Ruth und Peter Schubert: Am Donaulimes#
Ruth und Peter Schubert: Am Donaulimes. Eine Spurensuche von Passau bis Carnuntum.
Rundamadum Band 03. Kral Verlag Berndorf. 192 S., ill., € 19,90,-
2021 erklärte die UNESCO den römischen Donaulimes zum Weltkulturerbe. Der Reisebegleiter aus dem Kral-Verlag - in kürzester Zeit bereits der dritte der Buchreihe "Rundamadum" - folgt dem österreichischen Abschnitt, zwischen Passau und Carnuntum. Der Blick auf dem Umschlag ist etwas verstörend. Das Titelbild zegt die berühmte Marc-Aurel-Statue seitenverkehrt. Der römische Kaiser begrüßt seine Leser mit der linken Hand.
Als kompetenter Autor fungiert der Historiker und Kulturreisende Peter Schubert. Man kennt ihn als Verfasser von 60 Büchern und Fotografen von mehr als 20.000 Bildern zum Thema Jugendstilfassaden. Schubert war langjähriger Verlagsleiter, Pressesprecher und Kurator von Kunstausstellungen des Stiftes Klosterneuburg. Hier findet auch das neueste Buch seinen Einstieg: Der Autor erinnert sich an den Zufallsfund einer Zisterne, auf die man 1983 bei Reparaturarbeiten gestoßen war. Der Archäologe Hannsjörg Ubl ließ sich an einem Seil hinunter und entdeckte im Schein seiner Taschenlampe Inschriften an den Steinen, mit denen der Schacht ausgemauert war. Dann wurde ein Relief eines Weinstockes sichtbar, an anderer Stelle ein primitives Porträt eines bärtigen Mannes, dann eine Gruppe von Frauen und ein Porträt eines römischen Offiziers mit Auszeichnungen. Ubl erkannte sofort: Da hatte man römische Grabsteine als Baumaterial verwendet. Es dauerte Monate, bis die Steine geborgen waren. Ubl stürzte sogar einmal ab und brach sich ein Bein.
In Klosterneuburg/Arrianis befand sich das westlichste pannonische Kastell als Flankendeckung des Legionslagers von Wien/Vindobona. Nacheinander waren drei Kohorten im Kastell Arrianis untergebracht. Sein Ausbau dauerte bis ins 5. Jahrhundert, in der Spätzeit dürfte es verkleinert worden sein. Bei der Barockisierung des Stiftes entdeckte man antike Fundamente und ein Gefäß mit Münzen. Bis 2013 gab es immer wieder neue Erkenntnisse, dann wurden die Forschungen (vorläufig) eingestellt. Einige Meter der römischen Kastellmauer sind im Bereich der Ausgrabungen der Capella speciosa auf dem Stiftsplatz sichtbar. … Unmittelbar dahinter befand sich ein Bau mit Apsiden - wahrscheinlich eine Thermenanlage. Die Grabsteine im Lapidarium sind bei Stiftsführungen zu besichtigen.
Klosterneubug/Arrianis ist einer jener Orte, welche die Autoren (leider fehlt eine Biographie der Koautorin Ruth Schubert) auf ihrer zehntägigen Limes-Exkursion besucht haben. Jedes Kapitel enthält viel Information, Farbfotos, Skizzen und Tipps zur "Spurenuche". Zusätzliche "Kasten" beschreiben Besondere Objekte und vermitteln Hintergrundwissen, bei Arrianis z. B über die römische Weinkultur an der Donau. Der mehr als hundertseitige Hauptteil über Die Orte des Limes wird von Grundsatzartikeln eingerahmt. Die erste Aussage mag überraschen: Es gab keinen Donaulimes! … "Limes" bezeichnete im Sprachgebrauch der Römer zunächst eine "Grenze", "Grenzweg", "Schneise", wobei so eine Grenze immer über Land verlief. Es gab also eine Donauufer-Grenzlinie, aber keinen Donaulimes. Trotzdem hat sich der Begriff eingebürgert. An den Straßenübergängen befanden sich ab 15 v. Chr. Kontrollposten für Personen und Waren. Später kamen Wachtürme, Zäune aus Palisaden und Graben dazu. Um Grenzübertritte größerer Gruppen verhindern zu können, wurden Kasernen im Abstand von 20 - 30 Kilometern errichtet, deren Truppen, durch die Wachtürme alarmiert, in kürzeste Zeit vor Ort sein konnten. … Um 480 zogen sich die Römer und die romanisierte Bevölkerung von der Donau nach Italien zurück. Die Einleitung enthält gut zusammengefasste Informationen über Die wichtigsten Kaiser, Das römische Heer und Bauwerke der Römer. Ruinen, wie das Heidentor von Carnuntum, Straßenreste, Ausgrabungen, Rekonstruktionen und digitale Modelle lassen deren Baukunst gut nachempfinden.
Besonders empfiehlt sich der Besuch des "österreichischen Pompeji". Der archäologische Park Petronell-Carnuntum zählt zu den wichtigsten Ausgrabungsstätten, mit Kastellen, Theatern und Zivilstadt. Das Freilichtmuseum ist die einzige Möglichkeit, in Österreich durch römische Straßen mit Geschäften zu wandern. Das Heidentor - der wahrscheinlich am höchsten aufragende Mauerrest der Römerzeit in Österreich - stellt das Schlussbild des kompakten und kompetenten Reisebegleiters dar. Zuvor gibt es noch nützliches Hintergrundwissen über Die Bevölkerung der Provinzen Noricum und Pannonien (Kelten, Römer, Germanen), Die Religion der Römer und Die römische Währung.
So entsteht ein umfassendes Bild über jenes halbe Jahrtausend, während dessen die Donau im heutigen Österreich die Grenze des römischen Weltreiches bildete. Erfreulicherweise fließen auch neueste Erkenntnisse ein, wie der Beweis, dass Vindobona ein Municipium - eine Stadt - war. Die Bronzetafel mit der entsprechenden Inschrift war schon 1913 im Legionslager gefunden, aber lange nicht beachtet worden. Erst 2020 gelang dem Historiker Niklas Rafetseder des Rätsels Lösung. Ende des 19. Jahrhunderts begann man in Österreich-Ungarn, wie auch in Deutschland, mit der Erforschung des Limes. Vieles wurde dabei entdeckt, aber auch zerstört. Wir wissen, dass manche Rekonstruktion von damals falsch ist. Und wir wissen noch immer vieles nicht. Aber was wir wissen, reicht für interessante Reisen entlang des Donaulimes durch Österreich. Und dieses Buch soll ein Anreiz dazu sein, und den Einstieg in die Vergangenheit erleichtern …