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Leo Fellinger: Auto#

Bild 'Fellinger'

Leo Fellinger: Auto. Eine (Liebes)Erklärung. Residenz-Verlag, Edition Kunstschrift, Salzburg -Wien. 136 S., ill., € 25,-

In einer Zeit bekennender Autohasser tut ein Buch wie dieses gut. Der Autor meint, es sei mehr Liebeserklärung denn Erklärung ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Der Salzburger Kulturschaffende beleuchtet das Phänomen Auto aus persönlicher und psychologischer Perspektive: Schon als Kinder sind wir getrieben vom Wunsch, ständig unseren Aktionsradius zu erweitern, und das möglichst auf Rädern. Es geht ihm um die Beziehung von Mensch und Maschine, Freiheit und Unabhängigkeit, Status und Identität. Weitere Themen sind Kulturelle Bedeutung, Spiele, Reisen, Autosport, Künstliche Intelligenz, und - wie sich rasch herausstellt - Umweltschutz. Dabei ergreift Leo Fellinger Partei für Elektroautos. Er weiß, wovon er spricht. Gemeinsam mit seiner Frau Verena Fellinger hat er tausende Kilometer mit Elektrofahrzeugen zurückgelegt und die Reisen in einem Blog und einer Website (www.lovelectric.at) dokumentiert.

Mit diesem Buch ist ihm ein Gesamtkunstwerk gelungen. In perfekter Weise bringt der gelernte Lithograf und Fotograf seine Talente und Kenntnisse ein: Er zeichnet verantwortlich für die gekonnte grafische Gestaltung, Satz, Inhalt und die meisten Fotos. Diese erscheinen in zeitgeistigem Schwarz-Weiß auf edlem Kunstdruckpapier. Ansprechend ist auch das Layout des Zusammenspiels von Bildern und Texten im großzügigen Querformat. Am Beginn des Buches meint der Autor, dass es in der Zeit der Veränderung geschrieben wurde. Einer Zeit, in der einer der größten Umbrüche in der Automobilindustrie stattfand. Auch dabei ist er Experte, machte doch die Tätigkeit in einem Automobilkonzern einen Teil seiner Karriere aus.

Die Beziehung zum Automobil prägte die Jugendjahre des 1955 geborenen Autors. Sein erstes war ein 850er-Mini, den er als Führerscheinneuling erwarb. Wie übrigens auch Niki Lauda. Doch während Lauda mit seinem Mini das erste Bergrennen gewann, fiel Fellingers Fahrzeug einem Getriebeschaden zum Opfer. Wie für die beiden war das eigene Auto die Sehnsucht ihrer Generation. Neugierde, Sehnsucht, Freiheit. Für mich war es all das damals tatsächlich. Ein Citroen 2CV - ebenfalls mit dem schönen Kennzeichen S 118.118 -löste seinen Mini ab. Das Fahren war ein Übergangsritus für meine Generation, erinnert sich der Autor. Unabhängigkeit ist immer noch ein tragfähiges Symbol für Freiheit und Selbstbestimmung, Erkundung und Abenteuer, auch wenn dieses Bild schon etwas abgenutzt scheint. Nicht abgenutzt, doch nostalgisch stimmend, wirken die Fotos dieses Kapitels. Sie zeigen jugendliche AutofahrerInnen beim Camping mit dem 2CV und im Hippielook beim VW-Bus. Assoziationen zum Thema Liebe geht durch den Wagen liegen nahe.

Für viele Autofahrer sind Status und Identität wichtige Faktoren. Durch die sehr einfache Wahl, welches Auto wir fahren, können wir der Welt verkünden, wer wir sind. Im Erwachsenenleben gibt es nur wenige andere persönliche Besitztümer, die so vielseitig sein können, um unsere persönlichen Botschaften zu verbreiten. … Es ist, als würden wir einen exklusiven Raum betreten … Bis auf Weiteres werden Autos im Eigenbesitz daher auch nicht verschwinden. Ein großes Kapitel ist der kulturellen Bedeutung der Kraftfahrzeuge gewidmet - und mit Songtexten illustriert. Nicht fehlen darf dabei die "Zweierbeziehung" von Rainhard Fendrich, der meinte: Ich kenne kaum jemanden, den schöne Autos nicht faszinieren. … Die schönsten Autos wurden von den Fünfzigern bis Ende der Siebziger gebaut.

Mit Autos spielen nennt sich der nächste Abschnitt. Es geht um Matchboxautos, aus Lego hergestellte Gefährte, Bobby-Cars und Seifenkisten. Auch Autosport kann als Spiel betrachtet werden, … als Wechselspiel mit anderen kulturellen Leistungen sowie auch mit Wirtschaft, Politik und Herrschaft. … Schon die alten Römer entdeckten den Rausch der Geschwindigkeit. Sie liebten Unterhaltungsspektakel wie Wagenrennen. Folgten damals 250.000 Zuschauer dem Wettkampf im Circus Maximus, so sind es heute beim Formel-1-Rennen in Silverstone 480.000. Die erste Motorsportveranstaltung fand 1894 auf der 126 km langen Strecke von Paris nach Rouen statt. Von 102 Fahrzeugen erreichten 15 das Ziel. Mit atemberaubendem Tempo, spektakulärer Technik und weltberühmten Fahrern ist die Formel 1 auch heute noch das Nonplusultra des Motorsports. Umweltfreundlich ist sie nicht, dafür gewinnbringend, und daher investieren Hersteller in den Autosport.

Weniger rasant geht es beim Reisen mit dem Auto zu. Für 60 % der EuropäerInnen ist es noch immer die beliebteste Art, Urlaubsorte zu erreichen. In der Wirtschaftswunderzeit war Italien das bevorzugte Ziel, nah genug, um mit dem Auto gut erreichbar, und fern genug, um exotisch zu sein. … Eine Reise nach Italien war etwas ganz Besonderes … Die erste Fahrt über die Europabrücke war aufregend, war sie doch zum Zeitpunkt ihrer Fertigstellung, 1963, für rund zehn Jahre die höchste Brücke Europas, der höchste Pfeiler mit 146,5 m gar der höchste Brückenpfeiler der Welt.

In den vergangenen Jahren reisten Leo und Verena Fellinger 3000 km durch fünf europäische Länder, 5000 km rund um den Ärmelkanal, je 3500 km in die Bretagne und rund um die Adria. Mit Auto und Umwelt ist ihr wichtigstes Thema erreicht. Leo Fellinger referiert, mit vielen Zahlen untermauert, über CO2, Klimawandel, Energieverbrauch, Mobilitätswende, autonome Fahrzeuge und Meinungen über Elektroautos. Folgerichtig beschäftigen sich weitere Kapitel mit Mensch und Maschine, der Mobilität in der Stadt der Zukunft und KI im Auto.

Zurück in die Vergangenheit. 1881 stellte ein französischer Physiker ein bis zu 12 km/h schnelles elektrisches Dreirad vor. Auf der Pariser Weltausstellung 1900 sorgte Ferdinand Porsche mit dem Lohner-Porsche-Elektromobil aus Wien für eine Sensation. Die Elektromotoren befanden sich in den Radnaben der Vorderräder. Wenig später folgte Porsches "Mixte-Wagen" als erstes Hybridfahrzeug der Welt. Der Elektroantrieb im Auto ist seit über 100 Jahren bekannt und erlebt jetzt erst seine Geburt in der Wirklichkeit.

Das Leben kann nur rückwärts verstanden werden, es muss jedoch vorwärts gelebt werden, wusste der dänische Philosoph Soren Kirkegaard (1813-1855). Der überzeugte Elektromobilist Leo Fellinger hat das Motto seinem Buch vorangestellt. Es soll dazu beitragen, von den Vorteilen der E-Mobilität zu überzeugen und Freude am Automobil verströmen.

hmw