Michael Borgolte: Globalgeschichte des Mittelalters#
Michael Borgolte: Globalgeschichte des Mittelalters. C.H. Beck Verlag München, 128 S., ill., € 12,-
Ein ereignisreiches Jahrtausend und drei Erdteile in einem schmalen Taschenbuch vorzustellen, gemahnt an die Quadratur des Kreises. Michael Borgolte, einem der renommiertesten Mediävisten Deutschlands, ist sie in der Reihe "C.H. Beck Wissen" erstmals gelungen. Der Autor zeigt die Vielfalt teils unverbunden nebeneinander existierender Welten, aber auch das zusammenhängende Gebiet von Europa, Nordafrika und Asien.
Im mittelalterlichen Jahrtausend zwischen 500 und 1500 nach Christus kam es in "Eufrasien" zur Durchdringung verschiedener Weltreligionen und Kulturen, wechselnden politischen Grenzen und einer Vernetzung durch den Fernhandel. "Die Welt der drei Erdteile endete nicht an der Meeresküste. … In der Ostsee hatten schon in der Antike Einheimische ihre Boote und Schiffe bewegt, während sich die Römer damit begnügten, ihre Waren auf Strom- und Landstraßen ins Baltikum zu transportieren. … Lateinische Christen und Muslime scheuten den Ozean als "Meer der Dunkelheit", in dem sie die vermeintliche Uferlosigkeit schreckte, " schreibt Michael Borgolte über "Die trikontinentale Welt".
Christentum und Islam prägten das mittelalterliche Jahrtausend. Der Islam entstand im frühen 7. Jahrhundert und entfaltete sich im Laufe des Mittelalters. Für die Verbreitung des Christentums sah sich in antiker Tradition der Kaiser von Byzanz verantwortlich. Seine Hauptstadt lag am Schnittpunkt von Land- und Wasserstraßen, welche die drei Erdteile verbanden. "Die uneingeschränkte Herrschaft über die Kirche zu erhalten, ist dem Kaiser aber nicht gelungen. … Religionsgeschichtlich ist Aufkommen und Verbreitung des Islam der wichtigste Vorgang des Mittelalters, dabei wurde im Mittelmeerraum und Vorderasien auch die politische Ordnung der Antike umgebaut". Schon der erste Kreuzzug (1096-1099) führte zur Einnahme von Jerusalem und der Bildung lateinischer Staaten zwischen Armenien und dem Golf von Akaba. Nach muslimischen Erfolgen verloren die Christen 1287 Tripolis und 1291 Akkon.
"In Ägypten ging die Geschichte Alexandrias als Stätte christlicher Lehre bis in apostolische Zeit zurück. Da es Hauptstadt einer römischen Provinz war, fanden seine Bischöfe schon im 3. Jahrhundert Anerkennung als Oberhäupter der frühen Christengemeinden ihrer Region. Auf dem Konzil von Nicäa 325 wurde Alexandria gleich nach Rom genannt." Seit 641 eroberten die Muslime Ägypten und Nordafrika. Während der koptische Oberhirte in Alexandria residieren konnte, fiel das christliche Nordafrika der muslimischen Expansion zum Opfer. Berber, die schnell den neuen Glauben übernahmen, verstärkten die arabischen Truppen. "Die Verbreitung von Christentum und Kirchenwesen in Asien war fast ausschließlich das Verdienst der 'Kirche des Ostens'. Diese entwickelte aus eigener Kraft eine ungeheure missionarische Aktivität und Reichweite. Noch vor Aufkommen des Islam wurde Indien in das Kirchensystem einbezogen und die Bekehrungsarbeit nach Zentralasien vorangetrieben." Im 7. Jahrhundert ließ der Kaiser Klöster errichten. persische Kirchen säumten die Seidenstraße. 637 anerkannte der Kalif den Katholikos als Haupt und Schutzherrn aller Christen im überwundenen Perserreich an. "Ebenso wie Christentum und Islam wurzelte das Judentum im Vorderen Orient. Im Unterschied zu seinen monotheistischen Schwesternreligionen bildete es jedoch keine Monarchien oder Staaten aus, wenn man von einer peripheren Ausnahme absieht."
Am Ende des ersten Teils der Globalgeschichte stehen die Kapitel "Indien, Südostasien und der Buddhismus als panasiatische Religion" sowie "Ostasien, seine Religionen und die Nomaden". Unter dem Titel "Grenzüberschreitungen im Innern" wird der Fernhandel in den ersten, mittleren und letzten Jahrhunderten des Mittelalters beschrieben. Damals waren die Lebenswelten des Pazifiks und Amerikas getrennt. Sie bestanden aus einer Vielzahl besonderer Welten, die mit den anderen nicht oder kaum in Verbindung standen. "So deutlich abgegrenzt der pazifische Raum von Asien und Amerika war, so deutlich ist auch, dass ihn keine Herrschaft oder Religion und kein Handelskreis auch nur annähernd im Ganzen erfassen konnte, und so ist es bis heute geblieben."
Das mittelalterliche Jahrtausend hatte chronologisch gesehen Anteil an der klassischen und postklassischen Periode von Mesoamerika (Mexiko und Mittelamerika). Diese Epochen umfassten die Zeitspanne von ca. 250 bis zur spanischen Eroberung des Aztekenreiches um 1520. Schon um 1000 v. Chr. hatte dort der Übergang von ländlicher Siedlungsweise zu städtischen Gesellschatten begonnen. Pyramidale Tempelanlagen bildeten den Mittelpunkt von Häuptlingsherrschaften und abhängigen Siedlungen.
Der Autor charakterisiert das mittelalterliche Jahrtausend als Periode der Globalisierung. Er verweist auf die Ausbreitung des Christentums lateinischer oder griechischer Observanz, die Verkirchlichung durch ein Netz von Bistümern, Pfarren und Klöstern. Seit der Zeit Karls des Großen sorgten Fernhändler für die Verbindung zum nordalpinen Europa. "In Afrika waren es die Muslime, die über die römischen Strukturen hinaus gelangten." In Asien öffnete sich die Landverbindung zwischen Europa und Fernost. Protagonisten der mittelalterlichen Globalisierung in Europa, Afrika und Asien waren die Religionen (Christentum und Islam) und der Fernhandel. "Anders als in der römischen Antike … kamen die mittelalterlichen Straßen zu den Menschen und ihren Wohnorten, um sie zusammenzuführen. Die Bedürfnisse des Warenverkehrs, die mit einem Informationsaustausch einhergingen, erwiesen sich damit als effektivste Fermente der überregionalen und transkontinentalen Integration", schließt Michael Borgolte sein kompaktes und kompetentes Geschichtsbuch. Die Umschlagabbildung fußt auf einer Karte aus dem 13. Jahrhundert: Ein Quadrat umschließt einen Kreis, der die Welt darstellt. Ein "T" teilt den Weltkreis in die drei Kontinente Asien, Europa und Afrika.