Sagen aus dem Raum Vordernberg Vordernberg, Steiermark #
Ein Versprechen künftigen Bergsegens [1]
In den Tagen als die Römer aus jenem Teile der Steiermark, in welchem das heutige Vordernberg liegt, vertrieben wurden, erschien den Siegern der Genius der Gebirge und sprach: "Ich will Euch eine Gnade erzeigen, wählt selbst: Wollt ihr Goldminen für ein Jahr, Silberminen auf zwanzig Jahre oder Eisenminen für immer?" Die Leute waren weisen und wählten Eisen für immer.
Die Gründung der Vordernberger Laurenzikirche
Die Filialkirche zum heil. Laurentius, auch Kreuz- und obere Kirche genannt, die einstige Pfarrkirche, liegt etwa 20 Minuten von der Marktkirche entfernt in der Richtung gegen die Einsattlung Präbühel an der alten Eisen- oder Erzstraße. Im Jahre 1454 reiste die Gemahlin Kaiser Friedrichs III. Eleonore, eine Prinzessin von Portugal, hier durch und nach einer öfter vorkommenden Sage soll dieser Fürstin der Wind ihren Schleier genommen und in eine Dornstaude getragen haben. Als man ihn wieder gefunden und auch dort ein Kruzifix liegen sah, beschloss diese Prinzessin, hier eine Kirche zu bauen, die nach mehrmaliger Unterbrechung auch im Jahre 1567 fertig und dem heil.Lorenz geweiht wurde.
Das leidende Kreuzbild in Vordernberg [3]
Ein Knappe von Vordernberg hatte sich die Tochter seines Vorgesetzten, eines Hutmannes, zum Liebchen erwählt. Als einst ein reicher, kinderloser Verwandter von ihm in Wien starb, eilte er, um das reiche Erbe in Empfang zu nehmen. Bei seiner Abreise begleitete ihn die Geliebte und nachdem beide bei einem Christusbilde, das außerhalb des Marktes an der Straße stand, sich gegenseitig Treue geschworen, schieden sie von einander. Lange Zeit hörte man nichts mehr von dem Knappen.
Inzwischen hatte sein bester Freund, gleichfalls ein Knapper, sich um die Liebe des schönen Mädchens beworben und war in seinen Bemühungen glücklich gewesen. Beide trafen oft heimlich zusammen, und damit der Bursche schneller zum Liebchen gelange, setzte er über einen hohen Zaun. Dabei jedoch mußte er an einem Kreuzbilde hinanklettern, denn der Zaun war hoch und glatt und voll spitziger Pfähle. Es war dies das gleiche Kreuz, bei dem das Mädchen seinem ersten Geliebten stete Treue geschworen.
Einst, als der Bursche abermals als Kreuze hinankletterte, fühlte er an den Schultern des Christusbildes etwas Feuchtes. Zugleich ließ sich ganz nahe an seinem Ohre eine sanft klingende Stimme vernehmen: "Hat nicht schon das schwere kreuz meine Schultern wundgedrückt, müssen auch noch Deine Füße sie blutig treten?" Bestürzt und erschreckt sprang der Knappe herab und eilte heim. Zu Hause traf er seinen Freund, den er verraten, dem er die Geliebte geraubt hatte. Er erzählte ihm alles wahrheitsgetreu und bat ihn um Verzeihung. Sodann machte er sich auf und reiste nach Graz, wo er als Laienbruder in ein Kloster trat. Der verratene Freund wanderte gleichfalls aus, die treulose Geliebte aber blieb unverehelicht.
Das Kreuzbild wurde, als die seltsame Begebenheit bekannt geworden, in die Pfarrkirche zu Vordernberg übertragen, wo es sich noch jetzt befinden soll.
Das immerwährende Brot der Wildfrau [5]
Ein Kohlführer, der seinem Bauern stets fleißig gedient und sein Roß gut gepflegt hatte, fuhr eines Morgens wieder mit seiner Fuhre von Jassing nach Vordernberg. Als er zur Pfarrerlacke kam, trat plötzlich eine weiße Frau aus dem Walde heraus, schritt auf ihn zu und sprach: "Schon lange bemerke ich, daß du der fleißigste und gutwilligste unter allen Kohlführern bist. Als Lohn erhältst du von mir ein Brot, das nie zu Ende geht, solange du nur für dich von dem Laib etwas abschneidest. Sobald du aber von dem Brote jemand anderem gibst, wird sich der Laib nicht mehr erneuern und aufgezehrt!"
Der Mann hätte sich ein wertvolleres Geschenk erwartet, dankte aber bescheiden und dachte dann beim Weiterfahren: "Jetzt habe ich für mein Leben lang genug Brot, sodaß ich nie Hunger leiden muß! Und das ist auch nicht gering einzuschätzen."
Von jetzt ab schnitt er sich täglich für seine Fahrt ein großes Stück Brot ab und wenn er abends heimkam, war der Laib immer wieder ganz. Voll Dank gedachte er nun der edlen Spenderin. So vergingen viele Jahre, bis er eines Tages wieder mit Holzkohlen über das Hiasleck nach Vordernberg unterwegs war. Als es steiler bergauf ging, kam sein Vorfahrer immer langsamer weiter, sodaß er selbst oft stehenbleiben mußte. Endlich ging er zu dem vor ihm fahrenden Fuhrwerk und erkundigte sich, warum es so langsam vorwärts kam. Nun merkte er, daß das Roß zwar willig sich ins Zeug legte, sich anstrengte und schwitzte. Es war nur zu schwach, weil es der andere Kohlführer schlecht gefüttert hatte. Aus Mitleid mit dem armen Tier zog er sein großes Stück Brot aus der Tasche und reichte es brockenweise dem Rosse, das danach kräftig anzog. Es dauerte nicht lange, bis sie die anderen Fuhrknechte wieder einholten.
Als der Kohlführer abends heimkam, fehlte an dem Brote das morgens abgeschnittene Stück, der Laib ergänzte sich nicht mehr und war nach wenigen Tagen aufgezehrt.
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[1] Krainz, Mythen S.351, Nr.270 wörtllich nach Gebhart, S. 116. Hier wird die spätere "mythische" Auffindungssage konkret ohne die "Fundweisung durch den Wassermann" in die Römerzeit verlegt. Man erkennt die Fassung als rein literarische Erfindung.
[3]Krainz, Mythen, S.94, Nr.59 "Das Christusbild in Vordernberg", der als Quelle "'Alpenrosen' im Beiblatt zum Gmundner Wochenblatt 1877" angibt.
[5] Haiding, Volkssagen S.99f., Nr.130 "Das Brot der weißen Frau"