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Robert Haderer: Unterwegs im Land der Vielfalt#

Bild 'Haerer'

Robert Haderer: Unterwegs im Land der Vielfalt - Kulturhistorisches, Geheimnisvolles und Kurioses aus dem Industrie- und Mostviertel. Verlag Berger Horn. 292 S., ill., € 39,90

Der Bild- und Textautor Robert Haderer war wieder Unterwegs im Land der Vielfalt. Nachdem er im Vorjahr das Wald- und Weinviertel bereiste, sind im zweiten Band Ziele im Industrie- und Mostviertel sein Thema. Die Vorliebe des Autors für Kurioses bleibt bei der Lektüre des Buches nicht lange verborgen. … Mit diesem Werk liegt ein buntes Panoptikum an Eindrücken vor, heißt es im Geleitwort. Damit ist das Buch treffend charakterisiert. Es enthält nicht nur Kulturhistorisches, Geheimnisvolles und Kurioses, sondern auch manches "Uralte", angeblich Vorchristliche, das verzichtbar gewesen wäre und viel Zeitgeschichte.

Die Lesereise beginnt in Arkadien, jenem irdischen Paradies, von dem Vergil, der römische Dichter, der um Christi Geburt lebte, träumte. Der Mythos vom Sehnsuchtsort nahm im 18. Jahrhundert Gestalt an. Damals lösten englische Landschaftsgärten die strenge barocke Parkarchitektur ab. Einige der schönsten Beispiele befinden sich in Niederösterreich. Kaiser Joseph II. ließ den Laxenburger Schlosspark in dieser Art umgestalten. 300 Pioniere bewerkstelligten das Monsterprojekt in nur zwei Jahren. Kaiser Franz II./I. setzte den Ausbau fort und errichtete seine romantische Franzensburg auf einer Insel im Schlossteich. Heute steht der größte Landschaftsgarten Österreichs mit seinen Staffagebauten unter Denkmalschutz, ein Parkpflegewerk bewahrt seine ursprüngliche Form. Weitere markante Schlossparks fand der Autor im Land um Wien in Schönau an der Triesting, wo der Park des Freiherrn von Braun für seinen "Tempel der Nacht" berühmt war, in Pottendorf und bei den Grafen Harrach in Bruck an der Leitha.

Die Gegenwelt zum adeligen Lebensstil kann man in Traiskirchen kennen lernen. Die Industriestadt verfügt über das größte Heimatmuseum Niederösterreichs. Es umfasst 4000 m² in der ehemaligen Kammgarnspinnerei. Die "Ladenstraße" besteht aus einer Reihe von Geschäften und Werkstätten, die das Alltagsleben früherer Generationen nachvollziehbar machen. Eine Bassenawohnung aus den 1930er Jahren, "Matador"- Holzspielzeug und die Sammlung "Anker"-Steinbaukasten sind weitere Attraktionen. Dabei erfährt man, dass das erste Systemspielzeug der Welt von den Gebrüdern Lilienthal erfunden wurde. Hoch verschuldet verkauften die Flugpioniere ihr Patent an den Unternehmer Richter, der mit seinen Anker-Bausteinsätzen einen weltweiten Erfolg verbuchte.

Der erste Weltumsegler Österreichs, allerdings wider Willen, war Schlossherr in Niederösterreich: Christoph Carl Fernberger(1596-1653). Als Gefolgsmann des Kaisers im 30-jährigen Krieg konnte er sich aus der Gefangenschaft freikaufen. Auf einem Handelsschiff geriet er in Seenot und überlebte als einer von wenigen Passagieren. Fernberger hatte als einer der ersten Österreicher Südamerika, Kalifornien und die Philippinen gesehen, ehe er 1624 im indonesischen Java von Bord ging. … Sein Weg führte ihn auf den Malaiischen Archipel, nach Taiwan, China, Japan und Thailand. … Nach sieben Jahren in Übersee kehrte Christoph Carl Fernberger über das Kap der Guten Hoffnung, Nordafrika und Dover nach Amsterdam zurück, wo seine Odyssee begonnen hatte. Fernberger verfasste ein Reisebuch, heute ein wahrer Schatz. Die Wiederentdeckung ist dem Wiener Ethnologen Univ. Prof. Karl R. Wernhart zu danken, der den Fund publizierte.

Natur, Kunst, Menschen, Schlösser und Kirchen bilden eine Fülle interessanter, manchmal wenig bekannter Themen, die Robert Haderer aufgreift. Im Industrieviertel entdeckte er in Thallern (Gumpoldskirchen) einen Altar von Giovanni Giuliani. Der berühmte Barockkünstler stellte Jesus nicht am Kreuz, sondern "am Rebstock" dar. Der eindrucksvolle Kreuzweg des Stiftes Heiligenkreuz, dem sich der Meister als Laienbruder anschloss, stammt ebenfalls von Giuliani. Auch das Mostviertel ist reich an sakraler Kunst und Kultur. Das Benediktinerkloster Göttweig brachte im 19. Jahrhundert bedeutende Forscher hervor. Lambert Karner (1841-1909) nennt der Autor "Archäologe im Mönchsgewand" und "Vater der Erdstallforschung". Der Pater barg die latenezeitliche "Situla von Kuffern" aus dem 5. vorchristlichen Jahrhundert. Das Bronzegefäß zählt zu den wichtigsten Funden aus jener Zeit. Der universal gebildete Theologe Ludwig (Leopold) Hacker (* 1843) entdeckte die "Gudenushöhle" im Tal der kleinen Krems. 70.000 Jahre vor unserer Zeit hausten dort die Neandertaler. Sie gilt als eine der ältesten Siedlungsstätten Mitteleuropas. Benedikt (Johannes) Kissling (1851-1926) gründete das Stiftsherbarium. Eine von ihm entdeckte Knabenkraut-Art ist nach dem Benediktinerpater benannt.

Die Kartause Gaming, Grablege ihres Stifters Albrecht II. (1298-1358), wandelte sich vom Hort der Stille zum kulturellen Zentrum des Ötscherlandes. 1782 löste Joseph II. die Kartause auf. Ihre Revitalisierung ist Dipl. Ing. Walter Hildebrand zu verdanken, der sie in den 1980er Jahren erwarb. Der Architekt machte es sich zur Lebensaufgabe, eine der größten Kartausen Europas vor dem Verfall zu retten, was ihm schließlich auf eindrucksvolle Weise gelang. Nicht nur das Stiftergrab wurde wieder hergestellt, auch ein Viersternehotel und zwei Universitäten haben in Gaming einen stilvollen Rahmen gefunden.

Vieles weiß der Autor noch zu berichten und illustriert es mit ansprechenden Fotos. Einige Kostproben: Abertausend weiße Blüten, Im Reich der schwarzen Grafen, Das "fahrende Volk" der Roma und Sinti, Die Ois - ein Flussbett als erdgeschichtliches Archiv, Kyselak, ein Wandervogel aus dem Vormärz, Vom Klappern der Mühlen im Mostviertel bis hin zur Frage Wie kam das Wüstenschiff nach Tulln ? So ist Robert Haderer wieder ein vielseitiges, unterhaltsames Buch gelungen, das dem größten Bundesland Österreichs gerecht wird und die eigene Entdeckerfreude weckt.

hmw