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Florian Sedmak: Dickschädels Reisen#

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Florian Sedmak: Dickschädels Reisen. Durch Oberösterreich mit Anton Bruckner. Verlag Anton Pustet Salzburg. 272 S., € 25,-

Anton Bruckner (1824-1896) war ein Reisender, wäre es nach ihm gegangen, sogar ein Weltreisender. Er hätte - nach dem Erfolg der Österreichisch-Ungarischen Payer-Weyprecht-Expedition zum Nordpol (1872-1874) gerne an einer solchen teilgenommen. Mexiko war sein Sehnsuchtsort. Bruckner wollte sich - ehe Kaiser Maximilian von der republikanischen Armee erschossen wurde - als Hoforganist bewerben. Tatsächlich unternahm der Komponist und Orgelvirtuose Konzertreisen nach Nancy und Paris, feierte in der Londoner Royal Albert Hall und im Crystal Palace Erfolge, konzertierte in Karlsbad, kurte in Marienbad, besuchte Richard Wagner in München und Bayreuth, wohnte in Berlin der Aufführung seiner Siebten Sinfonie bei und besuchte Budapest, um eine Erstaufführung von Franz Liszt zu hören. Weitere internationale Stationen waren Zürich, Genf, Prag und Berlin. Mit 44 Jahren übersiedelte der Meister nach Wien, wo er fast die zweite Hälfte seines Lebens verbrachte.

Das vorliegende Buch handelt von 37 Orten in Bruckners Heimatbundesland Oberösterreich: Ansfelden, Attersee, Bad Goisern, Bad Ischl, Bad Kreuzen, Eferding, Enns, Gmunden, Grein, Hörsching, Kirchdorf an der Krems, Klaus an der Phyrnbahn, Kremsmünster, Kronstorf, Leonding, Linz, Luftenberg an der Donau, Micheldorf, Neufelden im Mühlkreis, Ottensheim, Perg, Ried im Innkreis, Schlierbach, Schwanenstadt, Sierning, St. Florian, St. Marienkirchen an der Polsenz, Steyr, Steyregg, Ternberg, Vöcklabruck, Wels, Wilhering, Windhaag bei Freistadt, Wolfern. Florian Sedmak, der sich als Punkrocker im Vorruhestand, Texter und Qui-Gong-Lehrer charakterisiert, hat sich dort auf Bruckners Spuren begeben. Er tut dies in unkonventioneller Weise. Das zeigen schon Titel und Cover des - sympathisch kleinen -Buches. Auf dem Umschlagbild trägt der "so wunderliche wie willensstarke Landlergeiger, Lehrer, Sinfoniker, Tourist und Organist" eine Linzer Goldhaube auf dem kurz geschorenen Kopf. Die Orte sind nicht alphabetisch, sondern chronologisch geordnet, auf Illustrationen, die man dazu erwarten könnte, wird weitgehend verzichtet. Der informelle Streifzug zu den Lebensstationen und Wirkensstätten Bruckners ist als assoziativer "unterhaltsamer Brückenschlag in die Gegenwart" angelegt.

Etwas sonderbar mutet der Einstieg in den Geburtsort Ansfelden an. Nicht vom musealisierten Geburtshaus, das im Jubiläumsjahr zum 200. Geburtstag Schauplatz der "OÖ KulturEXPO" und dem interaktiven Hörraum mit dem weltweit größte Bruckner-Tonarchiv wird, ist die Rede. Vielmehr hat der Autor in der Schweiz ein Horoskop samt "Analyse der karmischen Bestimmung" bestellt, das sich auf 33 Seiten an Anton Bruckner wendet. Leicht festzustellen ist der 1974 entdeckte "Barnum-Effekt". (Versuchspersonen bekamen ein Horoskop mit dem selben Text. Alle fanden sich darin wieder.) Im konkreten Fall heißt es, neben Zutreffendem, auch: "Seien Sie dabei auf der Hut, dass Sie keinen Raubbau an Ihren Kräften treiben." Schließlich wird auf die Wichtigkeit fundierter Wissensaneignung hingewiesen, "die es Ihnen ermöglicht, Ihre Fähigkeiten auch kreativ zu nutzen und zu einer echten Autorität zu werden."

In Wolfern, damals Losensteinleiten, waren die Großtante und die Mutter Anton Bruckners im Pfarrhof als Haushaltshilfen tätig. Der Komponist soll bei Besuchen der Tante "glücklichste Zeiten" erlebt haben. Der Autor erzählt in diesem Kapitel aber mehr vom Altpfarrer und dem ihm geschenkten Wunschkennzeichen als vom Komponisten. Bruckners Eltern brachten ihr Ältestes von elf Kindern bei der Familie seines Cousins und Firmpaten unter. Johann Baptist Weiß (1814-1850) war in Hörsching Lehrer, Organist und Komponist. Er unterrichte den zehn Jahre jüngeren Anton nicht nur nach dem Volksschullehrplan, sondern auch in Musiktheorie, Orgel- und Geigenspiel. Der Jugendliche konnte nur kurz bei den Verwandten bleiben, weil sein Vater schwer erkrankte. Nach dessen Tod erreichte die Mutter die Aufnahme des musikalisch gebildeten 13-Jährigen als Sängerknabe im Stift St. Florian. Nach wenigen Jahren schloss er die Schule als Jahrgangsbester ab und begann in Linz die Ausbildung zum Schulgehilfen. Diesen Beruf übte er in Windhaag bei Freistadt, Kronstorf bei Steyr und St. Florian aus. Dort wurde er auch zum Privatlehrer der Sängerknaben und Stiftsorganisten. Mit 32 Jahren erhielt Bruckner die Bestellung zum Domorganisten in Linz. Als Chormeister der dortigen Liedertafel "Frohsinn" wirkte er bei der Linzer Erstaufführung von Richard Wagners "Tannhäuser" mit. Zu den bekannten Eigenheiten des Meisters zählten sein stetes Streben nach Perfektion und Anerkennung und sein Zwang, Prüfungen abzulegen. Mit 43 Jahren war er "innerlich zusammengebrochen", litt an Wahnvorstellungen und musste sich in die Nervenheilanstalt Bad Kreuzen begeben. Der Zustand besserte sich, und im folgenden Jahr kehrte der Komponist zu einem freiwilligen Kuraufenthalt ins Mühlviertel zurück. Die Übersiedlung nach Wien stand bevor. Die k. k. Hofmusikkapelle hatte seine Aufnahme bewilligt, die Gesellschaft der Musikfreunde die Anstellung als Professor für Harmonielehre, Kontrapunkt und Orgelspiel an ihrem Konservatorium beschlossen. 1886 stand der 62-Jährige auf dem Gipfel seiner Karriere. Die Siebte Sinfonie wurde 25 Mal in Österreich, Deutschland und den USA aufgeführt. Mit dem Ritterkreuz des Franz-Josephs-Ordens ausgezeichnet, erhielt er Audienz beim Kaiser. Einige Jahre später spielte Anton Bruckner bei der Hochzeit von Erzherzogin Marie Valerie und Erzherzog Franz Salvator in der Pfarrkirche von Bad Ischl. "Der Kaiser selbst ist davon so angetan, dass Bruckner zum anschließenden Diner im Hotel Post eingeladen wird" und eine Remuneration im Wert von 1750 € erhielt. Bald verschlechterte sich der Gesundheitszustand des Komponisten. Er starb 72-jährig in Wien und wurde wunschgemäß in der Gruft unter der großen Orgel in der Stiftskirche St. Florian beigesetzt.

Sein originelles Buch, so stellt Florian Sedmak einleitend fest, "ersetzt keine seriöse Brucknerbiografie". Dafür verweist der Autor auf das zum Jubiläumsjahr - ebenso im Pustet-Verlag - erschienene Werk "Anton Bruckner". Vielmehr versteht er es als Einladung, sich "an die Spuren eines Menschen zu heften, den man nicht zwingend mögen muss, aber nur schwerlich uninteressant finden kann."

hmw