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Johann-Philipp Spiegelfeld, Martin S. Pusch: Herrschaftszeiten#

Bild 'Spiegelfeld'

Johann-Philipp Spiegelfeld, Martin S. Pusch: Herrschaftszeiten. Johann-Philipps Schlossbesuche. Amalthea Verlag Wien. 270 S. ill., € 30,-

Im Herbst 2020 starteten der ORF-Regisseur Martin S. Pusch und der AUA-Pilot Johann-Philipp Spiegelfeld einen Versuchsballon. Sie planten eine Fernsehserie über einige der schönsten Schlösser Österreichs. Der Titel war rasch gefunden: "Herrschaftszeiten". Als Moderator sollte der studierte Historiker aus adeliger Familie (früher hätte man ihn mit "Erlaucht" ansprechen müssen) Geschichte und Geschichten auf Besuchen bei seinen GastgeberInnen erzählen. Für Konzept, Buch und Regie zeichnet der - u. a. bei den "Seitenblicken" tätige - Martin S. Pusch verantwortlich. Der Versuchsballon stieg in unerwartete Höhen. Der Probesendung (branchenintern "Pilot" genannt) überzeugte nicht nur die Fernseh-Verantwortlichen, die Serie erwies sich auch als Quotenerfolg. "Herrschaftszeiten" erlangte mit einer Reichweite von durchschnittlich 595.000 ZuseherInnen 22 Prozent Marktanteil. Es ist ein genialer Mix, den die beiden Herren in bisher drei Staffeln mit 17 Folgen realisiert haben: Zu Gast auf dem Stammsitzen ehemaliger Adelsfamilien erfährt das Publikum, sie in der heutigen Zeit in Österreichs Schlössern leben. Bei Privatführungen hinter die sonst meist verschlossenen Türen der imposanten Anwesen erfährt man Interessantes und Spannendes über die Bauwerke, ihre Kunstschätze sowie deren BesitzerInnen und ihre Familien. In sympathisch-origineller, persönlicher Weise vermittelt der Moderator historische Kuriositäten, gespickt mit unterhaltsamen Anekdoten. Nachdem die Serie "den Olymp der österreichischen Fernsehlandschaft " erklommen hat, darf das reich illustrierte Buch dazu nicht fehlen. Es bringt ein Wiedersehen mit allen Schauplätzen in sechs Bundesländern, je fünf Schlössern in Niederösterreich und in der Steiermark, vier in Oberösterreich und je eines im Burgenland, in Tirol und Südtirol. "Greillenstein ist wahrscheinlich eines der schönsten Renaissanceschlösser Niederösterreichs, wenn nicht ganz Österreichs", schreibt Johann-Philipp Spiegelfeld. Zwölf Kilometer westlich von Horn gelegen, geht es auf eine Wehrburg von 1313 zurück und befindet sich "seit unglaublichen 490 Jahren, seit 1534" im Besitz der Familie Kuefstein. Im reformatorischen Zeitalter waren ihre Angehörigen prominente Protestanten. Hans Jakob und Hans Ludwig Kuefstein konvertierten zum katholischen Glauben. Wenige Jahre später erhob der Kaiser die zuvor von ihm verfolgten Adeligen nicht nur in den Reichsgrafenstand, er verlieh dem Schloss auch die hohe Gerichtsbarkeit. Der Verhandlungssaal samt dem rund fünf Meter darunter liegenden Verlies und das Archiv blieben erhalten. Schloss und Garten wurden in der Barockzeit dem Zeitgeschmack entsprechend umgestaltet. Die skurrilen Sandsteinzwerge, damals eine Modeerscheinung, haben jetzt in einem Raum ein sicheres Zuhause gefunden. Stattdessen beleben Zwergenfiguren zeitgenössischer Künstler den Schlosspark. Die Führung in Greillenstein übernahm Elisabeth Kuefstein, "eine geborene Prinzessin von Bayern und somit direkt verwandt mit Kaiserin Elisabeth". Das Schloss kann mit und ohne Führung besichtigt werden, auch Konzerte und eine "Geistertour" bei Kerzenlicht finden sich im Angebot. Franz Grillparzer lebte als Kind zeitweise bei einer Cousine, die mit dem Gutsverwalter verheiratet war. Eines Nachts sei aus einem Ölgemälde eine Frau herausgetreten und habe Grillparzer den Zutritt zur Bibliothek verwehrt. "Diese geisterhafte Begegnung soll ihn zu seinem Werk 'Die Ahnfrau' inspiriert haben." Heutzutage kann man in Greillenstein ungestört Hochzeit feiern oder Appartements mieten. Auf der Suche nach Einnahmen müssen alle SchlossbesitzerInnen kreativ sein, denn es gibt immer etwas zu restaurieren - Greillenstein hat 50 Zimmer auf 2750 m² - und Reparaturen der riesigen Dachflächen sind aufwendig. Weitere Stationen in Niederösterreich sind das historistische Schloss Grafenegg, 10 km östlich von Krems, das sich durch mannigfaltige Events, vor allem musikalischer Art, einen Namen gemacht hat, Schloss Rohrau, 40 km südöstlich von Wien, und Schloss Litschau, 40 km nördlich von Zwettl. Schloss Rohrau, das von 1524 bis 2012 im Besitz der Grafen Harrach war, ist seit der Renovierung in den 1970er Jahren Ausstellungsort von deren Gemäldesammlung. Sie zählt weltweit zu den bedeutendsten Privatsammlungen und kann besichtigt werden. Hingegen ist Schloss Litschau, als Privatbesitz der Familie Seilern-Aspang nicht zugänglich. Im Burgenland machte das Filmteam in Bernstein, 11 km nördlich von Bad Tatzmannsdorf, Station. Das ist auch Hotelgästen, bei Führungen und Events möglich.

Drehorte in der Steiermark waren Schloss Kornberg, 5 km nördlich von Feldbach, die Riegersburg, weithin sichtbar 10 km nordöstlich von Feldbach auf einem erloschenen Vulkan gelegen, Schloss Neudau, 6 km östlich von Bad Waltersdorf, Schloss Birkenstein, 16 km nordöstlich von Weiz und Schloss Kapfenstein, 40 km südöstlich von Graz. Die Grand Dame des Schlosses, Eva Winkler-Hermaden, gilt als Erfinderin der Brettljause und auch heute mangelt es hier nicht an gutem Wein aus dem eigenen Keller.

In Oberösterreich begann der Höhenflug der Fernsehserie. Die - seit 1454 - Besitzer der Burg Clam, 20 km nördlich von Amstetten, waren die ersten, die dem Piloten für seinen Pilot gastfreundlich die Tore öffneten. Als dieser als "Grande Finale" der ersten Staffel gesendet werden sollte, musste nachgedreht werden. Niemand von den ZuschauerInnen scheint es bemerkt zu haben. Im Gegenteil, manche lobten sogar, was der Präsentator an Lockerheit zugelegt hätte. Dabei waren es "die allerersten Minuten, die ich vor einer Kamera gestanden bin," erinnert sich Johann-Philipp Spiegelfeld. Geschichten wie diese, Blicke hinter die Kulissen des Fernsehalltags und Informationen - etwa über Wappen und Adel - runden das Werk ab.

Am Anfang und Ende der bisher drei Staffeln standen Exkursionen nach Tirol und Südtirol. Den Anfang machte Schloss Tratzberg, das 5 km südwestlich von Jenbach auf den steilen Hängen des Inntals thront. Es befand sich im Besitz der Kaufmannsfamilie Fugger und der Grafen Enzenberg. Der aktuelle Schlossbesitzer, Ulrich Goess-Enzenberg, ist ein Nachkomme Maria Theresias. Seine Großmutter Marie war eine Gräfin von Meran. Der Kreis schließt sich in Schloss Schenna, 25 km nordwestlich von Bozen. Erzherzog Johann wurde anno 1845 in den Stand der Grafen von Meran erhoben. Das war wohl der Anlass für den steirischen Prinzen, in der näheren Umgebung der Stadt einen Wohnsitz zu finden. Für Johann-Philipp Spiegelfeld bedeutete der Besuch in Schenna etwas ganz Besonderes, wohnen doch sein Onkel Franz Spiegelfeld und dessen Frau Johanna, geb. Meran, "dreifache Urenkelin von Erzherzog Johann", im Schloss. Dazu gehört das Mausoleum Erzherzog Johanns und sein Herzensprojekt, der Thurnerhof. Er übernahm den heruntergekommenen Gutshof und machte ihn zu einem Musterbetrieb. Seit 1992 leiten ihn Franz und Johanna Spiegelfeld. "So gut es geht, versucht Generation um Generation den Geist des revolutionären Erzherzogs zu bewahren … Und genau diese verantwortungsvollen Aufgaben sind es, die all unsere Schlossherrinnen und Schlossherren miteinander verbinden. … Jede Generation, jede Zeit hat ihre eigenen Gesetze, und, da können alle versichert sein: Jeder tut sein Bestes, um sich und seinen Ahnen gerecht zu werden."

hmw