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Yvonne Oswald: Zeitreise#

Bild 'Oswald'

Yvonne Oswald: Zeitreise. Photography through time. Verlag Anton Pustet Salzburg. 144 S. (Texte deutsch und englisch), ill., € 28,-

2024: Kulturhauptstadtjahr im Salzkammergut - und schon wieder ein Buch aus dem Salzburger Pustet-Verlag. Diesmal ist es eine unkonventionelle "Zeitreise" in deutscher und englischer Sprache. Es geht um "Tradition und Moderne, Althergebrachtes und Innovation", wie Linus Klumpner, Direktor der Mozart-Museen, die zukünftige Rolle Salzburgs definiert. Die internationale Stiftung Mozarteum ist "culture companion der Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl Salzkammergut 2024". Das Mozarteum fungiert, gemeinsam mit Yvonne Oswald, als Herausgeber des vorliegenden Bandes. Sie hat für die "Zeitreise" elf Künstlerinnen und Künstler aus Japan, den Niederlanden, Österreich, Ungarn, Polen, China, der Schweiz, Italien und der Slowakei eingeladen, aus historischen Fotografien "ein eigenes kleines Universum" zu schaffen.

Ausgangspunkt sind Albuminabzüge und kolorierte Glasdias aus der Zeit um 1900. Die meisten stammen, mit Ausnahme von Viktor Angerer (1839-1894), dem Bruder des Wiener k. k. Hofphotographen Ludwig Angerer, mit dem er ein Atelier betrieb, von fast vergessenen Lichtbildnern. Gewisser Bekanntheit erfreuten sich der Textilunternehmer und Heimatforscher Konrad Mautner (1880-1924) sowie der Geograph und Dachsteinbezwinger Friedrich Simony (1813-1896). Weitere Originale - von F. E. Brandt, Wilhelm Burger, Alois Elsenwenger, Hans Gielge, Michael Moser, Albert Rastl, Heinrich Schuhmann jun. - wurden als Fine Art Print reproduziert, ehe sie die modernen KünstlerInnen interpretierten, kommentierten und umkomponierten.

Yukimi Akiba (JP), Kim Boske (NL), Elisabeth Czihak (AT), Tamas Deszö (HU), Paweł Jaszczuk (PL), Zhang Kechun (CN), Patrick Lambertz (CH), Marco Lanza (IT), Stefanie Moshammer (AT), Yvonne Oswald (AT) und Zuzana Pustaiová (SK) verarbeiteten die alten Motive zu neuen bildlichen Erzählungen. Sie nähern sich dieser Aufgabe sehr individuell. Yukimi Akiba ist mit der Serie "Timeless knots" vertreten. Was auf den ersten Blick wie eine bunte Übermalung aussieht, sind hunderte französische Knotenstiche aus Seidenfäden. Die Künstlerin fühlt eine Verbindung zwischen sich und dem Blick des Fotografen und den Dargestellten von damals.

Zuzana Pustaiová hat sich ein Bild zum 80. Geburtstag Kaiser Franz Josephs vorgenommen. Heute feiert man Kaisers Geburtstag in Ischl als Touristenspektakel. Die Berufsfotografin kommentiert: "Früher kamen die Leute, um bei diesen Festlichkeiten ihrem Kaiser zu huldigen", jetzt wollen viele die kostümierten Darsteller des Herrscherpaares auf Handyfotos verewigen. "Die Absurdität dieser Situation wird durch Szenen hervorgehoben, in denen über allen Köpfen nur noch Mobiltelefone zu sehen sind. Ein plakatives Bild für den derzeitigen 'himmlischen Aufenthalt' in Ischl."

Zeitweise wird Ischl zum Touristenhotspot. Hallstatt ist es immer. Bekanntlich wurde der Ortskern der Marktgemeinde Anfang der 2010er Jahre in der chinesischen Provinz Guangdong nachgebaut. Inzwischen ist „Hallstatt See-Huizhou“ eine der meistbesuchten Attraktionen Südchinas geworden. Der Designer Zhang Kechun hat die Kopie im Schatten der Wohntürme für wohlhabende Chinesen abgelichtet. Am Overtourism in Hallstatt hat sich nichts geändert, im Gegenteil.

Die "Flinserl" in ihren außergewöhnlichen Kostümen und die als "Trommelweiber" verkleideten trinkfesten Männer sind charakteristisch für den Ausseer Fasching. Stefanie Moshammer, die Textildesign, Fotografie, Kultur- und Sozialanthropologie studiert hat, brachte den idealen Blick für ihre Milieustudien mit. Paweł Jaszczuk hat sich am Ausseer Kirtag fotografische Gedanken über Besucher und Besucherinnen gemacht: "Ich hatte das Gefühl, dass auch wenn Männer … sich selbst am stärksten vorkommen, die Frauen eigentlich viel stärker sind."

Die Ausstellungskuratorin und Buchherausgeberin Yvonne Oswald hat den polnischen Grafikdesigner bei seinen Recherchen begleitet. Außerdem bestieg sie den Dachstein auf den Spuren von Friedrich Simony. Sie nennt ihre Arbeiten "Dislocationen" und versucht, "das Wesentliche des Berges noch sichtbarer zu machen." Tamas Deszö stellt seine Serie von Fotos ohne Titel unter das Motto "Nachbilder". Wie auf einem Farbnegativfilm erscheinen sie in Komplementärfarben. Hier zeigt er Motive aus dem Ausseer Land in verfremdeter Buntheit.

Für den Filmer und Fotografen Patrick Lambertz hat der Andrang vor Mozarts Geburtshaus in Salzburg etwas Bühnenhaftes. Um ein Tableau im Sinne Rembrandts zu schaffen, brauchte er es nicht zu inszenieren, nur mit der Kamera zu beobachten. Dagegen wirkte das geschmückte Mozarthaus zum 100. Todestag 1891 feierlich und ehrwürdig. Elisabeth Czihak führt in das museal gestaltete Geburtszimmer des Komponisten. Bei ihren Überlagerungen folgt sie den Ideen der Kubisten und versucht aus verschiedenen Blickwinkeln die Aussage des Raumes zu komprimieren, "in seiner Atmosphäre, in seiner Wirkung und in der ganzen Geschichte, die in ihm steckt."

Marco Lanza nennt seine Interpretation der Fotos von Konrad Mautner "Ricreatione" - was im Italienischen sowohl "Wiedererschaffung" als auch "Erholung" bedeutet. Lanza nahm ein neues Framing der Fotos vor, die Mautner an seinem Erholungsort, Gössl am Grundlsee, zu Beginn des 20. Jahrhunderts angefertigt hatte. Kim Boske will in ihrer Serie "Reflections on Ebensee" zum Nachdenken anregen: "Diese Gewässer dienen als Leinwand wie als Spiegel, worin sich nicht nur die heitere Landschaft, sondern auch die tiefgründige Geschichte von Ebensee widerspiegeln."

Die im Buch vorgestellte Fotokunst zum Salzkammergut und zu Salzburg wird 2024/25 an drei Orten ausgestellt: Narzissendorf Zloam/Grundlsee, Mozart-Wohnhaus, Salzburg und Universalmuseum Joanneum, Graz. Die Ausstellung ist ist das erste große kuratorische Projekt der international tätigen Grafikerin und Fotografin Yvonne Oswald. Sie schreibt: "All diese Dislocationen, also Verwerfungen und scheinbaren Gegensätze zwischen damals und heute, zwischen historischer Fotografie und zeitgenössischer Interpretation lösen sich im Miteinander auf. … Das hier präsentierte Miteinander soll als Brücke verstanden werden und als Anerkennung all der großartigen Künster von damals sowie ihrer heutigen würdigen Nachfolgerinnen."

hmw