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Thomas Aigner, Stefan Engl, Kyra Waldner (Hg.): Johann Strauss#

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Thomas Aigner, Stefan Engl, Kyra Waldner (Hg.): Johann Strauss. Ein Leben für die Musik. Wienbibliothek im Rathaus, Residenz Verlag Salzburg – Wien. 288 S. ill., € 31,-

2025 ist ein Strauss-Jahr. Vor 200 Jahren wurde Johann Strauss Sohn (1825-1899) geboren, Anlass für eine Fülle von Veranstaltungen und Publikationen. Das neu eröffnete Theatermuseum widmet dem Walzerkönig in Kooperation mit der Wienbibliothek eine umfassende Jubiläums-Ausstellung. Das Begleitbuch dazu ist im Residenz-Verlag erschienen: von kompetenten Fachleuten verfasst und reich illustriert. 15 Beiträge beleuchten "Strauss im Kontext seiner Zeit", "Strauss als Musikschaffender", "Strauss als Privatperson" und die "Strauss-Rezeption".

Wolfgang Maderthaner beschreibt Wien zur Zeit von Johann Strauss als "unvollendete Metropole". Der Generaldirektor des Österreichischen Staatsarchivs i.R. verweist auf die Versiebenfachung der Einwohnerzahl im 19. Jahrhundert bis zum Höchststand von mehr als zwei Millionen im Jahr 1910. Das erlebte Johann Strauss zwar nicht mehr, doch betrug der jährliche Zuwachs in seinem Todesjahr rund 34.000 Personen, von denen zwei Drittel nicht in Wien geboren waren. Die Stadt musste wachsen, die Verhältnisse in den Vorstädten und Vororten waren bekanntermaßen sehr bescheiden. Der Abbruch der Stadtbefestigung und der Anlage der Ringstraße besiegelten den Aufstieg zur glanzvollen europäischen Metropole. Die Weltausstellung 1873 erfüllte die Erwartungen nicht. Sie blieb wegen der Cholera und des Börsenkrachs in schlechter Erinnerung. Der Komponist reagierte auf das Zeitgeschehen. Aktuelle Werke nannte er "Demolierer-Polka" (op. 269), "Von der Börse" (op. 337), "Rotunde-Quadrille" (op. 360), "Rathhaus-Ball-Tänze" (op. 438) oder "Groß-Wien" (op. 440). Maderthaner verweist auf die Gleichzeitigkeit des Beschlusses zur Donauregulierung und der Komposition des Donauwalzers. Johann Strauss war 1867 "längst ein international anerkannter und gefeierter Heros der populären Musik: ein Musikunternehmer großen Stils, bedeutender Proponent einer sich formierenden Unterhaltungs-Industrie, begabter Public-Relations und Promotion-Manager. … Sein Donauwalzer markiert den Beginn der überhitzten Konjunktur der ersten Gründerzeit, sein 'Glücklich ist, wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist' aus der Fledermaus … bezeichnet präzise einen aus Wirtschaftskrise und Börsenkrach am Ende dieser Periode erwachsenen, typisch wienerischen Defätismus."

Die Musikwissenschaftlerin Margareta Saary beleuchtet "Die 'Firma Strauss'". Trotz interner Unstimmigkeiten funktionierte die Musikfabrik perfekt. Dabei spielte Anna Strauss, die Tochter eines Gastwirts und Mutter von sechs Kindern, eine wesentliche Rolle. "Sie war in das Tagesgeschäft involviert, da sie Instruktionen zur Aufrechterhaltung des Wiener Betriebes während der Absenz von Johann Strauss (Vater, 1804-1849) umsetzen musste. Er schickte ihr den Gewinn, um etwa die Auszahlung der Musikergehälter zu bewerkstelligen." Als die betrogene Ehefrau vom Verhältnis ihres Mannes mit der Modistin Emilie Trampusch erfuhr, wollte sie ihm ihren ältesten Sohn als ebenbürtigen Konkurrenten gegenüberstellen, "und sie überließ ihm jegliches Insiderwissen." 1844 übersiedelte Vater Strauß zu seiner Lebensgefährtin, mit der er acht Kinder hatte. 1849 starb er. "Nach dem Tod des Vaters war die Übernahme seiner Kapelle durch den Sohn Ehrensache und wirtschaftliche Notwendigkeit. … Anna Strauss erkannte die Gefahr der permanenten Überlastung und drängte ihren zweiten Sohn, Josef (1827-1870), in den Betrieb. Doch dieser … akzeptierte den Eintritt in die Firma nur zögerlich." Er wollte Techniker werden, fügte sich aber, trotz Kontroversen mit seinem Bruder, dem "Chef" – und hatte rasch Erfolg. Als der jüngste Bruder, Eduard (1835-1916), in die Firma einstieg, kam es auch zwischen ihm und Josef zu Unstimmigkeiten. Nachdem Josef – wegen des Fehlers eines Musikers – bewusstlos in den Orchestergraben stürzte und an den Folgen starb, konzertierte Eduard noch drei Jahrzehnte weltweit.

Die Musikhistorikerin Isabella Sommer informiert über "Johann Strauß und die Frauen". Wissenschaftlich-sachlich räumt sie mit Mythen auf: "Für die von Strauss' erster Frau Jetty … aufgestellten Aussagen, ihr Mann sei ein 'Weibervertilger' und 13 Mal verlobt gewesen, bevor er sie geheiratet hat, liegen keine Quellen vor. " Die Autorin beschreibt fünf aktenkundige Beziehungen: eine geplatzte Hochzeit und eine Liaison in Russland sowie drei Ehen. Während seines ersten Gastspiels in Pawlowsk, 1856, lernte Strauss die Kaufmannstochter Maria Fränkel kennen. Zwar erteilte der Zar die Genehmigung zur Ehe mit dem Ausländer, doch kam es aus unbekannten Gründen nicht so weit. Dürftig war auch die Quellenlage zur Liebesbeziehung mit Olga Smirnitskaja, 1858-1859. Erst 1993 entdeckte Thomas Aigner, Mitherausgeber des vorliegenden Buches, in der Wienbibliothek Abschriften von 100 Liebesbriefen, die der Walzerkönig an "eine der ersten russischen Komponistinnen" schrieb. Sie war die Tochter eines aristokratischen Hofbeamten, der seine Tochter nicht dem berühmten Künstler zur Frau geben wollte. Dieser widmete ihr 1859 die Polka Mazur op. 226 mit dem Titel "Der Kobold", ihrem Kosenamen. Drei Jahre später ehelichte Johann Strauss Henriette ("Jetty") Treffz (1818-1878), mit der er 16 Jahre lang glücklich verheiratet war, bis der Tod sie schied. "Sie war für ihn Geliebte, Mutterersatz, Sekretärin und Managerin zugleich." Zuvor lebte sie, gemeinsam mit sieben Kindern verschiedener Väter, mit dem Bankier und Mäzen Moritz Ritter von Todesco. "Jetty war für Strauss unentbehrlich. Als Managerin erledigte sie Korrespondenzen, organisierte und begleitete ihn auf Konzertreisen nach Russland, Amerika und England. Vor allem aber ermunterte sie Strauss dazu, für die Bühne zu schreiben. Mit ihrer Geschäftstüchtigkeit machte sie ihn zu einem wohlhabenden Mann.

Seine zweite Hochzeit feierte er, nach nur sieben Wochen Witwerschaft, mit der Sängerin Angelika ("Lili") Deutsch (1850-1919). Die Ehe wurde nach vier Jahren geschieden, weil Lili zu Franz Steiner (1855–1920), dem Direktor des Theaters an der Wien zog. Als dieser wegen hoher Schulden zurücktreten musste, übersiedelte das Paar zunächst nach Dresden. Später betrieb Lili Strauss in Berlin ein Fotoatelier. Sie heiratete 1902 einen Berliner Bankbeamten und zog 1909 allein nach Bad Tatzmannsdorf, wo sie 1919 verarmt starb. 1882 bis zu seinem Tod 1899 blieb Johann Strauss mit der Kaufmannstochter Adele Strauss (1856-1930) verbunden. Sie war die Witwe des Bankierssohns Adalbert Strauss (+1877). Die (nur namensgleichen) Familien kannten einander gut. Um die Wiederverheiratung zu ermöglichen, musste der Komponist zum Protestantismus übertreten und Bürger eines anderen Staates werden. Er fand Unterstützung bei Herzog Ernst von Sachsen-Coburg. Die Eheschließung fand 1887 in Coburg statt. Marcel Prawy, der Adele Strauss persönlich kannte, nannte sie "die Super-Managerin". Isabella Sommer schreibt: "Nach Strauss' Tod war Adele strenge Verwalterin seines Nachlasses … und sah 30 Jahre lang ihre Lebensaufgabe darin, ihrem Mann nicht nur ein Denkmal zu errichten. Mit unermüdlichem Einsatz setzte sie sich für die Aufführung seiner Werke ein. … Mit ihrem Sendungsbewusstsein trug sie viel zu einer Strauss-Renaissance bei, wurde aber auch als 'lästige Witwe' empfunden."

Clemens Hellsberg, Vorstandsmitglied der Wiener Philharmoniker, würdigt Johann Strauss (nicht nur) als Protagonisten des Neujahrskonzerts. Er gewährt Einblicke hinter die Kulissen der populärsten Veranstaltung des klassischen Musikbereichs. Sie wird seit 1959 alljährlich im Fernsehen übertragen, 100 Staaten auf allen Kontinenten sind angeschlossen. Allein in Österreich verfolgen bis zu 1,2 Millionen Menschen den musikalischen Jahresauftakt vor dem TV-Gerät, wobei der Marktanteil fast immer oberhalb der 60-Prozent-Marke liegt. Nun rüstet sich Wien zum Johann Strauss-Festjahr. Geplant sind 65 Produktionen an 250 Spieltagen, mit 40 PartnerInnnen und 400 KünstlerInnen an 70 Spielorten in allen Bezirken. Die Ausstellung im Theatermuseum ist sicher ein Highlight des Jahres. Das Begleitbuch über "ein Leben für die Musik" wird weit darüber hinaus ein Standardwerk bleiben.

hmw