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Erich Weidinger - Michael Maritsch: Sagen und Märchen vom Attersee und Attergau#

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Erich Weidinger - Michael Maritsch: Sagen und Märchen vom Attersee und Attergau. Kral-Verlag, Berndorf, 112 S., ill., € 24,90

Der Attersee ist mit einer Länge von 18,9 km und einer maximale Breite von 3,3 km der größte See Österreichs. Seine außerordentlich reizvolle Lage im Salzkammergut macht ihn für Generationen von Feriengästen zum Sehnsuchtsort. Einheimische sahen das oft anders. Für sie waren die mächtigen Gebirge bedrohlich, Verkehrs- und Einkommensmöglichkeiten beschränkt. In der kalten Jahreszeit bilden sich Nebel, die wochenlang andauern. Zur Erklärung von Unverständlichem wurden gerne Geisterwesen oder der Teufel herangezogen. Das ist der Boden, auf dem Sagen und Märchen gedeihen. Erich Weidinger, der in der Gegend aufgewachsen ist und in Seewalchen eine Buchhandlung betreibt, ist seit langem davon fasziniert. Seine Attersee-Sagensammlung hat inzwischen fünf Auflagen erlebt. Die jüngste zeichnet sich durch stimmungsvolle Bilder des international tätigen Fotografen Michael Maritsch aus. Auch sein Atelier befindet sich am Attersee.

Wie dieser zu seinem Namen kam, ist letztlich nicht geklärt. Ob vom indogermanischen Wort "adra" (Wasserlauf) oder vom Abfluss des Attersees, dem Fluss Ager ("Agria" - schnell treiben). Da hat es die Volksetymologie leichter, wie eine Erzählung aus Seewalchen überliefert: "Als die ersten Siedler von Norden herkommend am Attersee eintrafen und durch das Uferdickicht erstaunt zum ersten Mal den See erblickten, riefen sie angetan von seiner Schönheit aus: Ah, der See."

"Sagen vom Attersee" ist das erste Kapitel des lesenswerten Buches. Die anderen - "Von biblischen und märchenhaften Gestalten", "Märchen", "Kaiser-Geschichten" und "Von den Squietschen " bilden den Abschluss. Dazwischen reihen sich, nach Ortschaften geordnet, Schilderungen, deren Quellen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts zurückreichen. Darunter finden sich Wandersagen, wie man sie auch anderswo erzählte - von versunkenen Kapellen, unterirdischen Gängen, habgierigen Bauern, Hexen, Spuk und Zauberei.

Die Sagenreise beginnt im Norden des Sees, in Seewalchen. Dort waren die Squietschen daheim, "wie Geister, körperlose und unsichtbare Wesen. Sie helfen den guten und redlichen Menschen, aber mit den unguten treiben sie Schabernack und sind auch manchmal gemein zu ihnen." Für die Bewohner des nahen Schörfling gab es Spitznamen. Diese waren - wie in anderen Orten - wenig schmeichelhaft. "Die Schörflinger wurden früher Mondanklampfer genannt. Sie wollten gerne dauerhaften Mondschein und ließen daher eines Nachts den vollen Mond in ein Wasserschaffel scheinen. Damit er nicht mehr herauskönne, schlugen sie schnell über das Schaffel eine Klampfe (Eisenklammer)."

In Aurach am Hongar soll es vieräugige Hunde gegeben haben. "Hatte man in alten Zeiten so einen Hund, musste er mit der wilden Jagd ziehen. … Es nützte nichts, wenn man ihn einsperrte, kaum nahm er das Nahen der wilden Jagd wahr, befreite er sich und war fort." Meist handeln Sagen von unheimlichen Gestalten oder Begebenheiten. Ausnahmen wie die Geschichte aus Weyregg von einer Näherin, die sich verirrt hatte, sind selten. "… Da erschien über ihr ein feuriger Drache. Der Drache flog langsam voraus und zeigte der Frau den Weg. Vor Weyregg flog der Drache plötzlich in Richtung Schafberg, wo er verschwand. Die Näherin sah die Lichter der Bauernhäuser und fand nun allein hinunter zum See. "

Aus Steinbach am Attersee, der flächenmäßig größten Gemeinde im Bezirk Vöcklabruck, sind zwei Ursprungslegenden überliefert. Die Pfarrkirche zum hl. Andreas sollte auf einem anderen Platz erbaut werden. "Über Nacht trugen jedoch Vögel … die Hackscharten an die Stelle, wo die Kirche nun steht und zeigten so den von Gott gewünschten Bauplatz." Auch beim Zügenglöckerl folgte man einer Weisung. Ein Hirte grub es nächst der Großalm aus der Erde. "Vier Paar Pferde konnten es nicht nach Neukirchen in der Viechtau bringen, während ein paar Kinder es leicht nach Steinbach am Attersee brachten." Andere Versionen erzählen, dass ein Stier oder Kälber die Glocke ganz einfach nach Steinbach ziehen konnten. Auch die folgende Geschichte wird von vielen Orten, hier von Weißenbach, erzählt. "Am Ursprung des Weißenbaches befand sich einstmals eine saftige Weide. Die Senner und Sennerinnen, die dort das Vieh auftrieben, lebten im Überfluss … Sie wuschen sich mit Milch und pflasterten die Hütte mit Käse. … Die Strafe blieb nicht aus. Eine Steinlawine begrub die Alm und ihren ganzen Reichtum unter sich. Der Vorrat an Milch floss zu Tal und gab dem Wasser des Weißenbaches seine Farbe."

Unterach, am Westufer, war mit Pferd und Wagen schlecht zu erreichen. Der Transport erfolgte mit Booten. Deshalb erhielt der Ort den Spitznamen "Klein Venedig". "Die Nussdorfer hingegen hingen einst einem blinden Schimmel eine Laterne an den Schweif, damit er den Weg nicht verfehle. Seither nannte man sie Schimmelhänger." Über die goldene Teufelsbrücke in Attersee am Attersee schreibt Erich Weidinger: "Mehrere Varianten gibt es über diese Geschichte. Eine davon berichtet, dass der Kletzlmüller den Teufel veranlasst hatte, in einer Nacht bis zum ersten Hahnenschrei eine Brücke nach Weyregg hinüber zu bauen. Aus Angst, dass dem Teufel das gelingen könnte, weckte der Müller vorzeitig den Hahn, der lauthals seinen Schrei über die Gegend erschallen ließ. Der Bau der Brücke musste vom Teufel eingestellt werden. Die letzten Reste der Brücke sind bis heute zu sehen. Natürlich weiß man heute, dass diese aus der Pfahlbauzeit stammen, sie unter dem Schutz der UNESCO stehen und seit 2011 zum Weltkulturerbe gehören."

In die jüngste Auflage seines Erfolgsbuches hat der Autor die Umgebung nordwestlich des Sees einbezogen. Auch dort, im Attergau, sind Pfahlbaudörfer bekannt. Seit dem 17. Jahrhundert bildet ein wundertätiges Gnadenbild den Mittelpunkt des Hochaltars der Pfarr- und Wallfahrtskirche Attersee. In St. Georgen im Attergau musste es als Stalltür dienen und wurde von einer Bäuerin mit der Axt bearbeitet. Die Spuren des Frevels sollen noch zu sehen sein.

Über die Pfarrkirche von Weißenkirchen im Attergau wird ähnliches erzählt, wie in Steinbach. Nachdem das Baumaterial drei Nächte hindurch vom geplanten Bauplatz verschwunden war, "nahmen sie das Geschehen doch als göttliches Zeichen und erbauten die Kirche dort, wo sie heute noch steht. Den für den Ort namengebenden weißen Kalkverputz soll sie der Spende eines Hirten verdanken. In Strass im Attergau verstand sich ein Bauer auf das "Anbinden". In der Weihnachtsnacht wollten ihn sechs schwarz maskierte Männer berauben. Er konnte sie bannen und die schwarze Farbe abwaschen. "Darunter kamen lauter bekannte Gesichter hervor. Jetzt löste der Bauer den Bann. Die Männer baten ihn um Verzeihung sowie um Stillschweigen und liefen schleunigst aus der Stube und vom Hof weg." Bei einer Familie in Berg im Attergau verschwand die Tochter auf dem Weg zur Christmette und ward nie mehr gesehen. Die Nachbarn deuteten dies als Strafe für den Geiz ihrer Eltern.

Auch in Gampern nördlich des Attersees soll sich in der Weihnachtsnacht allerlei Spukhaftes zugetragen haben. Der Ort ist für seinen spätgotischen Flügelaltar, den drittgrößten Oberösterreichs, bekannt. Die im Stil der Donauschule bemalte Rückseite, die das Jüngste Gericht darstellt, wird "Gamperner Hölle" genannt: Petrus lässt die Guten in den Himmel ein, während Teufel die Verdammten in den Höllenrachen werfen. Solche Darstellungen haben seit Jahrhunderten die Phantasie angeregt und Anlass zu Sagen und Legenden gegeben. Die Relektüre lohnt sich. Erich Weidinger präsentiert die alten Geschichten geringfügig sprachlich verändert. Michael Maritsch illustriert sie mit seinen faszinierenden Fotos. Es ist ihnen eine ideale Synthese gelungen.