Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!

unbekannter Gast

Gabriele Hasmann - Barbora Vavro Gruber: Von Tür zu Tür#

Bild 'Hasmann'

Gabriele Hasmann - Barbora Vavro Gruber: Von Tür zu Tür. Wiener Geschichten. Styria Verlag Wien - Graz. 206 S., ill., € 32,-

Es gibt Dinge, die sind unbekannt, und es gibt Dinge, die sind bekannt, dazwischen gibt es Türen, das Zitat William Blakes wählte Gabriele Hasmann als Motto ihres jüngsten Buches. Der englische Dichter, Mystiker und Maler lebte an der Schwelle des 19. Jahrhunderts. Jüngeren Datums sind die für dieses Buch von der Autorin ausgewählten Beispiele. Gabriele Hasmann erzählt Geschichten von Menschen, die in Wiener Häusern "zu ebener Erde" gewohnt oder ihre Geschäfte betrieben haben. Bildautorin ist - wie bei dem im Vorjahr erschienenen Buch "101 Insidertipps Baden| https://austria-forum.org/af/Kunst_und_Kultur/Bücher/Bücher_über_Österreich_2024/Hasmann_-_Baden_101) Barbora Vavro Gruber. Die Fotokünstlerin will mit ihrer Tätigkeit Emotionen hervorrufen. Und das gelingt ihr vortrefflich. Man könnte sagen, das Buch lebt von Grubers Fotos.

Text- und Bildautorin präsentieren mehr als 150 Haustore. Denn um diese geht es in dem Band, nicht um Wohnungstüren, durch deren Schlüsselloch man indiskret blicken würde. Wikipedia unterscheidet zwischen Toren als größere Öffnungen, die ins Freie führen, und Türen zu geschlossenen Räumen. Türen in Zinshäusern sind weit weniger attraktiv als Haustore und dank moderner Gegensprechanlagen nicht leicht zugänglich. Geschäfte hatten eigene Eingänge. Allerdings waren gerade diese Lokale Modernisierungen ausgesetzt und selten hat sich Herzeigbares erhalten. Wohl deshalb spielen sie hier nicht mit.

Die meisten Beispiele stammen aus der Gründerzeit oder dem Jugendstil, manche sind jünger. In jedem der 23 Wiener Bezirke gibt es dekorative Haustore, die meisten und attraktivsten erwartungsgemäß in der City. Da darf auch die bekannte pikante Geschichte von "Luziwuzi" im Centralbad, Weihburggasse 18-20, nicht fehlen. Traurige Berühmtheit erlangte hingegen das Ringtheater, dessen Brand anno 1881 rund 400 Tote forderte. Zwei Flügel des Seitenportals überstanden die Katastrophe und sind nun im Bezirksmuseum Innere Stadt ausgestellt. Im Bezirk Landstraße, Dannebergplatz 11, findet man "eine der wohl bekanntesten Jugendstiltüren umgeben von typischen Motiven dieser bedeutenden kunsthistorischen Epoche". Hier hatte nicht nur der österreichische Burgenverein - in der Wohnung von Ernst Graf Wurmbrand-Stuppach - seinen Sitz, sondern auch das "Parapsychologische Institut Wien" des Polizeijuristen Edmund Otto Ehrenfreund, der sich in diesem Zusammenhang Dr. Ubald Tartaruga nannte. Apropos Esoterisches: Im 9. Bezirk, Liechtensteinstraße 43, wirkte die "klobige Holztür" auf die Autorin "seltsam irritierend und dem architektonischen Gesamtbild keinesfalls entsprechend." Der ungewöhnliche Eingang mit der "mystische(n) schlangenartige(n) Klinke" erklärt sich aus der Bestimmung als Lokal des Arbeitskreises für Anthroposophisches Geistesstreben.

Begeistert zeigt sich Gabriele Hasmann hingegen vom Haus des Arztes Dr. Ladislaus Vojcsik in Penzing, Linzer Straße 375. Sie nennt es ein Schmuckkästchen, "das gehegt und gepflegt wird und einen wahren Blickfang darstellt." Besonders seit die weiße Fassade mit ihren türkisen Keramikdekorationen restauriert wurde. Das denkmalgeschützte Gebäude mit der markanten Jugendstil-Gestaltung war der erste Bau von Otto Schönthal, einem Assistenten Otto Wagners. Schönthal war sein Mitarbeiter bei ikonischen Bauten wie der Kirche am Steinhof und der Postsparkassa. Später zeichnete Schönthal für einige Wohnhausanlagen der Gemeinde Wien, die Trabrennanlage in der Krieau und den Mozartbrunnen verantwortlich. Die Villa Vojcsik, die als Manifestation der Ideen der Wagnerschule angesehen wurde, brachte ihm frühen Ruhm. Da eine Werbeagentur und eine Filmproduktion das Haus zu ihrem Firmensitz erkoren, nennt die Autorin das Kapitel darüber "Kreative Geister in Schönthals Villa."

Ihre Titel regen die Phantasie an: "Rauschende Ballnächte, Hans Moser und ein toter Fußballkönig" (1, Annagasse 3), "Zirkushände und ein ehefeindliches Missverständnis" (2, Zirkusgasse 21), "Gustav Klimt, seine Muse und hoffnungsfrohe Rumänen" (3, Jacquingasse 43), "Eine tapfere Schneiderin und ein mutiger Beamter" (4, Schönburgstraße 50), "Marlene Dietrich und Gary Cooper" (5, Margaretenstraße 78), "Um reizendes Visavis wird gebeten" (6, Stiegengasse 2), "Kaffeehaus und Kellerkino" (7, Siebensterngasse 42-44), "Der Architekt und die Skandalnudel" (8, Krotenthallergasse 8), "Die Not der Frauen und die Macht der Verzweiflung" (9, Van-Swieten-Gasse 6), "Ein Haus, in dem Politikgeschichte geschrieben wurde" (10, Laxenburger Straße 8-10), "Die Haarwellerin" (11, Krausegasse 19), "Betrügereien im grauen Bau" (12, Flurschützstraße 2), "Gute Bedingungen fürs Personal" (13, Hietzinger Hauptstraße 126a), "Ein musikalisches und menschenfreundliches Haus" (14, Matzingerstraße 21), "Der Schatz im Kamin und eine goldene Hochzeit" (15, Markgraf-Rüdiger-Straße 14), "Der begeisterte Aviatiker und seine Firma" (16, Odoakergasse 33), "Pariser Konversation und Sprechmaschinen" (17, Jörgerstraße 56-58), "Schwindendes Augenlicht und Augustes fingierter Überfall" (18, Währinger Gürtel 123), "Feste feiern, wie sie fallen" (Döblinger Hauptstraße 76), "Die erste Apotheke in der Brigittenau" (20, Jägerstraße 34), "Kommunaler Wohnbau mit Gartenstadt-Flair" (21, Jedleseer Straße 66-94), "Fatty George im historischen WC-Häuschen" (22, Esslinger Hauptstraße 96), "Betrunkene Motorsportler im Amtshaus" (23, Perchtoldsdorfer Straße 2).

Die Überschriften verraten, dass es hier nicht um Kunstgeschichte geht. Das war auch nicht die Intention der Autorin, die ihren LeserInnen Erzählungen "ummantelt mit einem Hauch Nostalgie und dem Flair ferner Tage" bieten und sie zu Erkundungstouren durch Wien einlädt. Bücher wie dieses wären noch vor einigen Jahren kaum herzustellen gewesen. Man hätte Archive und Bibliotheken persönlich besuchen und Massen von Literatur durchforsten müssen. Heutzutage genügen einige Mausklicks und man findet allein in "ANNO" dem Archiv historischer Zeitungen und Zeitschriften der Österreichischen Nationalbibliothek 28 Millionen Seiten aus 16000 Titeln. Dabei haben die nostalgischen Inserate einen besonderen Reiz, die hier ausführlich zitiert werden.

Die seitenfüllenden Tor-Portraits von Barbora Vavro Gruber finden Ergänzung in ihren perfekten Fotos zu bestimmten Themen, wie "Wunderbarer Jugendstil", "Schmiedeeiserne Kunstwerke", "Stillvolle Details", "Bunte Farbenpracht", "Portale mit Patina-Charme" und "Denkwürdige Zugänge". Sie verlocken dazu, die Stadtlandschaft "von Tür zu Tür" neu zu entdecken.

hmw