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Josef Schöchl: Der Rabe und der schlechte Leumund#

Bild 'Schöchl'

Josef Schöchl: Der Rabe und der schlechte Leumund. Verblüffendes aus dem Reich der Tiere. Verlag Anton Pustet Salzburg. 160 S., ill., € 25,-

Von A wie Apothekerskink bis Z wie Zitronenfalter reicht das ungewöhnliche Lexikon, das der Salzburger Veterinär (und Politiker) Josef Schöchl hier in Wort und Bild präsentiert. Der Autor stellt 72 Tiere und ihre unglaublichen Fähigkeiten vor. Diese Insekten, Reptilien, Fische, Vögel und Säuger erweck(t)en nicht nur Bewunderung, oft gaben sie zu falschen Vorstellungen Anlass, die sie gefährdeten. Beispiele dafür sind das Moschustier oder der Steinbock. Männliche Moschustiere markieren mit einem speziellen Sekret ihr Revier und locken weibliche an. Das natürliche Sekret ist einer der wertvollsten Stoffe, die es überhaupt gibt. Moschus ist wesentlich teurer als Gold! Es gilt als elementar für die traditionelle asiatische Medizin und wird in Hunderten Medikamenten verwendet. In den westlichen Ländern war er Bestandteil edler Parfums. Trotz Züchtung und künstlicher Ersatzstoffe sind die Moschustiere bedroht. Der Umfang der illegalen Tötung und der kriminelle Handel von Moschus übertrifft die legale Jagd um ein Vielfaches. Das hat in vielen Gegenden bereits zur massiven Gefährdung dieser Tiere geführt.

Da geht es dem Steinbock viel besser. Einst überall in den Alpen heimisch, schrumpfte der Bestand auf 50 Exemplare. Der Grund für ihre Beliebtheit war die Annahme, dass man sie als wandelnde Apotheke ansah. Allen Körperteilen wurden fast wundertätige Heilwirkungen nachgesagt, man gebrauchte sie sogar als Amulette. Gefäße aus Steinbockhorn sollten die Wirkung von Arzneien verstärken. 1856 erklärte der italienische König Viktor Emanuel II. das Gebiet des späteren Nationalparks rund um den Gran Paradiso zu seinem persönlichen Jagdrevier. Durch besonderen Schutz vergrößerte sich der Bestand auf 1000 Tiere, die aber nicht verkauft wurden. Daher ließ der Wildpark in St. Gallen Steinkitze in die Schweiz schmuggeln. Die Auswilderung gelang so gut, dass nun wieder mehrere hundert Kolonien mit 40.000 Tieren die Alpen bevölkern. Alle stammen von dem Restbestand im Aostatal ab.

Der Paradiesvogel und der Vogel Strauß haben es zu sprichwörtlichen Ehren gebracht. Die meisten Paradiesvögel leben auf Neuguinea. 40 Arten unterscheiden sich durch Farbe und Größe. Der Königsparadiesvogel misst nur 16 cm, der "Raggi" ist einer der größten. Er ist so groß wie eine Krähe und hat für ihn typische, bis zu einem halben Meter lange rot-orange Schmuckfedern. Hingegen verkörpert das Gefieder des Kragenparadiesvogels das "absolute Schwarz". Dank Mikrofasern absorbiert es 99,95 % des auftreffenden Lichts, so viel wie physikalisch überhaupt möglich ist. Den Leierschwanz bezeichnet der Autor als " meisterhaftes Gesamtkunstwerk". Die Schwanzfedern der Vogelmännchen sind über einen halben Meter lang und sollen, wie die harmonischen Tänze, bei der Balz Eindruck machen. Bei der Imitation von Geräuschen sind die Leierschwänze unschlagbar Durch einen besonders ausgebildeten Stimmkopf können sie nicht nur den Gesang anderer Vögel nachahmen, sondern auch den Lärm von Motoren und Kreissägen. Bei der Lautstärke werden sie jedoch von den Schmuckvögeln im brasilianischen Regenwald übertroffen. Sie erreicht 125 Dezibel, was einem startenden Düsenjet in 100 Metern Entfernung entspricht. … In der Natur geht es aber nicht um Rekorde - das ist ein menschlicher Maßstab -, sondern um perfekte Strategien, sich zu vermehren, stellt der Tierarzt fest. Trotzdem ist man immer weder erstaunt, zu welchen Leistungen die Natur fähig ist. Der Höckerschwan erreicht bis zu 14 Kilogramm Körpergewicht und eine Spannweite von bis zu 2,40 Metern. Für Start und Landung auf der Wasseroberfläche braucht er eine besondere Technik. In Großbritannien genießt er seit Ende des 12. Jahrhunderts königlichen Status, (fast) alle Schwäne gehören dem Hof. Früher galten sie als besondere Delikatesse, daher wurde ihre Anzahl streng überwacht. Wenn der "Swan marker" auch jetzt alljährlich die Tiere auf der Themse zählt, ist aus dem historischen Ritual ein wichtiger Betrag zum Artenschutz geworden. Der größte Vogel ist der Strauß mit einer Höhe bis 2,70 Metern und 180 Kilogramm Gewicht. Er kann zwar nicht fliegen, aber mit 50 bis 70 km/h laufen. Zur Tarnung kauert er sich in eine Mulde und legt den langgestreckten Hals auf die Erde, wodurch er für Verfolger plötzlich unsichtbar wird. Seit der Antike hat dieses Verhalten zum irrigen Glauben geführt, er stecke den Kopf in den Sand. Würde man sich an die zoologischen Fakten halten, dann bekäme die Redensart von der "Vogel-Strauß-Politik" eine ganz andere Bedeutung. Sie wäre ein Zeichen von Besonnenheit und klarer Strategie.

Nicht nur zu Lande und in der Luft, auch im Wasser hat die Natur Unglaubliches zu bieten: Der Elefantenrüsselfisch, ein afrikanischer Nilhecht, hat sich auf das Fischen im Trüben spezialisiert. Dabei hilft ihm ein Organ, das elektrische Impulse aussendet. Es handelt sich um eine aktive Elektroortung, vergleichbar der aktiven Echoortung von Fledermäusen mit Ultraschall, die damit auch ein dreidimensionales Bild ihrer Umgebung wahrnehmen können. Der Quastenflosser, ein bis zu zwei Meter langer und 100 Kilogramm schwerer Fisch, lebte vor 70 Millionen Jahren. Man kannte ihn nur aus Versteinerungen. Seine Wiederentdeckung in Südafrika war 1938 eine zoologische Sensation. Der Körperbau des lebenden Fossils hat sich praktisch nicht verändert. Die je zwei Bauch- und Brustflossen ähneln in ihrem Knochenaufbau den Vorder- und Hinterfüßen von Landwirbeltieren. So lässt sich die Entwicklung der Extremitäten studieren, die für die Eroberung der Landmasse Voraussetzung war. Der Stoßzahn des Narwals galt bis ins 17. Jahrhundert als hoch geschätztes Horn des sagenhaften Einhorns. Auch in der kaiserlichen Schatzkammer in Wien befand sich ein solches Exemplar. In Wahrheit handelt sich um ein Sinnesorgan, das dem Narwal als sensibler Sensor bei der Nahrungssuche dient.

Am anderen Ende der Beliebtheitsskala rangieren Insekten wie die Stubenfliege. Sie verdankt ihren 360-Grad-Rundblick Tausenden sechseckigen Einzelaugen, die zu einem hervorragenden räumlichen Sehen führen. Die Verarbeitung der wahrgenommenen Bewegungen erfolgt viel schneller als beim Menschen: Während das menschliche Gehirn 20 Einzelbilder pro Sekunde unterscheiden kann, sind es bei der Fliege fünfmal so viele. Aus Sicht der Fliege nähert sich die schlagende menschliche Hand wahrscheinlich vergleichbar einer Zeitlupe, sodass sie leicht vor der drohenden Gefahr entfliehen kann.

Am Anfang des Buches stand mein ungläubiges Staunen über die Fähigkeiten der Tiere und der Wunsch, dieses Staunen zu teilen. … Den Tod so täuschend echt zu spielen, dass er das Leben rettet, über Wasser zu laufen, oder in der Tiefe des Wüstensands zu schwimmen, … sich in andere Wesen zu verwandeln … sind einige davon. Am bekanntesten ist wohl die Verwandlung vom Ei zur Raupe, Puppe bis zum schönen Schmetterling. Der einzige, der als ausgewachsenes Tier überwintert, ist der Zitronenfalter, der letzte in diesem faszinierenden Buch. Wenn es kalt wird, sucht er sich einen geeigneten Platz, reduziert den Wassergehalt des Körpers und produziert ein Frostschutzmittel aus Glycerin, Sorbit und Eiweiß. Damit kann er den Gefrierpunkt seiner restlichen Körperflüssifkeit stark senken und übersteht somit auch Temperaturen von bis zu minus 20 Grad ohne Schäden. Kaum zu glauben, was sich die Natur alles einfallen lässt - und als Frage in einer Quizsendung à la "Fakt oder Fake" gut aufgehoben wäre.

hmw