Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!
unbekannter Gast

Ferdinand OPll: Die Stadt sehen#

Bild 'Opll'

Ferdinand OPll: Die Stadt sehen. Frühe Stadtdarstellungen von Wien in ihrem thematischen und internationalen Kontext. Böhlau Verlag Wien. 530 S. , ill., € 67,-

Em. Univ. Prof. Ferdinand Opll war langjähriger Direktor des Wiener Stadt- und Landesarchivs und leitete das Institut für Stadtgeschichtsforschung. Er lehrt mittelalterliche Geschichte und historische Hilfswissenschaften an der Universität Wien und ist Mitglied internationaler wissenschaftlicher Kommissionen. Der vielfach ausgezeichnete Historiker verfasste zahlreiche Bücher und Beiträge, vor allem zu seinen Forschungsschwerpunkten Hohes Mittelalter und Geschichte der Stadt Wien. Sein jüngstes Werk ermöglicht erstmals Vergleiche europäischer Stadtansichten seit den Anfängen bis zum frühen 17. Jahrhundert.

Der älteste Stadtplan der Welt zeigt das sumerische Nippur, 180 km südöstlich von Bagdad (Irak). Die Ritzzeichnung auf einer kachelgroßen Tontafel wird auf die Mitte des 2. vorchristlichen Jahrtausends datiert. Aus den ersten nachchristlichen Jahrhunderten waren Städte "mit unmittelbarem Bezug zur Heilsgeschichte", wie Rom und Jerusalem, als Motive interessant. Fragmente römischer Marmorpläne sind erhalten. Nach 350 entstand die Tabula Peutingeriana mit stilisierter Rom-Ansicht und Darstellung des Straßennetzes von den britischen Inseln bis Zentralasien. Die in der Österreichischen Nationalbibliothek aufbewahrte mittelalterliche Kopie zählt zum UNESCO-Weltdokumentenerbe.

Ferdinand Opll gliedert sein reich illustriertes wissenschaftliches Grundlagenwerk in sechs Kapitel und zwei Anhänge. Ein Abschnitt widmet sich der Frage "Wie sind Stadtdarstellungen entstanden?" Dabei geht es u. a. um Materialität und Techniken, wobei dauerhafte Materialien wie Ton, Stein oder Mosaiken die Jahrhunderte überdauert haben. Auch Silberplatten und Wandgemälde fanden Verwendung. Beim Werkstoff Holz spielen Tafelmalereien von Altären, die Heilige vor Stadtsilhouetten zeigen, eine besondere Rolle. Prominente Wiener Beispiele sind der Albrechtsaltar und das Werk des Schottenmeisters aus dem 15. Jahrhundert.

Viele Antworten gibt es auf die Frage "Warum sind Stadtdarstellungen entstanden?" Ein wichtiges Motiv waren wohl schon beim Stadtplan von Nippur und in der römischen Antike administrative Gründe. Dazu kommen historische und religiöse Bezüge - wie bei Giottos Freskenzyklus vom Leben des heiligen Franziskus in Assisi -, kriegerische Ereignisse - wie die Belagerung Wiens durch die Osmanen - oder Repräsentation. Eine Selbstdarstellung ist nie neutral oder objektiv. Vielmehr geht es weniger um die Wirklichkeit, als um Propaganda. Nicht zu vergessen ist schließlich "kaufmännisch orientiertes Bemühen um Befriedigung eines steigenden Publikumsinteresses am Aussehen von Städten aus Nah und Fern." Den sozialen Hintergrund charakterisiert der Autor als "Trias von AuftraggeberInnen/UrheberInnen, HerstellerInnen/NutzerInnen und Publikum.

Ein Kernstück des großartigen Buches bildet das Kapitel "Wiener Stadtdarstellungen vom späten 14. bis zum frühen 17. Jahrhundert". Der 1421/22 entstandene Albertinische Plan ist der älteste, der nördlich der Alpen erhalten blieb. "Das Planbild des 'Albertinums' wird im wesentlichen von nur wenig individualisierten Ansichten öffentlicher Gebäude aus dem kirchlichen, wie - ungleich seltener - aus dem weltlichen Bereich dominiert …(wobei) auf drei verschiedene Gewässer zu verweisen ist, nämlich den im Hochmittelalter in das frühere Bett des Ottakringer Bachs umgeleiteten Alserbach, der im Bereich zwischen Schotten- und Werdertor das ummauerte Stadtgebiet durchzieht, die Donau und den Wienfluss. Ein besonderes Merkmal dieses so frühen Wiener Stadtplans ist nicht zuletzt darin zu sehen, dass er an seinem unteren Rand eine Maßstabsleiste aufweist."

Die ältesten Wien-Bilder (um 1440) finden sich auf dem Doppelflügelaltar der ehemaligen Karmeliterkirche am Hof. Der zehn Meter breite Große Albrechtsaltar zeigt einen prächtigen Marienzyklus. Berühmt ist der Ausschnitt des Bildes "Begegnung an der Goldenen Pforte". Hier treffen sich Anna und Joachim nicht beim Goldenen Tor des Herodianischen Tempels in Jerusalem, sondern vor der Silhouette Wiens, charakterisiert durch die Türme von St. Stephan, Maria am Gestade und der Burg auf dem Leopoldsberg. Eine Generation jünger ist der Schottenmeisteraltar (nach 1469 - um 1483). Wiener Stadtansichten erscheinen auf seinen Tafeln Flucht nach Ägypten" und "Heimsuchung Mariens". Dabei ging der Künstler (Hans Siebenbürger?) äußerst detailgetreu vor. Sogar eine in einem Fenster sitzende Katze hat er abgebildet. Diese wurden, auch in der Hofburg, gehalten, um der Mäuseplage zu begegnen. Katzen waren typisch für das Stadt- bzw. Lebensbild im spätmiittelalterlichen Wien. Zwei Bildbezüge - Schottenkloster und Wien von der Donauseite - finden sich auf dem Babenberger-Stammbaum, der 1489-1492 entstand. Der Mittelteil des acht Meter breiten und vier Meter hohen Triptychons stellt alle 27 männlichen Vertreter des Hauses Babenberg in Medaillons mit Landschaftsdarstellungen vor. Die beiden Seitenflügel zeigen 46 Ehegattinnen und Töchter der Babenberger, "Das im Stiftsmuseum von Klosterneuburg zu sehende Werk gehört entstehungsgeschichtlich in das Umfeld der Bemühungen dieses Chorherrenstiftes, die Verehrung seines 1485 vom Papst heiliggesprochenen Gründers, Markgraf Leopold III. von Österreich, mittels umfassender Initiativen weiter zu verbreiten."

Ein völlig neues Medium war die um 1440 erfundene Buchdruckerkunst. 1491 brachte die Schedelsche Weltchronik Ansichten von Wien ("Vienna Pannonie") und zahlreichen anderen Städten. Für ihre Holzschnitte griffen die Meister Michael Wolgemut und Wilhelm Pleydenwurff auf Vorlagen zurück, nicht auf eigene Anschauung. Anders als der Nürnberger Medienunternehmer Niklas Meldeman. Er kam kurz nach dem Ende der ersten Osmanischen Belagerung nach Wien um seine Rundansicht von Stadt und Vorstädten mit den Kriegsschäden anzufertigen. Das "Türkenmotiv" inspirierte auch andere Künstler wie Barthel Beham, Hans Guldenmund oder Wolf Huber. 1544 übersiedelte der Nürnberger Augustin Hirschvogel nach Wien und schuf hier ein Kartenwerk mit Vorbildcharakter. Einen weiteren Meilenstein auf dem Gebiet der Stadtpläne stellt die aus sechs Kupferstichen bestehende Gesamtansicht dar, die der Niederländer Jacob Hoefnagel schuf. Sein Vogelschauplan erschien 1609. Ferdinand Opll betont, dass es bis in die Maria Theresianische Zeit kein vergleichbares Bild von Wien gibt. Damals schuf Joseph Daniel Huber "eine großartige Vogelschau der Barockstadt."

Eine umfangreiche Tabelle ermöglicht den Vergleich der Entwicklungen in Europa. Das chronologische Verzeichnis umfasst eine signifikante Auswahl von mehr als 400 auf Städte bezogenen Bildzeugnissen bis ins frühe 17. Jahrhundert. Dazu kommen Quellenangaben und Hinweise auf maßgebliche Themenbereiche - bis hin zu Google Maps.