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Robert Eichert: Die Lobau#

Bild 'Eichert'

Robert Eichert: Die Lobau. Eine historische Bilderreise durch die Natur- und Kulturlandschaft der Wiener Lobau. Edition Winkler-Hermaden Schleinbach. 126 S., ill., € 19,90,-

Jagdrevier, Naturistenparadies, Nationalpark … und noch viel mehr. Das ist die Lobau, das am linksseitigen Donau-Ufer gelegene Auland, welches bei der Ostbahnbrücke beginnt und bis weit in das Gebiet von Groß-Enzersdorf reicht. Davon ist die eigentliche Lobau, die vom Enzersdorfer Arm gebildete, 1558 Hektar umfassende Insel, Eigentum der Gemeinde Wien, Auwälder aus Silber- und Schwarzpappeln, Weiden und Eichen bedecken 771 Hektar. Donau-Hochwässer und Eisstöße verursachten katastrophale Überschwemmungen, bis man sich 1870 zur Regulierung des Stromes entschloss. 1150 war die Lobau ein Teil des Gutes Ebersdorf, Sommerresidenz und Jagdgebiet der Habsburger. Das ganze ungefähr 30 km² umfassende Jagdrevier gehörte dem jeweiligen Thronfolger. Franz Ferdinand, genannt "der Schießer", erlegte 1897 in der Lobau seinen 1000. Hirsch, einen Zehnender. Kaiser Franz Joseph konnte den englischen König Eduard VII. als Jagdgast begrüßen. Reichsmarschall Hermann Göring erklärte die Untere Lobau zum Naturschutz- und Reichsjagdgebiet. Ein Foto zeigt ihn 1939 in illustrer Runde. Derzeit werden jährlich rund 40 Rehböcke, 1000 Hasen, 800 Fasane und 500 Rebhühner zur Strecke gebracht.

Der Lokalhistoriker Robert Eichert hat nicht nur eine Fülle an Details zusammengetragen, als "Lobau-Indianer" ist er seit jungen Jahren mit der Gegend auch emotional verbunden. Er publiziert, gestaltet Ausstellungen und betreibt die "Lobauinfo". Ein Bild aus 1979 zeigt ihn als "Gatschmann im Seerosenteich". Anton Klein, der Gründer des Lobaumuseums, fühlte sich beim Anblick der "Schlamm-Wilden" in den tiefsten Dschungel Afrikas versetzt". Er schrieb über die 1950er Jahre: Meine Freunde und ich fanden es völlig natürlich, dass in diesem Paradies die Menschen nackt herumliefen. Schon zwei Jahrzehnte zuvor hatten die ersten "Naturisten" Schilfhütten gebaut und ein "idealisiertes, indianerartiges Leben" gepflegt. Nudisten waren in Vereinen, wie den Naturfreunden, organisiert, die eigene Gelände mit Infrastruktur besaßen, "wilde FKKler" trafen sich im Überschwemmungsgebiet. Einer von ihnen war Ludwig Weinberger (1914-1996), der als Waluliso Bekanntheit erlangte. Nun trägt eine Brücke den Namen des Umweltschützers.

Seit 1996 ist das Naturschutzgebiet Lobau Teil des Nationalparks Donau-Auen (NP 1996), seit 2004 auch Europaschutzgebiet. Seit 130 Jahren gibt es Bestrebungen, Straßenprojekte durch die Lobau zu realisieren. Bereits 1893 zeichnete Otto Wagner auf einem Wien-Plan auf dem Gebiet der Lobau einen Ersten und Zweiten Außengürtel. In der NS-Zeit sollte die mit 1400 Meter "längste Autobahnbrücke des Reiches" die Donau queren. Es blieb bei den Pfeilern. Wagners Zweiter Außengürtel sollte 1970 als Autobahnprojekt verwirklicht werden. Fotos der Protestbewegung nehmen im Buch breiten Raum ein. Auf ihnen sind u. a. der amtierende Bundespräsident Alexander van der Bellen als Kundgebungsteilnehmer und "die Galionsfigur der österreichischen Ökologiebewegung, Freda Meissner-Blau" zu sehen. Ein zentrales Element der geplanten 19 km langen Ostumfahrung Wiens sollte der 8,2 km lange zweiröhrige Lobautunnel werden. Ende 2021 kündigte die zuständige Verkehrsministerin Leonore Gewessler an, dass dessen Bau nicht weiter verfolgt werde. Ein Vorreiter der Bürgerproteste war der Polizist Anton Klein (1925-2013). Er gründete das Lobaumuseum und die "Interessensgemeinschaft zum Schutze der Wiener Aulandschaften der Zierfischfreunde Donaustadt." 1972 eröffnete er im Keller des Vereinslokals sein Museum, das bis 2009 bestand. Es übersiedelte 1975 in das von der Stadt Wien bereitgestellte Adjunkten-Schlössel und machte besonders Kinder mit dem Naturschutz vertraut.

Die Schlacht bei Aspern, bekannt als Napoleons erste Niederlage, kostete 1809 rund 50.000 Soldaten das Leben. Die Franzosen bauten Pontonbrücken, um von Kaiserebersdorf auf die Insel Lobau zu gelangen. Die Österreicher schickten brennende Boote gegen die Schwimmbrücken. Zum 50. (oder 70.) Jahrestag ließ die "Ebersdorfer Wirthschafts-Commission" mit Zustimmung des Gemeinderats sechs "Napoleonsteine" setzen. Die zwei Meter hohen Obelisken bezeichnen Brückenkopf, Pulvermagazin und Friedhof der Franzosen, ihren Übergang ins Marchfeld, Napoleons Hauptquartier und die Napoleonstraße. 130 Jahre später war die Lobau erneut vom Schicksal geschlagen. In der NS-Zeit war der Donau-Oder-Kanal mit Hafenanlage und Ölraffinerie geplant. Dazu gehörten das Lager und ein Bordell für die Zwangsarbeiter. Seit 2010 erinnert ein Mahnmal, dessen Initiator Robert Eichert war, an die Opfer.

Hingegen verbinden viele WienerInnen sehr angenehme Erinnerungen an den "Wasserwald" (Loh - Wald, Ouwe - Wasser). 1927 öffnete die Stadt Wien das Erholungsgebiet, das man an bestimmten Toren mit Einlass-Scheinen betreten durfte. In der Zwischenkriegszeit brachte ein Bäderzug die Ausflügler vom Ostbahnhof zur Insel, es gab auch Motorboot-Überfuhren. Etliche Gastwirtschaften sorgten für das leibliche Wohl: "Roter Hiasl", "Schönes Platzerl", Försterei, Jausenstation, " Zum Lobgrund", "Zur Esslinger Furt", Uferhaus, Gasthaus Mühlleiten. Gleichzeitig mit der Öffnung der Lobau erfolgte die Besiedlung der "Kolonien in der Heimat". Die Gemeinde ermöglichte den Siedlern, meist Arbeitslosen und Ausgesteuerten, den Bau von Hütten mit Kleingärten.

Um 1960 wurde die Bewässerung der Lobau zum ernsten Problem. 1970 ließ die Gemeinde Wien die Altarme ausbaggern und startete eine Wassereinleitung in die Obere Lobau. Die Untere Lobau harrt noch immer einer Lösung. Vor 135 Jahren bezeichnete Erzherzog Rudolf in seinem "Kronprinzenwerk" die Lobau als eine der interessantesten und bekanntesten Harten Auen. Die Inseln sind in malerischer Abwechslung ein Gemenge von hochstämmigen Beständen, dichten Stangenhölzern mit wild überwucherndem Unterwuchs … und mit breitblättrigen Wasserblumen überdeckten Tümpeln … ein Bild urwüchsiger Wildnis, das gewiss Niemand in unmittelbarer Nähe einer Weltstadt vermuten würde. Der Thronfolger vergaß aber auch nicht, einen Nachteil zu erwähnen: Die Insecten , insbesondere die Gelsen, werden in der warmen Jahreszeit zu einer wahren Plage.

hmw