hohe Luftraum bis zur Dachuntersicht vermittelt Großzügigkeit.
Lehm, Holz und Glas sind die Elemente einer mutigen Umgestaltung im Weinviertel. In dieser Gegend hatte die Lehmbauweise bis weit ins 19. Jahrhundert Tradition. Das vorgestellte Beispiel aus der Jahrhundertmitte wurde in der "gsatzten Lehmbauweise" errichtet. Auf einem Fundament aus Granitbausteinen hat man ein Lehm-Stroh-Gemisch in etwa 60 cm hohen und ebenso starken Wandabschnitten aufgetragen und dann in Form gebracht. Dem Wiener Architekten Andi Breuss und den Bauherren war es wichtig, historische Substanz und althergebrachte Baustoffe in einem nachhaltigen Konzept zu vereinen. Lehm, Mist, Strohhäcksel und Feldsteine ließen sich in der Umgebung finden. Die Wände sind innen mit Lehmputz, außen mit Kalkanstrich ausgeführt. Auch bei diesem Projekt sorgt die Verwendung von Glas für modernen Wohnkomfort und ermöglicht passive Solarenergienutzung. Beim Um- und Zubau wurde auf eine nachhaltige und ökologische Bauweise geachtet und mit Materialien gearbeitet, die buchstäblich vor der Haustüre lagen, erläutert Andi Breuss das Konzept.
Der informative Bild-Text-Band zeigt einmal mehr, wie neues Leben in alten Mauern ermöglicht werden kann. Als zusätzliches Argument für die Revitalisierung ist in jüngster Zeit die Nachhaltigkeit dazu gekommen. Die bewahrende Sanierung hat gegenüber Neubauten entscheidende Vorteile, weil sie nur einen Bruchteil der Ressourcen verbraucht und den
CO 2-Ausstoß vermeidet. Thomas Drexel schreibt: Alte Bauern- und Dorfhäuser eignen sich nicht für arrogante planerische Selbstverwirklichung, sondern erfordern Demut, tiefgreifende Kenntnisse der Baugeschichte, historisch gebräuchlichen Baustoffe und Materialien sowie geeigneter, bauphysikalisch und ökologisch sinnvoller Sanierungsmaßnahmen. Damit historische Traumhäuser kein romantischer Traum bleiben, ist eines besonders wichtig: Grundsätzlich lässt sich sagen, dass eine Sanierung zumeist nicht teurer, bei gutem Bauzustand oft sogar günstiger ist als ein gleich großer Neubau.