Christian Hütterer: Kunst und Stahl #
Christian Hütterer: Kunst und Stahl. Die Dynastie der Kupelwieser von Piesting in die Welt hinaus. Kral-Verlag Berndorf. 184 S. ill., € 29,90
Man kennt Leopold Kupelwieser (1796-1862) als einen der bedeutendsten Maler seiner Zeit. Berühmt sind seine Fresken in den Wiener Kirchen St. Johann Nepomuk in der Leopoldstadt und in Altlerchenfeld. Außerdem schuf der, zur Gruppe der Nazarener zählende, Künstler zahlreiche Altarblätter und Heiligenbilder für die Gotteshäuser der Monarchie. Er malte Kaiser Franz I. (II.) im Krönungsornat und porträtierte adelige und prominente Zeitgenossen. Als Mitglied des Freundeskreises um den Komponisten Franz Schubert fertigte er Aquarelle, wie die Besuche der Schubertianer im Schloss Atzenbrugg, an. In den 1820 er Jahren lernte er als malender Reisebegleiter eines russischen Adeligen Italien kennen, wo er im Lauf von fast eineinhalb Jahren die Sehenswürdigkeiten und Kunstwerke studierte. Besonders beeindruckten ihn die Werke des Frührenaissance-Malers Fra Angelico. Kupelwieser nannte den Dominikaner, den "wohl größten Maler, den es je gegeben hat".
Das äußerst lesenswerte Buch des Historikers Christian Hütterer ist der Dynastie der Kupelwieser gewidmet. Im Vorwort stellt der, wie Leopold Kupelwieser im Markt Piesting (Niederösterreich) geborene, Autor fest, zwar sei schon eine Reihe von Studien über Personen der Familie veröffentlicht, "eine umfassende Darstellung der Familiengeschichte bisher aber noch nicht geschrieben" worden. "Das vorliegende Buch soll diese Lücke füllen und einen Einblick in die Geschichte einer Familie geben, in der sich zudem die Geschichte Österreichs im 19. und 20 Jahrhundert widerspiegelt. Der rasante Aufstieg der Familie gehört ebenso dazu wie finanzielle Nöte … auch dunklere Kapitel sind neben den strahlenden Seiten in Kunst, Wissenschaft und Wirtschaft ein Teil davon."
Die Ursprünge des Clans liegen in Südtirol. Erstmals wird 1564 Hans Kupelwieser aus der Ortschaft Kuppelwies im Ultental erwähnt. 1779 kauften Johann und Josef Kupelwieser in Piesting eine Eisenwarenfabrik, die im Zuge der napoleonischen Kriege in Schwierigkeiten geriet. Danach wagten die Brüder in Wien einen Neustar.t Leopold, der schon als Zwölfjähriger die Akademie der bildenden Künste besuchen durfte, verdiente sich nach dem Tod des Vaters sein Studiengeld durch das Bemalen von Geschirr in der elterlichen Firma. Mit 30 Jahren heiratete er die Beamtentochter Johanna Luz. Das Ehepaar hatte zehn Kinder. Drei seiner Söhne, Franz (1830-1903), Carl (1841-1925) und Paul (1843-1919) machten Karriere und hatten "beträchtlichen Einfluss auf das öffentliche Leben in der österreichisch-ungarischen Monarchie."
Franz Kupelwieser absolvierte die Montanuniverität in Leoben, deren Direktion er schließlich übernahm. Er war ein international anerkannter Bergbau-Experte und Reichsrats-Abgeordneter. Sein Sohn Franz Kupelwieser jun. (1862-1930) studierte ebenfalls Montanistik und war schon mit 29 Jahren Direktor der Stahlwerke der Familie Wittgenstein im tschechischen Althütten (Stari Hut) und Königshof (Kraluv Dvur). Er modernisierte die Fabriken und zeichnete sich durch soziale Einrichtungen für die Arbeiter aus. Einen ganz anderen Weg schlug sein Sohn Ernst (+ 1964) ein. Als Physiologe war er von der Nützlichkeit der Sojabohne als Eiweißlieferant überzeugt. Er baute in der Zwischenkriegszeit in Schwechat bei Wien eine Fabrik für das preiswerte "Edel-Soja" auf. Im Zweiten Weltkrieg wusste die Wehrmacht dessen Vorteile zu schätzen. 1944 wurde die Anlage durch einen Luftangritt zerstört.
Carl Kupelwieser war Rechtsberater in Karl Wittgensteins Metall-Imperium und profitierte von dessen Aufstieg. So konnte der Jurist, nachdem er bereits in Pörtschach (Kärnten) eine Villa erworben hatte, am Ostufer des Lunzer Sees (Niederösterreich) das Gut Seehof kaufen. Er entwickelte es zum Mustergut der Nutztierzucht. Seine Frau Bertha, geb. Wittgenstein, betrieb ebenfalls eine Landwirtschaft - wo erstmals in Österreich der Käsetyp Gervais hergestellt wurde. Der rasch zu Vermögen gekommene Carl Kupelwieser war sich seiner Verantwortung bewusst und unterstützte großzügig Sozial- und Bildungs-Einrichtungen. In Lunz richtete er eine biologische Forschungsstation ein. Diese wurde bis 1997 von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, dann als "WasserCluster Lunz" betrieben. Großes Interesse des Mäzens galt der Nuklearforschung. Er gründete in Wien das weltweit erste Radiuminstitut. Dort wirkte die Physikerin Lise Meitner, die maßgeblich zur Entdeckung der Kernspaltung beitrug. Den Chemie-Nobelpreis dafür erhielt jedoch ihr Kollege Viktor Franz Hess.
Paul Kupelwieser war der sechste Sohn von Leopold und Johanna Kupelwieser. Auch er studierte Montanistik in Leoben. 1868 übernahm er die Leitung der Stahlwerke in Ternitz (Niederösterreich). "Er zeigte Zeit seines Lebens Interesse an neuen Ideen", schreibt der Biograph Christian Hütterer. 1872 übersiedelte Kupelwieser mit seiner Frau nach Teplitz (Teplice, Tschechien), wo ein neues Stahlwerk baute. Es war das erste in Böhmen, das mit der Bessemer-Methode Stahl erzeugte und sich einen guten Ruf erwarb. Bald machte der große Börsenkrach weitere große Hoffnungen zunichte. Paul Kupelwieser konnte das Werk wieder in die Höhe bringen und verkaufte es an die Eigentümer der Fabrik in Witkowitz (Vitkovice, Tschechien), Wilhelm von Gutmann und Albert Rothschild, wobei er Direktor beider Fabriken wurde. Kupelwieser sanierte Witkowitz und gründete für die Arbeiter eine eigene Stadt, Neuwitkowitz. Bei seinem Abschied hinterließ er "einen florierenden und hoch profitablen Betrieb mit einem funktionierenden Sozialsystem, der in den folgenden Jahren noch weiterwuchs."
Nun überlegte Paul Kupelwieser, zu Gunsten seiner Kinder in die Landwirtschaft zu investieren und zugleich Österreich einen Dienst zu erweisen. Als die Brioni-Inseln an der Küste Istriens zum Verkauf standen, erwarb er die 7 km² große Inselgruppe um umgerechnet 1,3 Mio. €. Diese war unterentwickelt, und Malariaverseucht. Sofort wurde auch der neue Besitzer ein Opfer der Krankheit. Kaum genesen, begann er mit der grundlegenden Umgestaltung des Archipels. 35 km Straßen und ein Strand wurden gebaut, Wein, Obstgärten, Felder, Weiden, Wälder und eine Wasserleitung angelegt. Wesentlich war der Kontakt mit dem deutschen Mediziner Robert Koch, der seine Methode zur Ausrottung der Malaria erfolgreich anwandte. Villen und Hotels entstanden, "Schönheit und Luxus" konnten Einzug halten. Es fanden archäologische Ausgrabungen statt und der deutsche Tierhändler Carl Hagenbeck richtete einen Zoo mit exotischen Tieren ein. Sie sollten sich hier vor der Reise nach Hamburg akklimatisieren und dienten der Unterhaltung der illustren Gäste. Dazu zählten Künstler und Bürger ebenso wie Aristokraten.
Erzherzog Franz Ferdinand, der sich auf Brioni mit dem deutschen Kaiser Wilhelm II. traf, wollte die Insel selbst besitzen. Um das zu erreichen, setzte er den Eigentümer unter Druck. 1914 erlag der Thronfolger dem Attentat von Sarajewo, das zum Ersten Weltkrieg führte. Aus dem Urlaubsparadies Brioni wurde ein militärischer Stützpunkt. Nach dem Tod seiner Frau übersiedelte Paul Kupelwieser krankheitsbedingt nach Wien. In seinen letzten Lebensjahren erwies er sich als politischer Denker. "All die Vorschläge, die Paul Kupelwieser für die Gestaltung des neuen österreichischen Staates … vorbrachte, blieben allerdings ohne Reaktion, " schreibt Christian Hütterer. Er sieht den roten Faden durch die Geschichte der Familie die Bedeutung der Kunst. Zwei Ururenkel des Malers Leopold Kupelwieser, Hans Kupelwieser ( * 1948) und Virgil Widrich (* 1967) zählen zu den arriviertesten Künstlers Österreichs. Auf die Frage des Autors, "ob das Schaffen des Malers ihre eigene künstlerische Karriere beeinflusst habe, antworteten beide mit Nein."
hmw