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Nikolaus Hofer u. a. : Schloss Orth an der Donau #

Bild 'Hofer'

Nikolaus Hofer u. a. : Schloss Orth an der Donau - Baujuwel der Renaissance. (Fundberichte aus Österreich, Beiheft 2, 2021) Mit Beiträgen von Nikolaus Hofer, Gudrun Bajc, Herbert Böhm, Günther Buchinger, Markus Jeitler, Günther Karl Kunst, Renate Legatt-Hofer, Paul Mitchell, Doris Schön, Kinga Tarcsay und Annemarie Täubling. Bundesdenkmalamt, Verlag Berger Horn. 440 S., ill., € 49,-

Schloss Orth an der Donau liegt im Marchfeld, auf halben Weg zwischen Wien und Bratislava. Seit 2005 beherbergt es als "schlossORTH Nationalpark-Zentrum" die DonAUräume, die Nationalpark-Lounge, das museumORTH und das Veranstaltungszentrum der Marktgemeinde. Das museumORTH informiert auf 700 m² über die Geschichte des Hauses und das Leben an der Donau. In wechselnden Ausstellungen stellt es Regionalkultur und Gegenwartskunst vor. Mit dem großzügigen Umbau des 1957 bis 2002 als Museumsstandort genutzten Schlosses erfolgte seine Restaurierung. Konkrete Impulse für die Sanierungs- und Wiederherstellungsarbeiten kamen von einem vorbildlichen interdisziplinären Projekt der Grundlagenforschung. Es brachte neue Erkenntnisse aus Archäologie, Bauforschung, Geschichte und Kunstgeschichte. Die wissenschaftlichen Arbeiten nahmen 17 Jahre in Anspruch. Nun bildet das Buch deren (vorläufigen) Abschluss.

Die hochmittelalterlichen Ursprünge der Burg Orth an der Donau bleiben trotz intensiver Untersuchungen weiterhin ungeklärt, schreibt Projektleiter Nikolaus Hofer. Zusammengefasst lässt sich beim heutigen Kenntnisstand lediglich festhalten, dass ein 'locus orta', also ein Ort namens Orth, bereits im frühen 11. Jahrhundert bestanden haben muss. Sehr wahrscheinlich war Orth im Hochmittelalter im Besitz des Bistums Regensburg, welches die Grafen von Schaunberg mit der Herrschaft belehnte. Sie ließen wohl im späten 13. Jahrhundert den Nordostturm und den östlichen Teil des Nordtrakts errichten. In der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts entstand der Nordwestturm mit drei Obergeschoßen. 1377 musste Heinrich von Schaunberg Burg und Markt Orth an Herzog Leopold III. abtreten. Um 1500 übergaben die Habsburger dem Feldherrn Niklas I. Graf Salm die Herrschaft als Lehen.

Das 16. Jahrhundert war zweifellos die bedeutendste und prägendste Epoche in der Geschichte des Schlosses Orth an der Donau, betont Nikolaus Hofer. Der Archäologe des Bundesdenkmalamtes reiht es unter die wichtigsten Baudenkmäler der Renaissance in Österreich ein. Die Grafen Salm, die zu den mächtigsten Gefolgsleuten des Kaisers zählten, setzten umfangreiche Maßnahmen: Neuerrichtung des Westtrakts, Wendeltreppenturm in der Nordwestecke, Aufstockung des Nordtrakts. Dabei kamen neue, für Österreich geradezu revolutionäre Architekturformen, wie etwa die rundbogigen Biforien an der Ostfassade des Westtrakts zum Einsatz, ein um 1525 hierzulande noch weitgehend unbekanntes Stilelement. Während sich Niklas I. Graf Salm in der Ersten Türkenbelagerung Wiens verdient machte, brannten die Osmanen Schloss Orth nieder. Sein Sohn sanierte es - wieder mit baulichen Innovationen, wie einem liegenden Sparrendach, Gewölbekonsolen und Biforienfenstern aus Terrakotta. Die Verwendung des Akanthusblatt-Motivs weist die Adeligen als Parteigänger Kaiser Ferdinand I. aus. Die nächste Salm-Generation verlieh dem Schloss die charakteristische Form eines geschlossenen viertürmigen Kastells, nach dem Vorbild der Wiener Hofburg. Wie in dieser konstruierte der mährische Architekt Johann Tscherte (20 Jahre vor Andrea Palladio) eine zukunftsweisende Hohlspindeltreppe. Als das evangelische Geschlecht der Zinzendorf das Schloss kaufte, ließ es die Schlosskapelle adaptieren. Sie erhielt ein Holzportal, das heute ein Highlight des Museums darstellt. Aus der Zeit um 1580 stammend, wird das Portal dem Hoftischler Georg Haas zugeschrieben. Er schuf ein ähnliches Stück für die evangelische Kapelle im niederösterreichischen Landhaus, das dieselbe Inschrift aufweist: Friede dem Freund, der diese unsere Schwelle erklimmet …

Im 17. Jahrhundert setzte, nicht zuletzt wegen des Dreißigjährigen Krieges, der Niedergang ein. Während man andere Burgen im barocken Bauboom zu Schlössern umgestaltete und mit repräsentativen Gärten umgab, sank Orth zum Wirtschaftsgebäude ab. Im 18. Jahrhundert wurden die Fenster verkleinert, die Wehrmauer abgerissen und das Schloss zum Getreidespeicher umgebaut. Nach mehrfachem Besitzerwechsel, u. a. Bankier Moritz Graf Fries, kaufte es Kaiser Franz I. und verleibte es dem k .k. Familienfonds ein, Teile dienten als Kanzleien und Gefängnis. Nach dem Ende der Habsburgermonarchie befindet sich das Schloss im Besitz der Republik Österreich. Diese ermöglichte 1981 sowie 2004/2005 und 2021 die Revitalisierung.

Der nun vorliegende umfangreiche Band, der sich bescheiden "Beiheft" nennt, dokumentiert die Recherchen des Denkmalpflegeprojekts bis ins Detail. Digitale Rekonstruktionen und Pläne zeigen die baulichen Veränderungen während der Jahrhunderte. Zahlreiche Fotos und Zeichnungen illustrieren die Fundstücke. Bauhistoriker beschäftigten sich u. a. mit Architekturfragmenten und den in Orth hergestellten Ziegeln. Die Fachleute bearbeiteten Teilbereiche, an die man als Laie nicht unbedingt denkt und deren Akribie bei der Auswertung man bewundert. Allein das keramische Fundmaterial beinhaltet 6261 Einzelstücke. Die ältesten Fragmente stammen von Gefäßen aus dem 11./12. Jahrhundert. Der Schwerpunkt liegt im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit und umfasst Kacheln, Koch- und Tischgefäße. Aus dem 16. Jahrhundert, der Blütezeit des Schlosses, sind Relikte von Luxusgeschirr und aufwändig dekorierten Ofenkacheln erhalten. Wie die Keramik- stammen auch die Glasfunde großteils aus Planiermaterial. Unter den 191 Fragmenten aus Flachglas, wie Butzenscheiben, und Hohlglas sind zwei Kelchgläser aus dem 16. Jahrhundert besonders bemerkenswert. Der "Orther Pokal" blieb in einem Kanal fast vollständig erhalten. Es handelt sich um ein 18,2 cm hohes, verziertes Stück aus farblosem Glas, das wohl um 1550 in Venedig entstand. Der Pokal dürfte als repräsentativer Willkommensbecher gedient haben, der hochrangigen Gästen gereicht wurde. Bei den Grabungen kamen auch 346 Kleinfunde zu Tage, darunter ein gotischer Beinwürfel, eine Silbermünze aus dem Jahr 1534 und zahlreiche Gegenstände aus Eisen und Buntmetall. Als Kuriosum gilt ein Fundensemble aus Vogelfüßen und auf einer Schnur aufgefädelten Maulwurfspfoten. Anders als im älteren Aberglauben, der diesen magische Wirkung zusprach, handelt es sich hier um Belegstücke der Schädlingsbekämpfung, die in einem abgemauerten Abortschacht entsorgt wurden. Professionelle "Schernfänger" erlegten die Tiere, deren Pfoten dann zur Abrechnung dienten. Auch Reste von Nutztieren - Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen, Hühner - wurden bei den archäologischen Grabungen untersucht. An den Rinderknochen, die die größte Gruppe ausmachen, sind Spuren der Schlachtungen festzustellen. Ungewöhnlich ist der Beinknochen eines Truthahns (Meleagris gallopavo) aus der Zeit vor 1550. Nach gegenwärtigem Erkenntnisstand zählt der Orther Fund zu den frühesten europäischen Nachweisen dieser neuweltlichen Art . An Wildtieren ließen sich Fische (Karpfen), Vögel (Enten), Biber, Füchse, Feldhasen und Schalenwild nachweisen. Als überregional bedeutsam gelten Fragmente der Panzerplatte einer Europäischen Sumpfschildkröte (Emys orbicularis), die wohl im 13. Jahrhundert in den Donauauen lebte. Sie schlägt eine Brücke zum modernen Nationalpark-Zentrum.

hmw