Klaus Mackowiak: Kann Spuren von Latein enthalten#
Klaus Mackowiak: Kann Spuren von Latein enthalten. Kleines Lexikon deutscher Wörter lateinischer Herkunft. Von abkanzeln bis Zwiebel. C. H. Beck München. 170 S., € 16,-
Germanistik und Grammatik haben den Ruf, trockene Wissenschaften zu sein. Diesem (Vor-) urteil begegnet Klaus Mackowiak, Sprachberater des Duden-Verlags, in seinem jüngsten Buch mit einer Überdosis Witz. Die Einleitung erklärt den - nicht unbedingt allgemein bekannten - Unterschied zwischen Erbwörtern, Lehnwörtern und Fremdwörtern. Erbwörter, wie Baum, groß, kommen - sind aus germanischen Sprachen in den deutschen Sprachschatz gelangt. Lehnwörter wurden, wie schon der Name sagt, aus einer Fremdsprache entlehnt. Sie haben sich dem Kernwortschatz angenähert, zu dem sie nun zählen. Als Beispiele nennt der Autor Pferd, kaufen, klar. Fremdwörter sind der deutschen Aussprache und Rechtschreibung angepasst, aber nicht völlig integriert (Beton, lackieren, radikal).
"Sprache entwickelt sich über die Jahrtausende. Nach Merkmalen, die über eine gewisse Zeit vergleichsweise konstant bleiben, teilt man sie in verschiedene Epochen auf. … So etwas wie Deutsch gibt es nach solcher Einteilung etwa ab dem 7. Jahrhundert." Zuvor bestanden germanische Sprachen bzw. Dialekte. Es folgten Althochdeutsch (ahd., 7. Jahrhundert bis Mitte 11. Jahrhundert), Mittelhochdeutsch (mhd., bis Mitte 14. Jahrhundert), Frühneuhochdeutsch (bis Mitte 17. Jahrhundert), älteres Neuhochdeutsch (bis etwa 1800), jüngeres Neuhochdeutsch (1800-1945) und Gegenwartsdeutsch (seit 1945).
Das klassische Latein teilt sich in Spätlateinisch (bis 5./6. Jahrhundert), Mittellateinisch (6. Jahrhundert bis Mitte 15. Jahrhundert) und Neulateinisch (ab Mitte 15. Jahrhundert). Vulgärlatein, die umgangssprachliche Form, sprach man in allen drei Phasen. Kirchenlatein hatte in der Liturgie seinen Platz. "Mittellatein war zwischen dem 6. und 15. Jahrhundert für Kirche, Verwaltung, Juristerei, Literatur und Wissenschaft in den meisten europäischen Ländern als Lingua franca von Bedeutung. … Städtische Bevölkerungsschichten, die kein Latein sprachen, gewannen im deutschsprachigen Raum im 15. Jahrhundert mehr und mehr an Einfluss." Dadurch wurde das Mittellateinische als Verkehrssprache zu Gunsten des Deutschen allmählich verdrängt.
Der zweite Teil - "Deutsche Lehnwörter aus dem Lateinischen von A bis Z" - beginnt mit einem solchen Bespiel, dem Wort Abt. Über mhd. abbet, apt, ahd. abbat, geht das Substantiv auf kirchenlateinisch abbatem zurück, den Akkusativ von abbas (Abt), das aus spätgriechisch abbas (Vater) entlehnt ist - nach der biblischen Gebetsanrede aramäisch abba (Vater). Das Substantiv Abtei kommt von kirchenlateinisch abbatia.
Der Amtsschimmel ist wohl eine Erfindung des 19. Jahrhunderts. Schimmel soll eine volksetymologische Umdeutung von Simile (ähnlich) sein. In den k. und k. Kanzleien nannte man so ein amtliches Formular, das in ähnlichen Fällen ähnlich behandelt wurde. Der Amtsschimmel ist ein seltenes Beispiel aus der Donaumonarchie. Die meisten kommen unüberhörbar aus Deutschland. Besonders schwierig wird es für LeserInnen aus Österreich, wenn es sich um deutschen Dialekt wie kölsch handelt. "Dat sönd ding Beäre net" ("Das ist nicht dein Bier"), was eigentlich die Birne meint. Bier könnte vom lateinischen bibere (trinken) kommen - aber: "Ehrlich gesagt, Genau weiß man das nicht".
Zum humorvollen Einstieg für die einzelnen Stichworte nimmt der Autor häufig Zitate, die von ihm, dem Komiker Heinz Erhardt (1909-1979) oder Schlagertexten stammen. Zum Stichwort Laune (von lat. luna - Mond) schüttelreimte Erhardt: "Ob der Mond schon wieder scheint, oder seinen Mondschein schont …" Mittelalterliche Astrologen wollten wissen, dass der Mond die Stimmung beeinflusst. So findet man Laune schon im 13. Jahrhundert. Das Zeitwort launen (in wechselnder Stimmung sein) ist verschwunden, nur das Partizip gelaunt blieb. Das Adjektiv pingelig (peinlich genau) ist die rheinische Version von peinlich (Ping - Schmerz). Die Kölner Mundartband Bläck Fööss reimte dazu im Song Dr. Pillemann: "Durch Pille bes de dann befreit, jejen Stress un all ding Ping". (Durch Pille bist du dann befreit / von Stress und all deinen Schmerzen). Das Wort Pille, das im Deutschen seit dem 14. Jahrhundert verwendet wird, geht auf lateinisch pila (Ball) zurück. Dieses hat mit pilus (Haar) zu tun, da Bälle einst mit Haar ausgestopft waren. Stopfen wiederum kommt von lateinisch stuppa (Werg) als Füllstoff. "Die Verwendung 'etwas mit Nadel und Faden ausbessern' wurde erst im 18. Jahrhundert üblich."
Nicht nur einzelne Wörter, auch ganze Zitate konnten ihre Bedeutung ändern. Am bekanntesten ist wohl jenes des römischen Philosophen Seneca, der um Christi Geburt lebte: "Non vitae, sed scholae discimus" (Nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir), Heute kennt man den Sinnspruch umgedreht als "Nicht für die Schule, für das Leben lernen wir". So kann man aus dem "kleinen Lexikon deutscher Wörter" eine ganze Menge unterhaltsam lernen.