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Robert Sedlaczek: Das große Wörterbuch des Wienerischen.#

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Robert Sedlaczek: Das große Wörterbuch des Wienerischen. Die Herkunft der Wörter und ihre richtige Aussprache. Mit mehr als 10.000 Stichwörtern und zahlreichen Belegstellen. Michael Wagner Verlag Innsbruck. 522 S., € 39,90

Genau so stellt man sich ein großes Wörterbuch vor: Auf mehr als 500 Seiten enthält es Bedeutung, Herkunft, phonetische Schreibweise und Belegstellen von mehr als 10.000 Stichwörtern aus dem Wienerischen. Der Autor, Robert Sedlaczek, ist ein ausgewiesener Experte. Er studierte Publizistik, Germanistik und Anglistik, schrieb seit 2005 bis zur Einstellung der "Wiener Zeitung" eine wöchentliche Sprachkolumne und verfasste zahlreiche Bücher. Sein 2011 als Taschenbuch erschienenes "Wörterbuch des Wienerischen" erreichte acht Auflagen. Doch dabei wollte es der Autor nicht belassen. Sprache lebt, neue Vokabeln kamen dazu, die Quellenlage hat sich verbessert. Das vergriffene Standardwerk von Maria Hornung findet man im Internet, ebenso Werke von Johann Nestroy und Ferdinand Raimund, die sich als wahre Fundgruben für das Wienerische erweisen. (z. B. Nestroy: "Umsonst": "Raison ist's : Essen gehen und abwarten, was derweil geschieht." Derweil = inzwischen; Raimund: Das Aschenlied). Nicht nur abgekommene Ausdrücke wurden aufgenommen. Auch Bikersprache, Fußballerjargon, Kabarett und Tageszeitungen, TV-Serien - wie "Mundl" - oder Texte des Austropop hat der Autor gesammelt. Weitere wichtige Quellen lieferten Schriftsteller wie Eduard Pötzl und Rudolf Stürzer, Josef Weinheber, H. C. Artmann sowie alte und neue Wienerlieder.

Sehr wertvoll ist der 50-seitige einführende Teil. Er verrät u. a. wie man ein Wort findet, den Gebrauch von Dativ und Akkusativ, Singular und Plural. Man lernt, "wie sich Wien von München unterscheidet". Hier heißt es: Das Bairisch-Österreichische ist ein großer Dialektraum mit vielen Gemeinsamkeiten. Die Sprachwissenschaft unterscheidet zwischen 'Bayern', das ist jener Teil des Freistaats, in dem Bairisch gesprochen wird, nicht Alemannisch, nicht Fränkisch. Das bairische Sprachgebiet wird auch Altbayern genannt. … Der "Konjunktiv der Höflichkeit" heißt Bairischer oder Wiener Konjunktiv. ("I warat jetz da" = (Da bin ich, wenn es Ihnen recht wäre") Es gibt viele Wörter, die in beiden Dialekt-Teilräumen mit denselben Bedeutungen verwendet werden, es muss aber nicht immer so sein. Das Wort Badwaschel beispielsweise bedeutet in Wien Bademeister, in München Friseur. G'schupft heißt in Bayern auch schreckhaft - im Lied 'Der g'schupfte Ferdl' begegnen wir einer ganz anderen Bedeutung.

Breiten Raum nimmt "ein Normalwort des Wienerischen und sein Gegenstück im Standard" ein. Dieses Phänomen kommt in vielen Dialektwörterbüchern zu kurz. "Pferd", "Kopf" und "sich anschlagen" sind gesamtdeutsch, "Ross", "Schädel" und "sich anhauen" wienerisch. Wer einen authentisch wienerischen Text schreiben will, wird "Pferd", "Kopf" und "sich anschlagen" vermeiden - "denn diese Wörter sind nicht dialektkompatibel". Viele historische Ausdrücke (und Erklärungen) entsprechen nicht der seit den 1980er Jahren geforderten Political Correctness. Im Wienerischen haben sich sprachliche Elemente des Mittelhochdeutschen erhalten, auch tradierte Moralvorstellungen leben weiter.Ich will diese Wörter nicht negieren, kümmere mich aber bei den Bedeutungserklärungen um politisch korrekte Formulierungen, schreibt Robert Sedlaczek.

Wissenschaftlich korrekt ist seine Antwort auf die oft gestellte Frage, ob das Wienerische vom Aussterben bedroht sei. Der Germanist rät zu einem differenzierten Befund: Während im Bereich der Grammatik und der Phonetik vieles verlorengeht, … entwickelt sich der Wortschatz, also die Lexik, munter weiter. … Der Sprachwandel ist nicht aufzuhalten. … Solange eine Sprache neue Wörter entwickelt, ist sie keine tote Sprache. Dies gilt auch für den Wiener Dialekt, wobei die große Zahl der Wortschöpfungen überrascht. … Triebkräfte sind Sprachökonomie, Innovation, Variation und Beeinflussung durch gesellschaftliche Kräfte.

Volkskundler meinen, dass sich das Fach (früher) erst dann für Erscheinungen zu interessieren begann, wenn diese zu verschwinden drohten. Die Forscher waren dann so etwas wie Totenvögel, die das nahende Ende ankündigten. Sie wollten dokumentieren, was ihnen wertvoll schien, damit es nicht verloren gehe. Andererseits begann genau dann im 19. Jahrhundert der Folklorismus, z. B. bei Trachten, Bräuchen oder Liedern. Bei der Sprache dürfte es ähnlich sein. Das erste von Sedlaczek zitierte Mundartwörterbuch (Idioticon Austriacum) erschien in den 1820er Jahren. Sein Verfasser, Ignaz von Sonnleithner (1770-1831) der Onkel von Franz Grillparzer, war Jurist, Fachschriftsteller und Gründungsmitglied der Gesellschaft der Musikfreunde. Ein Zeitgenosse nannte ihn einen berühmten Wiener Witzbold. Ein weiterer Pionier war der Schriftsteller Ignaz Franz Castelli (1781-1862). Mit seinen Zeitungsartikeln trug er zur Vermittlung eines spezifischen Wien-Bildes bei und gab den Anstoß zur österreichischen Dialektpoesie. Castelli, der auch Pornographisches verfasste, gründete die literarische Gesellschaft "Ludlamshöhle" und den Wiener Tierschutzverein. Unter den jüngeren Autoren sind besonders der Kabarettist und Jurist Peter Wehle (1914-1986), der Schriftsteller Wolfgang Teuschl (1943-1999), der Soziologe Roland Girtler (* 1941) und die Germanistin Maria Hornung (1920-2010) bekannt. Die Universitätsprofessorin, bei der auch Sedlaczek studierte, forschte im ältesten bairisch-österreichischen Sprachinselgebiet in Oberitalien sowie in Osttirol. Sie war Mitherausgeberin des Österreichischen Wörterbuchs, ihr Standardwerk über die Wiener Mundart erschien 1998.

Anhand seiner Biographie weist Robert Sedlaczek auf die emotionale Komponente der Mundart hin. Seine Vorfahren waren Kleinbauern und Handwerker, sein Vater Elektriker mit eigenem Geschäft, der Wienerisch sprach. Vielleicht hat mich all das motiviert, die Sprache der 'kleinen Leute' zu erforschen. Die Mutter, eine Buchhalterin, die aus Böhmen stammte, legte Wert auf die Schriftsprache. Eine ideale Mischung als Basis des neuen Jahrhundertwerks! Diese Sammlung hat den Anspruch, das kompletteste und gleichzeitig komfortabelste Gebrauchswörterbuch des Wienerischen zu sein, das bisher erschienen ist. … Obwohl ich das höchste wissenschaftliche Niveau angestrebt habe, galt mein besonderes Augenmerk der Benutzerfreundlichkeit, das Buch soll auch einem Laien Freude bereiten.' 'Robert Sedlaczek hat sein Ziel nicht nur erreicht, sondern bei weitem übertroffen. Profis und Laien werden sich darüber freuen.

hmw