Christoph Frühwirth: Magisches Räuchern und gestohlene Maibäume#
Christoph Frühwirth: Magisches Räuchern und gestohlene Maibäume. Alpenländische Bräuche und Rituale im Jahreslauf. Servus Verlag Salzburg - Wien. 192 S., ill., € 25,-
Wenn in Büchern von "uralten" Bräuchen, Mythen, magischen Ritualen oder Vegetationszauber die Rede ist, schrillen bei aufgeklärten EthnologInnen die Alarmglocken. Viel zu viel wurde im 20. und 21. Jahrhundert über "Brauchtum" (ab-)geschrieben, Worte wie diese sind untrennbar mit unheilvollen Ideologien verbunden. Sie haben ein zähes Leben und das Internet verhilft ihnen zu explosionsartiger Verbreitung. Glücklicherweise kommt so etwas im Buch von Christoph Frühwirth nur ausnahmsweise vor (Stichworte: Scheibenschlagen, Karsamstag, Erster Mai, Schiachperchten). Der Autor mehrerer Bücher ist Journalist und Dramatiker. Er verfasste die Komödie "Der Blunzenkönig", die mit Karl Merkatz verfilmt wurde und engagiert sich im "europäischen Kulturdorf Reinsberg".
Die beschriebenen Bräuche im Jahreslauf spielen sich im Dreieck Wien, wo der Autor 1972 geboren wurde, dem Niederösterreichischen Mostviertel, wo er aufgewachsen ist und seinem Wohnort Purbach im Burgenland ab. Christoph Frühwirth umrahmt die fast 50 Kapitel mit persönlichen Überlegungen. "Rituale geben uns Halt, stiften Sinn und Gemeinschaft", ist er überzeugt. In der Einleitung erinnert sich der Autor an Geschichtenerzählen, Brotbacken, gemeinschaftliches Essen und den ländlichen, vor der Natur bestimmten, Zyklus des Jahres.
"Das Bauernjahr ist geprägt von einer ritualisierten Festkultur und der Verehrung von Schutzheiligen. Die Feste dienen der Erholung und Geselligkeit," beginnt das erste Kapitel. Maria und Josef, Anna, Antonius, Barbara, Blasius, Christoph, Florian, Leonhard und andere Nothelfer sollten den Landwirten bei der Bewältigung ihres Alltags beistehen. Man erfährt viel von harter Arbeit, wie Düngen und Pflügen im Frühjahr, Heu mähen und Tätigkeiten auf der Alm im Sommer, Flachsbrecheln und Schafschur im Herbst, Spinnen und Hausarbeiten im Winter.
Auch wenn das alles - für moderne StädterInnen oft unvorstellbar - anstrengend war, hatten die Bauernfeiertage ihren festen Platz im Jahreslauf. Dem feucht-fröhlichen Jahresbeginn folgt das Sternsingen am Dreikönigstag. (Als Anregung für eine - hoffentlich bald folgende - Neuauflage: Das Kinisingen und andere Bräuche zählen nicht zum "Weltkulturerbe", sondern zum Immateriellen Kulturerbe der UNESCO.) Maria Lichtmess und der Valentinstag verweisen auf den Frühling. Im Fasching ging es lustig zu. Auch hier eine persönliche Reminiszenz: Nach dem tragischen Tod eines Feuerwehrmannes erschien dem Autor an einem Faschingdienstag Heiterkeit unangebracht. Er kam als einziger in Zivil, und nicht kostümiert, ins Gasthaus. Doch hatte er die Rechnung ohne den Wirt gemacht, der ihn kurzerhand als Koch verkleidete und in die Küche kommandierte. Das erinnert doch an das weise Lebensrezept der heiligen Theresia von Avila: " Wenn Fasten, dann Fasten, wenn Rebhuhn, dann Rebhuhn."
Das Kirchenjahr spielt bei den Erklärungen der Feste die ihm zukommende, wesentliche Rolle. Breiten Raum nimmt der Almabtrieb rund um Matthäi (21. September) ein. Es war "das wichtigste Herbstereignis für den Gebirgsbauern". Der Originaltext stammt vom Tiroler Historiker Ludwig von Hörmann aus der vorigen Jahrhundertwende. Das Überleben der Getreidebauern hing von der Ernte ab. Daher begingen sie den Erntedank mit einer Festmesse und einem Umzug. im November folgen Allerheiligen, Allerseelen, Martini und der Tag des Pferdepatrons St. Leonhard. Dann setzt der Advent ein, in dem Nikolo, Krampus und Strohschab ihren großen Auftritt haben. Christliches würdigt der Autor in den Kapiteln über den Rosenkranz, Heiligen Abend und Christtag. Weltliches und Superstition spiel(t)en am Thomastag und zu Silvester eine Rolle.
"Drei Rituale sind Eckpfeiler unseres Lebens: die Taufe, in die wir in die Gemeinschaft aufgenommen werden, die Hochzeit, bei der wir einen Bund fürs Leben eingehen, und das Begräbnis als Endpunkt und Neubeginn." Hier erzählt Christoph Frühwirth eine berührende Begebenheit. Er war beim befreundeten Karl Merkatz zu Besuch, als dieser vom Tod seiner Schwester erfuhr. Der Schauspieler zündete eine Sterbekerze für sie an und kredenzte dem Gast einen speziellen Rotwein. "Mit diesem Lieblingswein der Schwester tranken wir auf das Wohl und auf das erfüllte Leben, das sie in den Worten ihres tiefgläubigen Bruders nun im Himmel weiterführen würde." Den Abschluss bildet "Reden übers Leben", ein Interview mit Karl Prüller aus Reinsberg über Sinn und Bedeutung von Ritualen und Bräuchen im täglichen Dorfleben.
Die Fotos im Buch sind perfekt inszeniert. Viele zeigen fesche Mitglieder von Trachtenvereinen in stimmungsvoller Umgebung. Abgesehen von den wenigen erwähnten Irrtümern - die wohl der Erwartungshaltung der Leserschaft entgegenkommen - ist es Christoph Frühwirth gelungen, humorvoll und emotional ein modernes, lesenswertes Buch "zum Nachschlagen und Innehalten" zu schaffen.