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Tanja Roppelt - Michaela Breil - (Hg.): Let's talk about Jeans#

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Tanja Roppelt - Michaela Breil (Hg.): Let's talk about Jeans. Eine Kultur- und Fashion-Ikone. Mit Beiträgen von M. Breil, M. Behmer, I. Berry, J. Depken, L. Downey, R. Karrer, H. Krapf, K.-D. Lavier, W. Munnichs, T. Panek, T. Roppelt, K. Tietze, B. Venom. Hirmer-Verlag München. 128 S. ill., € 25,60

1873: In Wien beschleunigte die Weltausstellung die Entwicklung zu einer internationalen Metropole des Industriezeitalters. In den USA begründete ein Patent den weltweiten Siegeszug der Jeans. Das Patentamt der Vereinigten Staaten erteilte dem Schneider Jacob W. Davis aus Reno, Nevada, und der Levi Strauss Company in San Francisco, Kalifornien, ein Privileg zur "Verbesserung der Befestigung von Taschenöffnungen".

Die beiden Patentinhaber waren Einwanderer. Jacob Davis (1834-1908) wurde als Jacob Youphesi in eine jüdische Familie in Riga (Russisches Kaiserreich) geboren. Als 20-jähriger emigrierte er in die Vereinigten Staaten. Dort stellte der gelernte Schneider u.a. Zelte und Pferdedecken für Cowboys her. Ihre strapazfähigen Hosen verstärkte er mit Nieten. Den Baumwollstoff bezog er von Levi Strauss (1829-1902). Dieser wurde als Löb Strauss in Buttenheim bei Bamberg (Deutschland) geboren. Nach dem Tod seines Vaters verarmte die große Familie. Zwei Brüder zogen in die Vereinigten Staaten, wo sie als Textilhändler tätig waren. Gemeinsam mit seiner Mutter und zwei Schwestern folgte er 1847 ihrem Beispiel und erwarb in der Folge die US-Staatsbürgerschaft. 1853 gründete er die Firma Levi Strauss & Company, zu deren Kunden Jacob Davis zählte. Im Gegensatz zu ihm wurde Strauss durch die Jeans mit den Nieten berühmt. Von Anfang an setzte er auf starke Slogans wie "America's finest overalls" oder "ehrlich, strapazfähig, haltbar" und Marken wie "Two Horse Brand" und die "Red Tab"-Kennzeichnung. Ein zeitgenössisches Bild zeigt einen riesigen Fabrikssaal, in dem dutzende Arbeiterinnen an Nähmaschinen die 40 Produktionsschritte ausführen. 1880 beschäftigte die Firma 500 Näherinnen.

Die blaue Hose entwickelte sich im Lauf von etwa 100 Jahren von der Arbeitshose der Goldgräber und Cowboys im Westen der USA zu einer von allen Generationen weltweit getragenen Beinkleidung. Ihr Stoff - blauer Denim - dient heute zudem als textile Grundlage vieler weiterer Kleidungsstücke. Es waren jedoch vor allem die in den 1950er- Jahren gedrehten Hollywoodfilme, … die ungemein wirkmächtige Bilder erzeugten, die viele junge Menschen dieser Zeit faszinierten. Sie vermittelten den Habitus der Männlichkeit und Coolness.

Strauss' Geburtshaus wurde zum "Levi Strauss Museum Buttenheim". Seit einem Vierteljahrhundert widmet es sich der "Kultur- und Fashion-Ikone" Jeans und ihrem Produzenten. Auch das Haus hat seine Erfolgsstory: Von der Abbruchruine zum Schmuckstück. Das großzügige Revitalisierungsprojekt eines der ältesten Gebäude der fränkischen Marktgemeinde fand die Unterstützung der Bürgermeister, eines Fördervereins, später auch des Konzerns. Die Themen waren jüdische Geschichte, Auswanderung, Textilgeschichte und die Person von Löb (Levi) Strauss. Nach 20 Jahren wagte man sich über ein Mammutprogramm neben dem normalen Museumsbetrieb … Neugestaltung des Dachgeschosses, Renovierung der Museumseinrichtung, Verbesserung des Brandschutzkonzeptes, Ausbau des Depots … Bald erhielt das Haus eine besondere Auszeichnung im Rahmen des "Europäischen Museums des Jahres". Ein Jahrzehnt danach folgte die nächste Innovation, ein baulich perfekt passender Erweiterungsbau für Veranstaltungen, Ausstellungen, Museumspädagogik und Shop.

Treibende Kräfte der Aktivitäten waren und sind Dr. Michaela Breil, stv. Leiterin des Staatlichen Textil- und Industriemuseums in Augsburg und Dr. Tanja Roppelt, die das Strauss-Haus in Buttenheim seit der Eröffnung im Jahr 2000 leitet. Die beiden Historikerinnen haben auch das Jubiläumsbuch herausgegeben. Es ist jung und frisch wie sein Thema und bringt unkonventionelle Aspekte. Es geht nicht nur um die Geschichte der Levi's "501", auch Werbung, das typische Blau, Prominente Jeans-TrägerInnen, Jugend- und Subkulturen, Nachhaltigkeit, Politik und Kunst werden beleuchtet.

Interviews bringen Überraschungen: Ruedi Karrer gilt als der "Swissjeansfreak", der für seine Privatsammlung über Social Media eine weltweite Community begründet hat. Dem deutschen Sammler Jürgen Depkens verdankt das Buttenheimer Museum seinen Grundstock. Der Textilkaufmann und Betriebswirtschaftler arbeitete 25 Jahre hindurch bei Levi's und verknüpft mit seinen Hosen viele persönliche Erinnerungen. Nicht anders geht es dem Jeansträger Karl Dieter Lavier, der kaum andere Kleidungsstücke besitzt. Hermann Krapf arbeitete jahrzehntelang als Brand Protection Manager für die Firma. Er verfolgte Fälschungen in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Durch Fälschungen entstehen den Markeninhabern weltweit 70 Milliarden Euro Schaden im Jahr. 70.000 Arbeitsplätze kosten die Fälschungen die Wirtschaft jährlich über alle Produkte hinweg. … Textilien sind nur ein relativ kleiner Teil mit etwa 12 Prozent am Gesamtvolumen. Der Niederländer Wouter Munnichs gründete ein Online-Denim-Magazin und ist Teil der Denim Days Organisation in Amsterdam, wo sich Gleichgesinnte treffen. Der englische Künstler Ian Berry stellt Bilder aus Denim-Stoffen her, die wie Fotos oder Gemälde wirken. Sie werden weltweit in Museen und Galerien ausgestellt. In San Francisco hat sich Ben Venom funktionellen Kunstwerken verschrieben. Er stellt u.a. Quilts, Jacken und Vorhänge aus recycleter Kleidung her.

Schließlich unterhalten sich die Herausgeberinnen Michaela Breil und Tanja Roppelt über Jeans, ihre Bedeutung für das Museum und seine Besucher. Tanja Roppelt wünscht sich für ihr Museum, dass es auch in Zukunft ein lebendiger, sich ständig weiter entwickelnder Ort bleibt, an dem sich Jeansfreunde aus aller Welt gerne und zahlreich treffen. Ein ABC - von Arcutate (Doppelbogen-Ziernaht auf den Hosentaschen) bis Zipper (Obwohl der Reissverschluss schon 1851 patentiert wurde, fand er erst 1954 in Levi's Jeans Verwendung) komplettiert das Buch. Dazu kommen 90 Illustrationen, die Sonja Huber in einem anspechenden Layout komponiert hat.

hmw