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Helmut Hilz: Geschichte des Buches #

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Helmut Hilz: Geschichte des Buches. Von der alten Welt bis zur Gegenwart. Verlag C. H. Beck München. 128 S., ill., € 12,-

Das Buch spielt seit 5000 Jahren eine wichtige Rolle in der Geschichte der Menschheit. Es bildet die Voraussetzung für die Entwicklung der Literatur ebenso wie der Weltreligionen und der Wissenschaften, schreibt Helmut Hilz. Der Historiker leitet die Bibliothek des Deutschen Museums in München und ist Lehrbeauftragter für Buch- und Bibliotheksgeschichte. Sein Taschenbuch fasst in perfekter Art alle wichtigen Fakten zur Geschichte des Buches zusammen.

Vor fast 2000 Jahren entstand die heute vertraute Codexform des gebundenen Buches. Davor schrieb man auf Tontafeln - und mehr als drei Jahrtausende hindurch auf Papyrusrollen. Als andere Beschreibstoffe dienten Bambus, Holz, Palmblätter oder Leder. Voraussetzung war die Erfindung der Schrift. Als frühes System entstand zwischen 3400 und 3200 v. Chr. in Mesopotamien die Keilschrift. Sie bestand aus bis zu 1800 Zeichen, die man in Tontafeln ritzte. Getrocknet oder gebrannt machten sie Aufzeichnungen zu Wirtschaft und Verwaltung dauerhaft haltbar.

In seinem ebenso kompetenten wie kompakten Buch beschreibt der Experte die Entwicklung in verschiedenen Weltteilen, legt aber den Schwerpunkt auf die europäische Buchgeschichte. In Byzanz blieb die antike Buchkultur lebendig. Klöster und weltliche Werkstätten kopierten neben religiösen Werken literarische und wissenschaftliche Schriften. Ein heute in der Österreichischen Nationalbibliothek verwahrtes, als "Wiener Dioskurides" bezeichnetes Kräuterbuch zeigt die Beschäftigung mit den Naturwissenschaften im frühen 6. Jahrhundert. Das für seine Illustrationen berühmte Werk zählt zum UNESCO-Weltdokumentenerbe.

Seit dem 12. Jahrhundert stieg mit der Bedeutung der Schulen und Universitäten jene des Buches. Nun entstanden auch außerhalb der klösterlichen Skriptorien Schreibwerkstätten für adelige und bürgerliche Auftraggeber. Der wichtigste Beschreibstoff war Pergament. Für 100 Doppelblätter brauchte man 25 Häute von Schafen, Ziegen und Kälbern. Nie wurden Bücher in Europa aufwändiger gestaltet als viele der zwischen 500 und 1500 entstandenen Pergament- und Papierhandschriften. … Der Höhepunkt der Handschriftenproduktion wurde schließlich in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts erreicht, als bereits das gedruckte Buch mit der Handschrift konkurrierte. Die ab 1450 gedruckten Bücher werden als Inkunabeln oder Wiegendrucke bezeichnet. Die Erfindung des Buchdrucks führte zu tiefgreifenden Veränderungen.

Johannes Gensfleisch, genannt Gutenberg, wurde um 1400 in Mainz geboren. Seine Erfindung umfasst den gesamten Herstellungsprozess eines gedruckten Buches: Schriftguss, Satz und Druck mit der Druckerpresse. Mit dem neuen Handgießinstrument konnte ein Schriftgießer täglich 1000 bewegliche Lettern anfertigen - gleich viele, wie ein Setzer in einer Stunde verarbeiten konnte. Gutenberg druckte Schulbücher in Auflagen bis zu 400 Stück und Ablassbriefe mit bis zu 190.000 Exemplaren. Sein Meisterwerk war die 42-zeilige lateinische Bibel, mit der er vermutlich 1452 begann. Es dürften 180 Stück, ca. 150 auf Papier und 30 auf Pergament, hergestellt worden sein. Erhalten haben sich nur 19 vollständige Exemplare, davon eines in der Österreichischen Nationalbibliothek. In der Inkunabelzeit, und noch darüber hinaus, waren die Drucker zugleich Verleger und Buchhändler.

Das 16. Jahrhundert wird vor allem mit dem Humanismus, der Reformation und den Anfängen der wissenschaftlichen Revolution verbunden. Diese Entwicklungen wären ohne das gedruckte Buch nicht vorstellbar gewesen. Denn der Buchdruck veränderte die Kommunikation und Wissensvermittlung grundlegend und ermöglichte so einen Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Die Zahl der lesefähigen Bevölkerung in Europa stieg von schätzungsweise 5 % am Beginn auf 20 % am Ende des 16. Jahrhunderts. Wenn auch Venedig das Zentrum von Buchproduktion und -handel war, stand doch Deutschland mit einem Drittel der Erzeugung an der Spitze. Eine zentrale Funktion nahm die zweimal jährlich stattfindende Frankfurter Buchmesse ein.

Hatte das gedruckte Buch schon im konfessionellen Zeitalter eine wichtige Rolle gespielt, so setzte sich dies während der Aufklärung fort. Schätzungsweise 500 Millionen Exemplare an Büchern wurden im 17. und rund eine Milliarde im 18. Jahrhundert gedruckt. Mit den wachsenden Büchermassen stiegen zugleich die Anforderungen an die Bibliotheken und deren Größe, was sich im 1726 fertiggestellten, 200 000 Bände fassenden Prunksaal der heutigen Österreichischen Nationalbibliothek widerspiegelt. Gegen 1800 konnte die Hälfte der Europäer lesen, sodass von einer "Leserevolution" gesprochen wird. Neben religiöse Werke traten zunehmend Unterhaltungsliteratur, Kinderbücher und Enzyklopädien.

Das 19. Jahrhundert, eine Epoche tiefgreifenden Wandels, brachte auch auf dem Sektor der Buch- und Zeitungsherstellung große Veränderungen. 1819 wurde in Berlin das erste Maschinenpapier (noch aus Hadern) erzeugt, holzhältiges Papier gab es seit den 1840er Jahren. Friedrich Koenig und Andreas Friedrich Bauer entwickelten die Zylinderdruckpresse. Dampfkraft trieb die Schnellpressen an. Auf einen Schlag verfünffachte sich die stündliche Produktion. Die amerikanische Erfindung der Rollenrotationsmaschine steigerte sie weiter. Die Beschleunigung des Druckens erforderte mehr Setzer - bisher kamen sechs dieser teuren Spezialisten auf einen Drucker. 1886 entwickelte Ottmar Mergenthaler in den USA die Zeilensetzmaschine Linotype. Auch bei den Illustrationen gab es Innovationen. Schon 1798 hatte er Münchener Alois Senefelder das Flachdruckverfahren der Lithographie erfunden, seit den 1840er Jahren ermöglichte die Chromolithographie farbige Abbildungen. Seit den 1880er Jahren war es möglich, im Hochdruck mithilfe des Rasterverfahrens Fotos in hohen Auflagen zu reproduzieren. Erfinder der Autotypie war der deutsche Kupferstecher Georg Meisenbach. In den 1920er Jahren kam ein neuer Typ von Büchern auf, bei denen die Bilder wichtiger waren als der Text. Das äußere Erscheinungsbild war bunt, Künstler entwarfen moderne Schrifttypen.

Im 20. Jahrhundert veränderten Offsetdruck und Fotosatz die Buchproduktion ähnlich tiefgreifend wie die Einführung der Druck- und Setzmaschinen im 19. Jahrhundert. Die auf Gutenberg zurückgehende Form des Buchdrucks gehört seitdem endgültig der Vergangenheit an.

Die letzten beiden Kapitel führen in die Gegenwart, zu Word Wide Web, Digitalisierung und E-Book, eine Datei, für deren Lektüre ein Lesegerät erforderlich ist. Die Buchproduktion in Deutschland erreichte 2007 mit über 86.000 Titeln ihren Höhepunkt. In Österreich sind es rund 10.000 Neuerscheinungen im Jahr. Global betrachtet, machen deutschsprachige Bücher 5 % aus. Schließlich erhebt sich die kontrovers diskutierte Frage: Hat das gedruckte Buch noch eine Zukunft? Der Autor differenziert: Dass das Buch eine Zukunft hat, darin sind sich alle einig. Es ist ein Streit um die physische Form, nicht um die Existenz des Buches. … Viel eher als das Verschwinden des gedruckten Buches ist ein dauerhaftes Nebeneinander der beiden Medienformen zu erwarten. … Es werden die Inhalte sein, die entscheidend dafür sind, in welcher Form ein Buch gelesen wird, ob gedruckt oder elektronisch. Auch gibt der Wunsch vieler Menschen nach einer nicht technologieabhängigen, immer verfügbaren und völlig privaten Lektüre dem gedruckten Buch eine langfristige Zukunft.

hmw