Wilma PFEIFFER, Walter STELZLE: Salz Macht Kultur#
Wilma PFEIFFER, Walter STELZLE: Salz Macht Kultur. Auf den Spuren des "weißen Goldes" zwischen Bad Ischl und Bad Reichenhall. Verlag Anton Pustet Salzburg. 208 S., ill. , € 25,-
Der handliche Reisebegleiter kommt gerade recht zum europäischen Kulturhauptstadt-Jahr im Salzkammergut. Die Touristikerin Wilma Pfeiffer und der Historiker Walter Stelzle laden ein zu einer kurzweiligen Lesereise zwischen Bad Ischl und Bad Reichenhall. Die "Geschichtenerzähler" haben ihr Buch mit Anekdoten gewürzt, mit Ausflugstipps angereichert und durchgehend illustriert. Märchen und Spezialthemen - wie der Saliera-Raub oder "Der Mann im Salz" - markieren Raststationen auf dem Weg von der Urgeschichte in die Gegenwart.
Vom 1541 in Salzburg verstorbenen Naturphilosophen Paracelsus stammt das bekannte Zitat "Nur die Dosis macht das Gift." - was auch für das Salz gilt. (10 Esslöffel am Tag wären für einen Erwachsenen tödlich). Über dieses sagte der Arzt. "Der Mensch kann nicht ohne Salz sein … Wo nicht Salz ist, ist nichts Bleibendes." Schon ein Jahrtausend vor ihm hatte der römische Gelehrte Cassiodor festgestellt: " Auf Gold kann man verzichten, nicht aber auf das Salz." Kein Wunder also, dass man den vielseitig verwendbaren Stoff "weißes Gold" nannte. Es brachte seinen Besitzern, den Habsburgern, Wittelsbachern und Salzburger Erzbischöfen, die über das Monopol verfügten, Macht und Geld. Von Mauten und Zöllen profitierten Städte und Märkte, Angehörigen einer Reihe von Berufen sicherte Salz den Lebensunterhalt.
"Geschichte und Geschichten um das Salz reichen weit in die Vergangenheit zurück. Sie haben das wirtschaftliche, soziale und politische Leben in weitem Umkreis beeinflusst", schreibt das Autorenduo. "Vor etwa 3000 Jahren zum Beispiel entwickelte sich aus einer kleinen keltischen Siedlung am Hallstätter See eine Kultur, die über große Teile Europas wirkte, einer ganzen Epoche, der Hallstattzeit, den Namen gab und auf dem Fund und dem bergmännischen Abbau von Salz basierte. Salz machte die 'Hallstätter' reich." Bis in die Neuzeit war Salz ein begehrtes Mittel zum Würzen und zur Konservierung - in einer agrarischen Gesellschaft praktisch das einzige Lebensmittel, das man nicht selbst herstellen konnte und kaufen musste. Dementsprechend kostbar und mit abergläubischen Vorstellungen umgeben war es: Salz verschütten brachte Unglück. Hingegen sollte gemeinsam verzehrtes Brot und Salz für die Zukunft Gutes verheißen.
Sprüche wie "Salz und Brot macht Wangen rot" (erhalten gesund) sind noch bekannt. Wenn auch die heilende Wirkung von Salz bis heute wichtig bleibt, ist doch die Industrie zum Hauptabnehmer geworden: "Kaum ein Kunststoff, der nicht auf Chlor als Bestandteil des Salzes basiert - ohne Salz gäbe es daher keine funktionsfähigen Computer", erinnern die Autoren. Als Verwendungszwecke nennen sie u. a. Streusalz und Verbindungen wie Chlorgas, Silicium als Grundlage für Mikroelektronik, PVC (der meist verwendete Kunststoff), 10.000e Arzneimittel, Dünger etc., etc. Nur 5 Prozent dienen der menschlichen Ernährung. Weltweit werden jährlich 290 Millionen Tonnen NaCl gefördert - das entspricht etwa dem Gewicht der gesamten Bevölkerung. Dies und vieles andere Interessante erfährt man im ersten Kapitel "Salz und Wissen". Der zweite Abschnitt trägt den Titel "Macht und Wege". Hier geht es um Wissenswertes über die Methoden der Salzgewinnung, die wichtige Rolle, die Holz dabei spielte, Salzstraßen und Schiffszüge.
Der dritte Teil "Kultur und Geschichte" ist der umfangreichste. Er führt durch das Salzkammergut vom Traunfall nach Bad Ischl, und über Hallstatt in das Ausseerland. Zu jedem Ort gibt es einen kompakten Serviceteil. Von dem, an der Gemeindegrenze von Desselbrunn und Roitham gelegenen, Traunfall, kann man einen Abstecher in das "Schiffleutmuseum" in Stadl-Paura unternehmen. Am Südende des Traunsees trafen in der Saline von Ebensee die Soleleitungen aus Hallstatt, Bad Ischl und dem Ausseerland zusammen. Heute werden hier 1,2 Millionen Tonnen Salz im Jahr - oder 150 Tonnen pro Stunde produziert. In Gmunden vermittelt das Kammerhofmuseum die Geschichte der Salzhandels- und späteren Kurstadt. In Traunkirchen ist die Fischerkanzel in der Klosterkirche sehenswert. Breiter Raum wird der Kulturhauptstadt Bad Ischl gewidmet, mit Anekdoten, vor allem über Kaiser Franz Joseph. Wenn man diesen glauben darf, verdankte er der Stadt sogar seine Existenz. Seine Mutter, Sophie von Bayern, galt als unfruchtbar. Nach der Kur in Bad Ischl soll sie dem Thronfolger und seinen Brüdern das Leben geschenkt haben. (Der abwertende Hinweis auf Franz Josephs Onkel, Ferdinand I. wäre verzichtbar gewesen. Obwohl gesundheitlich belastet, regierte er doch von 1835 bis 1848. Er sprach fünf Sprachen, war an Naturkunde und Technik interessiert und erwies sich als wohltätig. Die dankbare Bevölkerung gab ihm daher den Beinamen "der Gütige". Nach der Abdankung zugunsten seines Neffen spottete man zwar über "Gütinand den Fertigen", doch hätte wohl niemand gewagt, ihn, wie hier kolportiert, "Nandl, der Trottel" zu nennen.) Der 800-Seelen-Ort Hallstatt wird täglich von 10.000 Touristen überschwemmt, "Ein Ort von bizarrer Schönheit, 'hingeklebt' an eine steile Bergwand, die schroff in den gleichnamigen See abfällt. … 1997 wurde Hallstatt von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt." Das Ausseerland zählt zur Steiermark "und führt in manchen Dingen ein von einer in sich geschlossenen Sozialstruktur geprägtes Eigenleben." Für Salzburg gilt "nomen est omen". Wesentliche Grundlagen für die Erfolgsgeschichte einer der schönsten Städte der Welt bildeten die Salzach als zentraler Transportweg sowie die reichen Salzlagerstätten des Dürrnbergs oberhalb Halleins. Hallein und der Dürrnberg laden mit den "Salzwelten" , dem ältesten Besucherbergwerk der Welt, mit dem "Keltendorf Salina" zum Besuch ein. Das Keltenmuseum Hallein ist eines der größten seiner Art in Europa.
Das lesenswerte Buch überschreitet die Staatsgrenzen und widmet sich auch dem"bairischen Salz". in Deutschland bieten sich zunächst das Holzknechtmuseum Ruhpolding, das Museum Goldener Steig in Waldkirchen sowie Bad Reichenhall und seine Salinen für Besuche an. In Berchtesgaden sind das Schaubergwerk und der Stollenweg als Ausflugsziele aufgelistet. Der Berchtesgadener Stollenweg ist einer von sechs Soleleitungswegen , die auf den Spuren des weißen Goldes angelegt wurden. Der 2015 eröffnete Fernwanderweg "SalzAlpenSteig" führt von Prien nach Obertraun. Der Soleleitungsweg in Ramsau misst rund 10,5 km. Der Soleleitungsweg von Hallstatt nach Ebensee folgt der 1607 erstmals durchgehend in Betrieb genommenen Rohrleitung und gliedert sich in vier Etappen. Der Soleleitungsweg "Via Salis" von Bad Ischl nach Perneck informiert in 23 Stationen über Geologie, Salzbergbau, Schifffahrt und Sozialgeschichte. Auch einen Salinen-Radweg gibt es. Er führt über 130 km von Rosenheim zum Simssee und Chiemsee, nach Traunstein, Teisendorf , Piding, Bad Reichenhall und Berchtesgaden bis nach Hallein.
Anfang des 19. Jahrhunderts durchwanderte der k.k. Forstbeamte Johann Steiner neun Jahre lang das Salzkammergut. Seine Erlebnisse erschienen erstmals 1820 in einem 400-seitigen Taschenbuch. Weitere Auflagen seines "Reisegefährten" folgten 1829 und 1832. Inzwischen hatte sich in der Region vieles geändert. " Dort, wo vor kurzem ein unbeachtetes Heulager stand, imponirt nun ein herrliches Posthaus … wo die dumpfe Holzhütte Faulungsgerüche spendete, strömt nun aus dem niedlichen Kaffeehause lockendes Aroma …" Der Reiseführer von Wilma Pfeiffer und Walter Stelzle ist ein Jahrhundert jünger. Sie beschließen ihn mit einem Informativen Verzeichnis der verwendeten Fachausdrücke. und Überlegungen zu einem geplanten "Kulturkammergut". Über Bad Ischl im Kulturhauptstadtjahr 2024 schreiben sie, es sei "ein Urlaubsort für Alt und Jung zugleich. In vielen Bereichen mögen die Gäste unterschiedliche Ansichten oder körperliche Voraussetzungen haben, doch in die Therme gehen alle gerne: zum Entspannen, Vergnügen, oder auch, um sich verwöhnen zu lassen. Gerade im Salzkammergut setzt man dabei auch auf die 'wohltuende Kraft von Salz und Sole.' "