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Robert Bouchal - Johannes Sachslehner: Wiener Villen und ihre Geheimnisse.#

Bild 'Sachslehner'

Robert BOUCHAL - Johannes SACHSLEHNER: Wiener Villen und ihre Geheimnisse. Verlag Styria Wien - Graz. 224 S., ill., € 35,-

Der Fotograf Robert Bouchal und der Historiker Johannes Sachslehner sind das erfolgreiche Autorenduo des Styria Verlags. Akribische Recherche und unkonventionelle, dokumentarische Fotos zeichnen ihre Bücher aus. Meist geht es um wenig bekannte, auch unheimliche Seiten Wiens. In letzter Zeit haben sich die Autoren auf "Lost places" spezialisiert, Gebäude und Gegenden, die einst wichtig waren, und jetzt - mehr oder minder - in Schönheit sterben.

Auch im jüngsten Werk sind sie zu finden, doch glücklicherweise wurden manche Villen vor dem sicher scheinenden Tod gerettet. Nicht allein 14 "Wiener Villen" werden hier vorstellt, sondern vor allem ihre "Geheimnisse". Da es sich bei den ausgewählten Beispielen um jüdische Besitzer handelte, sind viele Fakten tragisch. Robert Bouchal und Johannes Sachslehner sehen die von ihnen vorgestellten Häuser als "Refugium der Familie, nicht für den Augenblick geschaffen, sondern die Zeiten überdauernd. Nicht die Architektur, nicht der Baustil waren entscheidend, sondern die emotionale Bindung, die zum eigenen Haus aufgebaut wurde." Es sollte der Ort sein, "an dem man glücklich ist."

Für "The Rosen House" (18, Max-Emanuel-Straße 17 - erbaut 1922) traf dies nicht unbedingt zu. Bauherr der damals noch brachliegenden Grundstücke gegenüber vom Türkenschanzpark war der Mihai Schapira, Finanzberater des rumänischen Königs Karl II. Die Familie lebte nicht hier und veräußerte das Anwesen nach wenigen Jahren an die Großhändler Rosenblüth. Die Villa Schapira hieß nun (nach dem geänderten Nachnamen der neuen Besitzer) "The Rosen House". Es ging in das Eigentum der Bundes-Immobiliengesellschaft (BIG) über, die es an die Universität für Bodenkultur vermietete. Nach dem Auszug des Hydrologie-Instituts steht das Gebäude, abgesehen von temporären Nutzungen, leer. Konkrete Pläne für eine Revitalisierung gibt es keine.

Dieses Schicksal blieb der Villa Gutmann (18, Colloredogasse 24 - erbaut 1896) erspart. Die ursprüngliche Cottagevilla ließ die Fabrikantengattin Eugenie Wolff in neogotischem Stil erbauen. Sie nannte ihr Domizil "Wolfsheim" und brachte die Darstellung einer Wolfsfamilie beim Eingang an. Nach einem Jahrzehnt verkaufte sie es an Bergrat Max Ritter von Gutmann (1857-1930) und seine Frau Emilie, geb. Hartmann. Sie betrauten Max von Ferstel, den Sohn des Votivkirchen-Erbauers Heinrich von Ferstel, mit Erweiterungsarbeiten. Ein von Künstlerhand gestalteter Wohngarten diente als harmonische Weiterführung des Hauses. Der Aufstieg der Firma Gutmann zum Industrieimperium führte dazu, dass der Kohlebaron Max Gutmann im Jahr 1910 über das dritthöchste Jahreseinkommen der Monarchie und enormen Grundbesitz verfügte. 1949 verkaufte Emilie Gutmann die Währinger Villa, die in der Folge in Wohnungen unterteilt und an Private verkauft wurde. "Mittlerweile hat sich dank der Familie Zillner das Blatt endgültig zum Guten gewendet. …Tradition und Moderne haben zu einer aufregenden Symbiose gefunden." Ein Großteil des Besitzes gehört dem Manager Michael Zillner und seiner Frau, Dr. Valeria Zillner, die hier ihre Ordination eingerichtet hat. "Das Haus hat seine Seele zurückgewonnen …"

Villa Forster, "Das Haus mit der Sternwarte" (13, Adolfstorgasse 21 - erbaut 1898/99) hat prominente Architekten: Ferdinand Fellner und Hermann Helmer, die in der Donaumonarchie fast 50 Theater planten. Bauherr war Karl Forster, Gesellschafter der 1853 gegründeten, damals größten Lebensmittelindustrie, Lenoir & Forster. Die Sternwarte mit drehbarer Kuppel entstand 1916.

Die Villa Ferstel (19, Himmelstraße 45 - erbaut 1864) errichtete der bekannte Ringstraßenarchitekt Heinrich von Ferstel (1828-1883) im damaligen Vorort Grinzing. Bei dem burgartigen Gebäude für sich und die Seinen verwirklichte er sein Ideal "Das Haus als Palladium, als Schutz und Schirm der Familie, die Ferstel als heilig galt. Das Gebäude blieb im Familienbesitz. Der Hausherr Markus Spiegelfeld wohnt hier in fünfter Generation. Er ist Architekt wie sein Ururgroßvater und hat der Villa gekonnt einen gläsernen Wohnwürfel angefügt. Was der berühmte Opa dazu sagen würde? "Wir meinen, dass er trotz des Bruches mit seiner romantischen Idee einer 'Familienburg' fasziniert gewesen wäre", schreiben die Autoren.

Ein wahrer Lost Place, die "Villa Dollarprinzessin" (13, Lainzer Straße 127 - erbaut 1866/67 und 1909/10) ist "ein besonderer Erinnerungsort der österreichischen Musikgeschichte. Hier verbrachten Leo Fall (1873-1925) und seine Frau Bertha ihre glücklichsten Jahre und hier kam es nach dem frühen Tod des Komponisten zur Tragödie." 1909 erwarb der "Tantiemen-Krösus" das zweigeschossige Land- und Gartenhaus des ehemaligen Lainzer Bürgermeisters Josef Lipansky, ließ es nach seinen Vorstellungen nach dem letzten Stand der Technik umbauen und luxuriös ausstatten. Die beachtlichen Einnahme reichten kaum, zudem war Bertha Fall kaufsüchtig. Nach dem Tod des Komponisten wurde sie Opfer eines "Witwentrösters", der sie um ihr Vermögen brachte. Schließlich sah Bertha Fall keinen anderen Ausweg als den Suizid.

Gegen Ende des Buches gibt es Erfreuliches zu erfahren. Die Villa Angerer (18, Colloredogasse 30 - erbaut 1884) ließ Carl Angerer (1838-1916), Erfinder und Produzent von Buchdruck-Klischees (Chemigraphie, Autotypie) für seine Familie errichten. Das Haus des k. k. Hofchemigraphen und kaiserlichen Rates beherbergt seit zwei Jahrzehnten das Arik-Brauer-Museum. Erich Brauer (1929-2021), ein Meister der Wiener Schule des Phantastischen Realismus, wohnte seit 1973 fast ein halbes Jahrhundert mit seiner Familie in der Villa Angerer. Fast gleichzeitig erwarb sein Künstlerkollege Ernst Fuchs (1930-2015) das Haus (14, Hüttelbergstraße 26 - erbaut 1886-1888) , das der Jugendstilarchitekt Otto Wagner (1841-1918) für sich entworfen hatte. Zwischenzeitlich vom Varietédirektor Ben Tiber (1867-1925) bewohnt, war die zum Lost Place gewordene Wagner-Villa 1963 Ziel dreier prominenter Besucher, des Romanciers Heimito Doderer, des Satirikers Helmut Qualtinger und des Fotografen Franz Hubmann. Sie drangen, so der Schriftsteller, in den "prachtvollen, aber wüst und leer liegenden Palast im Walde" und seinen Park ein. "Das Gebäude wird abgerissen werden", fürchtete Doderer, der immer wieder kam, um sich von der Atmosphäre zu seinem düsteren Romanfragment "Der Grenzwald" inspirieren zu lassen. Wenige Jahre später versuchten Ernst Fuchs, Arnulf Rainer und Friedensreich Hundertwasser Bürgermeister Felix Slavik zur Rettung der Wagnervilla zu motivieren. Die Antwort konnte ablehnender nicht sein. Rainer und Hundertwasser zogen sich von dem Projekt zurück. Nur Fuchs blieb hartnäckig. In einem überraschenden Ferngespräch soll er den Besitzer, der plante, das Areal zu verbauen, überzeugt haben: "Ich kaufe! Ich kaufe, geben Sie mir nur die Villa!" Drei Tage später hätte man den Kaufvertrag abgeschlossen. "1988, exakt 100 Jahre nach der Fertigstellung des Hauses, konnte dann der Künstler hier das Ernst Fuchs-Privatmuseum eröffnen. Die 'eigene Luft' des Ortes, die wundersame Aura, die Doderer so faszinierte, ist geblieben."