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Jutta Leskovar: Wicca · Kelten · Schamanen#

Bild 'Leskovar'

Jutta Leskovar: Wicca · Kelten · Schamanen. Verlag Anton Pustet, Salzburg. 206 S. ill., € 24,-

Während die institutionalisierten Kirchen Mitglieder verlieren, erfreuen sich die Neuen Religiösen Bewegungen großen Zuspruchs. Das Buch der Prähistorikerin und Sammlungsleiterin am OÖ Landesmuseum Jutta Leskovar kommt zur richtigen Zeit. Es ist zu bewundern, wie die Autorin sine ira et studio die unübersichtliche Materie des Neuheidentums wissenschaftlich analysiert und verständlich erläutert. Die Archäologin schreibt: "Ziel dieses Buches ist es nicht, die typischen Argumentationsweisen, Deutungen und Selbstzuschreibungen von Neuheid*innen möglichst umfassend als unwissenschaftlich zu entlarven oder lächerlich zu machen. … Interessierten aller Art soll … jenes wissenschaftliche Wissen, das auf ganz eigene Weise vom Neuheidentum genutzt wird, zur Verfügung gestellt werden, so wie es dem derzeitigen Forschungsstand entspricht."

Die Expertin mit großem Interesse an der Szene stellt nach der Einleitung einen Überblick über das Neuheidentum vor. Das Neuheidentum (engl. Paganism) ist ein (kleiner) Teil von weltanschaulichen Gruppierungen. "Davon wird innerhalb der Pagan Studies der Bereich des New Age, der Göttinnenspiritualität und der Naturreligionen unterschieden, wenngleich es natürlich auch zahlreiche Überschneidungsbereiche gibt." Neuheidnische Gruppen suchen eine Verbindung mit der Vergangenheit. Viele wählen in eklektizistischer Manier aus Traditionen aus aller Welt und unterschiedlicher - möglichst weit zurückliegender - Perioden und gestalten daraus etwas Neues. Auf das Diesseits fokussiert, pflegen sie eine "erdige Spiritualität". Die Autorin stuft die Mehrheit der Gruppen als ideologisch unbedenklich ein. Völkisch orientierte (germanische oder osteuropäische) Neuheiden sind ihrer Erfahrung nach nur - allerdings viel beachtete - Minderheiten. Das Neuheidentum wird als polytheistisch beschrieben. Wesentlich ist der weibliche Aspekt des Göttlichen. Die Anhänger kommen ohne definierten Glaubenskanon und hierarchische Organisation aus. Als typische Praktiken gelten Jahreskreisfeste, Rituale mit magischem Hintergrund, Wahrsagerei, Trance und Meditation.

Die neuheidnischen Religionen entstanden im 20. Jahrhundert, so auch Wicca und Druidry Wicca, die am meisten mit Hexen assoziierte Bewegung, ist am weitesten verbreitet. Sie versteht sich als natur- und erdverbunden, wobei die Göttin (begleitet von einem Gott) die Hauptrolle spielt. Die Praktizierenden treffen sich in Gruppen ("Cohen"). Bei ihren Ritualen repräsentieren Hohepriesterin und Hohepriester die Gottheiten. In der Lehre geht es um das Postulat einer Jahrtausende alten matriarchalen Gesellschaft, die wiederbelebt werden soll. Die "Matriarchatsforschung", die eine deutliche Abneigung gegen den klassischen Wissenschaftsbetrieb hegt, geht von der Umkehrung des Patriarchats aus. "Was sagt die Archäologie zum wirkmächtigen Bild des Matriarchats? Kurz, dass es Belege für ein prähistorisches Matriarchat nicht gibt, ebenso wenig für ein prähistorisches Patriarchat oder sonstige detailgetreu darstellbare Sozialstrukturen. Autor*innen der 'Matriarchatsforschung' greifen also relativ willkürlich Befunde, Funde und Kulturen heraus, um das Bild einer angeblich zeitlich und geographisch zusammenhängenden matriarchalen Lebenswelt zu zeichnen."

"Kelten" und "Druiden" sind allgemein bekannte Begriffe. " 'Keltisches' hat seinen Weg in die Wicca-Mythologie gefunden, ebenso wie in die Göttinnenspiritualität und den modernen Schamanismus. … Man wähnt sich in einer Tradition und baut auf ihr auf, ohne weiter auf die mangelhafte Quellenlage einzugehen - was allerdings auch nicht die Aufgabe des Neuheidentums ist, sondern jene der Archäologie … Interessanterweise bezieht man sich so gut wie nie auf (eisenzeitliche) Gräberfelder, obwohl dies gerade jener Bereich sein dürfte, in dem uns die spirituellen Weltbilder der prähistorischen Kulturen nahe kommen." Auch in den akademischen Wissenschaften wurde der keltische Volksbegriff verwendet. "Alles was in verschiedenen Fächern als "keltisch" bezeichnet wird, als Einzelausprägungen eines ursprünglich einheitlichen Volkes zu sehen, würde bedeuten, irisches Frühmittelalter mit der Hallstattzeit zu verknüpfen, was die Quellenlage nicht erlaubt." Statt "keltisch" wäre die Alternative "latènezeitlich" passender, doch blieb der Begriff "keltisch" populär. Trotz - seit der Antike - nicht nur positiven Druidenbildern etablierte sich im 19. Jahrhundert das Bild des naturverbundenen, weisen Druiden. Das "keltische Baumhorokop", erfand eine französische Journalistin in den 1970er Jahren. Inzwischen wachsen zahlreiche "keltische Baumkreise", u. a. in Wien.

Der dritte Begriff im Buchtitel, "Schamanen", wird selten als Teil des Neuheidentums bezeichnet. Bei allen Unterschieden zwischen Schamanismus und Neuheidentum sind beide Szenen eng verknüpft. Die in den 1960er Jahren entstandene neoschamanistische Szene ist, wie die neuheidnische, sehr heterogen. In Religionswissenschaft, Ethnologie und Archäologie ist Schamanismus ein intensiv bearbeitetes Forschungsfeld. "So wurde beispielsweise darüber nachgedacht, ob die Misch- und Phantasiewesen, die von altsteinzeitlichen Höhlenmalereien und aus der Kleinkunst bekannt sind, 'maskierte Menschen, Zauberer oder Schamanen' darstellen." Bei der 35.000- jährigen "Fanny vom Galgenberg" (Niederösterreich), einer der ältesten Venusfigurinen, hat man diskutiert, ob sie eine Trancehaltung einnimmt oder auf frühe Wurzeln des Schamanismus verweist.

In ihrem äußerst aufschlussreichen Buch beschreibt Jutta Leskovar nicht nur diese drei paganen Religionen. Sie behandelt auch germanisches, osteuropäisches und antikes Neuheidentum. Im Abschnitt "Themen, Orte, Objekte" geht es um archäologische Inhalte, "Völker", Gottheiten, Jahresfeste, Kultorte, Objekte und Symbole. Abschließende Betrachtungen widmen sich "Naturnähe - Naturferne" sowie Reaktionen aus Wissenschaft und Kirche. Während Soziologen die Neuen Religiösen Bewegungen generell unter "Irrationalismusverdacht" stellen, verkörpern Christen und Neuheiden Weltbilder, die sich nicht grundlegender voneinander unterscheiden könnten. "Das Christentum prägt die westliche Kultur seit Jahrhunderten. Demgegenüber ist das Neuheidentum "Ausdruck einer individualisierten und sehr freien modernen Gesellschaft." Es propagiert "individuelle Freiheit, zu glauben und (rituell) zu handeln, verfügt über eine bestimmte Ethik ("Tu was du willst, solange du niemandem schadest") und hat so gut wie keine nennenswerten Hierarchien aufgebaut."

Jutta Leskovar studierte, lehrte und erforschte Ur- und Frühgeschichte in Wien und Großbritannien. Wissenschaftlich redlich trennt sie die zu analysierenden Elemente. Sie vergleicht Glaubensinhalte und Rituale mit archäologischen Befunden. Ihr Buch wertet nicht, zeigt aber Wertschätzung, ist kritisch, informativ und - in jeder Hinsicht lesenswert.