Elisabeth Schöffl-Pöll, Otto J. Schöffl, Helmut Hörmann: Bäuerliche Gegenstände erzählen.#
Elisabeth Schöffl-Pöll, Otto J. Schöffl, Helmut Hörmann: Bäuerliche Gegenstände erzählen. Kral Verlag Berndorf. 136 S., ill., € 26,90
"Alltagskultur" war ein besonderes Interessengebiet der "neuen" Volkskunde, die vor nun auch schon mehr als einem halben Jahrhundert entstand. Inzwischen zum "Vielnamenfach" mutiert, haben sich nicht nur die Bezeichnungen geändert (Empirische Kulturwissenschaft, Kulturanthropologie, Europäische Ethnologie) sondern auch die Forschungsfelder. Damals stand die Lebensweise der Arbeiter und anderer unterprivilegierter Schichten im Mittelpunkt. Zuvor war es, seit der Zeit der Romantik, um die bäuerliche Kultur mit ihrer "Volkskunst" gegangen. Deren Zeugnisse fanden in der Nachkriegszeit wieder bei vielen Städtern Aufmerksamkeit. Clevere Antiquitätenhändler kauften Bauern ihre alten Möbel und Geräte billig ab und lieferten sie an zahlungskräftige Kundschaft. Für diese hatten die funktionslos gewordenen Objekte weniger historischen, als dekorativen Wert. Bemalte Kästen mussten als Hausbar herhalten, Wagenräder wurden zur Zierde von Balkonwänden aufgehängt.Vieles landete gleich auf dem Mistplatz.
Glücklicherweise hat man nicht alle Zeugnisse der Vergangenheit vernichtet, sondern in öffentlichen oder privaten Museen gesammelt. Die Schriftstellerin Elisabeth Schöffl-Pöll und der Kulturschaffende Otto J. Schöffl betreiben ihr Museum im Weinviertel. Einen Teil ihrer Schätze stellen sie in diesem Buch vor. Es ist bereits das 43. des Ehepaares und erscheint passend zum 80. Geburtstag der Autorin. Sie entstammt einer bäuerlichen Familie, die 1938 aus Edelbach im Waldviertel ausgesiedelt wurde, als das Dorf dem späteren Truppenübungsplatz Allentsteig weichen musste. Dr. Otto J. Schöffl wuchs in der elterlichen Mühle in Roseldorf an der Schmida auf. Neben und nach seiner Tätigkeit am Gymnasium Hollabrunn sind Mühlen sein Spezialgebiet, er gründete die Mühlenakademie und ähnliche Vereine. "Ich habe es mir zur Aufgabe gestellt, das alte Mühlenhandwerk in den Köpfen nicht sterben zu lassen … Immerhin wurde das Mühlenhandwerk 2019 in die UNESCO-Liste des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen," schreibt er. Der Bildautor Helmut Hörmann, ebenfalls Pädagoge, entdeckte die Liebe zur ländlichen Kultur bei Besuchen seiner Großeltern in Niederösterreich. Als begeisterter Fotograf rückt er die einst alltäglichen, nun raren Objekte des Alltags für das hübsche Buch ins rechte Licht.
In diesem "erzählen" nicht nur "bäuerliche Gegenstände" ihre Geschichte(n), auch die beiden Autoren bringen viel an persönlichen Erinnerungen ein. Diese umfassen die Laterne auf dem Pferdewagen ebenso wie die Tabakfädelmaschine, den Steyr-Traktor und den VW-Pritschenwagen. Otto Schöffls Vater brachte als Gärtnermeister Tabak als neue Kulturpflanze ins Weinviertel. "Die Tabakarbeit war sehr intensiv. Die Blätter mussten einzeln gepflückt und dann auf Schnüre händisch aufgefädelt werden. Diese Schnüre wurden im Stadel hoch oben zum Trocknen mühsam aufgehängt. … In den Weihnachtsferien wurden die Tabakblätter dann nach Qualitätsklassen getrennt in Kisten verpackt und nach Krems in die Tabakfabrik gebracht." Bei der Arbeit halfen Kinder ebenso fleißig mit wie Nachbarinnen. Die Fädelmaschine erleichterte die Produktion. Sie befindet sich nicht mehr im Familienbesitz, sondern im Traktorenmuseum Windpassing.
Kleinere Objekte blieben in der Pöll-Sammlung, wie altes Werkzeug. Ein Müller beherrschte neben seiner Profession eine Reihe weiterer Handwerke, wovon Hobel, Bohrer und anderes Zeugnis ablegen. Die Mühle, die Otto Pölls Großvater betrieb, war eine eigene Welt, welche die Besucher faszinierte. Schon als Kind führte er sie durch die geheimnisvollen Räume und zum fünf Meter hohen Wasserrad. "Ich wusste bald, was meine Gäste von mir erwarteten, und das bekamen sie dann auch reichlich." Seine Frau, deren Eltern ein Gehöft an der Grenze zwischen Wald- und Weinviertel erwarben, sammelt u. a. Hausrat, den viele heute nicht mehr kennen: Nussreibe, Schmalztonne, Kaffeemühle, Simperl, Stopfholz und Nadelpolster, Kastenstreifen, Stagel-Bügeleisen, Waschrumpel oder Papierpresse. Auch die Kinderwelt kommt im Privatmuseum nicht zu kurz. Es bewahrt selbst gemachtes Spielzeug, Setzkasten für Leseübungen oder Kasperltheater vor dem Vergessenwerden.
Fast vergessen ist der Brauch der Wallfahrten. Als Erinnerung und Souvenir brachte man Devotionalien, wie Wachsstöcke oder Weihwasserkessel, mit. Wachsstöcke waren dünne Wachsschnüre mit einem Docht, die um einen Holzkern gewickelt waren. Die Vorderseite trug Verzierungen wie Bilder der Wallfahrtskirche oder von Heiligen, kleine bunte Wachsblüten und Dekorationen. Den schönen Kerzenersatz stellten die Frauen beim sonntäglichen Kirchenbesuch auf die Lehne der vorderen Sitzbank und zündeten ihn an. War eine Reihe abgebrannt, wurde der Wachsstock umgedreht und die nächste Reihe entzündet. In jedem Haushalt befand sich ein Weihwasserkessel. Vor dem Schlafengehen machte man ein Kreuzzeichen mit Weihwasser. "Ein Priester belehrte uns, wenn man dreimal Weihwasser auf den Boden spritzte, würde das den Verstorbenen dienen", erinnert sich Elisabeth Schöffl-Pöll. "Ich selbst machte von dieser Geste reichlich Gebrauch, starb doch mein über alles geliebter Vater, als ich dreizehn Jahre alt war."
Eine besondere Rolle spielt im Weinviertel die Kultur der Kellergassen, die den Besuchern von zertifizierten FührerInnen vermittelt wird. Elisabeth Schöffl-Pöll ist eine von ihnen. Es macht sie stolz, dass die "Weinviertler Kellerkultur" in die österreichische UNESCO-Liste des Immateriellen Kulturerbes Aufnahme fand. (Stichworte: Köllamaunn, Köllastund, Köllapartie, Köllajausn). Den Kellerschlüssel übergaben den Männer feierlich ihren männlichen Nachfahren. "Frauen hatten in Kellern und Presshäusern außerhalb der Weinlesezeit wenig verloren, sie durften allenfalls die Presshäuser weißen oder Zubringerdienste leisten." Die typischen Kleidungsstücke der Weinbauern waren eine blaue Halbschürze ("Firta") und eine Kalmuck-Jacke. Dieser braun-weiß karierte Stoff "wurde ursprünglich von Donautreidlern als Pferdedecken in unsere Gegend gebracht," weiß die Kellergassenführerin und erzählt von einem besonderen "Haustier", der Kellerkatze. "Den schwarzen Schimmel, der dem weichen Fell einer Katze gleicht, finden wir in der Kellerröhre. Die Kellerkatze hat sich als Symbol des Weinviertels etabliert."