Nina Pavicsits: We are Austria #
Nina Pavicsits: We are Austria. 77 außergewöhnliche Frauen aus Österreich.
Verlag Molden Wien. 192 S. ill., € 28,-
Nina Pavicsits hat 77 außergewöhnlichen Frauen ein außergewöhnliches Buch gewidmet. Mag. art. Nina Pavicsits ist in Wulkaprodersdorf geboren. Die Burgenlandkroatin studierte Grafik und Werbung an der Universität für angewandte Kunst in Wien. Sie lebte u.a. in Mexiko, New York und San Francisco und arbeitet als selbständige Grafikdesignerin in Wien. Zu ihren Kunden zählen namhafte Institutionen, oft aus Kunst und Kultur, wie Wien Museum, MAK oder Stift Klosterneuburg und Unternehmen wie Wien Energie und renommierte Verlage.
Dieses Buch entstand, wie sie im Vorwort erzählt, weil sie ein Buch für ihre Kinder suchte, über berühmte und weniger bekannte Österreicherinnen. Illustriert und mit kurzen, verständlichen Texten, zum Lesen und Vorlesen, für Erwachsene und Kinder. Weil sie nicht fündig wurde, hat sie kurzerhand selbst eines konzipiert und gestaltet. Das Ergebnis ist diese unkonventionelle Publikation in der unverwechselbaren Handschrift der vielfach ausgezeichneten Grafikerin.
Dass sie als Leitfarbe Barbie-Pink wählte, ist wohl als ironisches Zitat zu verstehen. Denn die vorgestellten Frauen sind alles andere als Barbies - viele waren oder sind "laut und rebellisch", viele "hatten mit Herausforderungen zu kämpfen, die ihre männlichen Kollegen so nie erlebt haben". Das Buch widmet jeder der 77 eine Doppelseite: Rechts ein buntes und plakatives Portrait, das die Empathie spüren lässt, links ein sorgfältig recherchierter Text. Die Dargestellten erzählen ihre Geschichte in Ich-Form, so wirken die Aussagen besonders lebensnah. Am Beginn stehen jeweils Informationen über Beruf(e) und die Lebensdaten sowie eine typische Aussage, z.B. "Darauf bin ich stolz", "Das mag ich gar nicht" oder "Dafür setze ich mich ein".
Es mag irritierend wirken, dass die Reihenfolge der Biografien nach den Vornamen erfolgt, von Adelheid Popp bis Viktoria Schnaderbeck. Es fällt oft auf, dass Frauen in den Medien nur mit ihren Vornamen genannt werden. Das zeugt nicht gerade von Wertschätzung. Sie werden dadurch zu Kindern degradiert, was der Autorin sicher fernliegt. Sie hat eine subjektive Auswahl nach ihren Interessen getroffen, schreibt Nina Pavicsits: Dieses Buch ist keine Enzyklopädie und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es ist ein persönlicher Versuch, einige von vielen herausragenden Frauen sichtbar zu machen.
Die außergewöhnlichen Österreicherinnen kommen aus Politik & Aktivismus, Wissenschaft, Kunst & Kultur, Literatur & Publizistik, Sport und weiteren Berufen. Die Zeitspanne reicht von Kaiserin Maria Theresia (1717-1780) bis zur 1994 geborenen Klima-Aktivistin Katharina Rogenhofer. Viele der Portraitierten stammen aus jüdischen Familien. Die Autorin lässt sie über die Verfolgung ebenso erzählen wie andere über ihre Homo- bzw. Transsexualität.
Ungerechtigkeiten, auch wenn sie Generationen zurückliegen, verleiten noch heute zum Sichempören. Die Kernphysikerin Lise Meitner (1878-1968) forschte mit dem Chemiker Otto Hahn über Radioaktivität. Hahn bekam für unsere Entdeckungen später den Nobelpreis. Ich nicht mal eine Erwähnung. Das war schon enttäuschend. Dabei war Meitner, eine der bedeutendsten Naturwissenschaftlerinnen des 20. Jahrhunderts, 49-mal nominiert. Besser erging es 70 Jahre später der Juristin Brigitte Bierlein (1949-2024) Ich war schon oft die Erste: Die erste Frau an der Spitze des Verfassungsgerichtshofs. Die erste im Amt des Generalanwalts beim Obersten Gerichtshof. Und - als Höhepunkt - die erste Bundeskanzlerin Österreichs. Als sie der Bundespräsident bat, eine parteifreie Übergangsregierung zu führen, sagte Brigitte Bierlein zu, nicht aus politischem Ehrgeiz, sondern aus Pflichtgefühl.
Der Sektor Kunst und Kultur ist u.a. durch Louise Kolm-Fleck (1873-1950) vertreten. Sie war die erste Regisseurin Österreichs und die zweite weltweit. Mit ihrem Ehemann gründete sie die erste Filmproduktionsfirma der Monarchie, die dann die Rosenhügelstudios betrieb. Ein Preis für junge weibliche Filmtalente ist nach der Pionierin des österreichischen Kinos benannt. Die Reiseschriftstellerin Ida Pfeiffer (1797-1858) hat zweimal die Welt umrundet. Sie besuchte u. a. Brasilien und zog mit einer Karawane durch Ägypten. Ida Pfeiffer veröffentlichte ihre Erlebnisse und Erfahrungen in 13 Bänden, was anfangs nur anonym möglich war. Diese wurden in sieben Sprachen übersetzt und inspirierten u. a. den berühmten französischen Schriftsteller Jules Verne.
Anna Kiesenhofer (* 1991) ist eine der berühmtesten Sportlerinnen der Gegenwart. Anna Kiesenhofer errang 2021 im Straßenradrennen der Frauen Olympiagold in Tokyo. Es war die erste Goldmedaille im Radsport für Österreich seit der Neugründung der Spiele, 1896. Sie studierte Mathematik und Physik an der TU Wien, in Cambridge und promovierte in Barcelona. Sie lebte, lehrte und forschte an den besten Universitäten Europas. Nach dem Überraschungssieg sattelte sie auf den Profisport um und ist Trainerin für ein niederländisches Team.
Zu den "weiteren Berufen", deren Vertreterinnen das Buch vorstellt, zählen sportliche Disziplinen wie Klettern, Bergsteigen, Fußballspielen, Gewichtheben und Wrestling. Auch Komponistin, Philosophin, Psychoanalytikerin, Modeschöpferin, Astronautin, Kranführerin oder Dompteurin sind inzwischen Frauenberufe. Frauen haben sich ihre Rechte stets selbst erkämpft, oft gegen erheblichen Widerstand … Vieles wurde erreicht, aber nichts wurde geschenkt. Deshalb endet das Buch mit einer Zeitleiste zentraler Meilensteine der Frauenrechte in Österreich - als Erinnerung daran, wie weit wir gekommen sind, als Mahnung dass Errungenes verteidigt werden muss und als Hinweis darauf, dass noch viel zu tun bleibt,schreibt Nina Pavicsits.