Die Grazer Wechselseitige Versicherung (Essay)#
Die Grazer Wechselseitige Versicherung ist vor knapp 170 Jahren aus der "k.k. Landwirtschafts-Gesllschaft für Steiermark" hervorgegangen. Dies war kein Zufall, sondern durch die bittere Erfahrung begründet, daß zu Beginn des 19. Jahrhunderts gerade die Bauern Feuerversicherungsschutz am dringendsten nötig hatten.
In der "guten alten Zeit" war jener Stand, der als "Nährstand" zu den wichtigsten Stützen jedes Staatswesens zählte und heute noch zählt, in einer äußerst schwierigen und existenzbedrohenden Situation.
Für die Steiermark kamen als erschwerende Umstände noch der gebirgige Landschaftscharakter und die politisch exponierte Lage als südösticher "Hofzaun" des Reiches hinzu.
Erzherzog Johann ergreift die Initiative#
Im Vestibül des Anstaltsgebäudes der Grazer Wechselseitigen erinnert ein von Hans Brandstetter gestaltetes, überlebensgroßes Standbild an den "Steirischen Prinzen" Erzherzog Johann (1782 bis 1859), dessen bedeutendste soziale Tat in diesem Hause fortlebt.
Als jüngerem Bruder des letzten deutschen und ersten österreichischen Kaisers Franz stand ihm ursprünglich nur eine militärische Lautbahn offen. Da sein persönliches Interesse jedoch mehr den geschichtlichen Zusammenhangen und der Entwicklung von Naturwissenschaft, Technik und Wirtschaft galt, stellte er sich selbst die Aufgabe, den nach den Napoleonischen Kriegen neu gewonnenen Frieden durch entsprechende Initiativen zu fördern. Diese sollten eigentlich Tirol zugute kommen, wurden aber nach dem Verlust dieses Landes an Bayern auf die Steiermark übertragen, die dadurch zum Nutznießer eines beispielhaft modern anmutenden wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Aulbauprogrammes werden konnte. Wenn auch nur das Landesmuseum Joanneum den Namen seines Stifters trägt, so ist Erzherzog Johann doch in allen Institutionen unvergessen, an deren Gründung er maßgeblich Anteil hatte. Hiezu gehören vor allem die Technische Universität Graz, der Historische Verein und der Musikverein für Steiermark, die Montan-Universität in Leoben, die Steiermärkische Sparkasse in Graz sowie die Vorläufer der Landwirtschafts- und der Wirtschaftskammer.
Erzherzog Johann stand durch volle vier Jahrzehnte an der Spitze der 1819 gegründeten Landwirtschafts-Gesellschaft, die sich schon frühzeitig mit der Notwendigkeit einer Feuerversicherung befaßte. Ein erster Versuch, den steirischen Versicherungsbedarf bei der seit I811 bestehenden Salzburger Brand-Assecuranz zu decken, blieb jedoch ohne Erfolg, weil diese Landesanstalt nicht die Erlaubnis erhielt, auch außerhalb des damaligen Herzogtums Salzburg zu arbeiten. Da somit für Steiermark, Kärnten und Krain nur die Errichtung einer eigenen "Feuer-Assecuranz" in Betracht kam, beauftragte Erzherzog Johann den Wiener Universitätsprofessor Dr. Josef Kudler mit der Erstellung eines entsprechenden Planes; dieser wurde 1824 vorgelegt und ein Jahr später in seiner endgültigen Form zur Grundlage der Mitgliederwerbung für die zu errichtende "Wechselseitige Brandschadens-Versicherungs-Anstalt" gemacht.
Der nun folgende dreijährige Werbefeldzug unterschied sich ganz wesentlich von den vielfach mit großem finanziellen Aufwand betriebenen Werbekampagnen unserer Zeit.
Ein Zitat aus einem Erzherzog Johann zugeschriebenen Artikel aus dem Jahre 1925:
Aufmunterung
zur Theilnahme an einer in Steyermark, so wie auch in Kärnten und
Krain einzuführen beabsichtigten w e c h s e i s e i t i g e n Brand-
schaden-Versicherungsanstalt.
Feuergefahr ist der Gegenstand des größten, stets wiederkehrenden Kummers, und Hülfe gegen dieses schreckliche Uebel bleibt ein allgemein, und laut ausgesprochener Wunsch der Gebäudebesitzer.
Der Gefahr des Brandes wird zwar zum Theil durch strenge Handhabung der bestehenden Polizzenvorschriften vorgebeugt, der entstandene Brand selbst durch gute Feuerlöschanstalten gedämpft, und dessen Verbreitung durch ausgeführte feuersichere Gebäude verhindert.
Allein, alle diese Vorbeugungs- und Rettungsmaßregeln geben nicht immer, aller Orten und unter allen Verhältnissen zureichende Sicherheit.
In jeder Provinz werden jährlich einzelne Gebäude, so wie ganze Ortschaften durch Feuersbrünste theils ganz zerstöret, theils empfindlich beschädiget, und dadurch der Wohlstand vieler Familien zerrüttet und untergraben.
Gegen dieses unabwendbare Uebel ist Hülfe und Rettung nur in einer wohlorganisirten Brandversicherungsanstalt zu suchen, welche den Brandschaden, der den einzelnen trifft, auf eine große Anzahl Theilnehmer trifft, und von deren Geldbeträgen vergütet.
Die großen Vortheile, welche überdieß Brandversicherungsanstalten ihren Theitnehmern gewähren, sind so einleuchtend, daß sie nicht leicht verkannt werden können.
Die Leichtigkeit der Sicherstellung des beträchtlichsten Theils des Vermögens der meisten Menschen ist es, welche Ihnen eine solche Anstalt höchst wünschenswerth machet.
Je gesicherter aber das Vermögen ist, und je weniger diese Sicherstellung kostet; je größer wird der Werth desselben. Die Häuser in den meisten Landstädten und Märkten unserer Provinz sind vom geringen Werthe, weil sie den Verheerungen des Feuers, im Falle einer entstehenden Brunst, gewiß unterliegen; sind sie aber in einer Brandassecuranzgesellschaft nach ihrem wahren Werthe versichert, so haben sie von diesem Augenblicke an einen höheren Werth, weil der Eigenthümer, nämlich im Falle eines Brandes, den verursachen Schaden ersetzt erhält, und sein Haus dadurch in einem gewissen Verstande u n v e r b r en n l i ch wird.
Abgesehen davon, daß die künftige "Wechselseitige" zunächst überhaupt noch nicht über Geldmittel verfügte, wurde der Begriff der Gemeinnützigkeit so streng ausgelegt, daß man vorerst kaum an irgendwelche Verwaltungskosten und schon gar nicht an die Schaffung und den Ausbau von Arbeitsplätzen denken durfte. Professor Kudlers Plan sah vor, daß die künftige Direktion ehrenamtlich tätig sein sollte. Ebenso erwartete man von den Repräsentanten der Landwirtschafts-Gesellschaft, aber auch von den Organen der öffentlichen und kirchlichen Verwaltung, daß sie sich selbstlos in den Dienst der guten Sache stellten. Angesichts der ständig zunehmenden Zahl von Beitrittserklärungen konnte der Zentralausschuß der Landwirtschafts-Gesellschaft schon 1826 darangehen, die Statuten der künftigen Versicherungsanstalt auszuarbeiten; gleichzeitig wurde eine "Vorbereitungs-Commission" gebildet, "welche in der Zwischenzeit alle zur Eröffnung der Anstalt erforderlichen Schritte tun sollte". Dieser Kommission gehörten unter dem Vorsitz von Erzherzog Johann, 12 "in und um Graz domicilirende Gebäudebesitzer", darunter auch der Abt des Zisterzienserstiftes Rein, an. Als Stellvertreter des Präsidenten fungierte der Landeshauptmann von Steiermark, Ignaz Maria Graf Attems, der dann auch von 1829 bis 1861 das Amt des Generaldirektors innehatte. Von einem Mitglied der k. k. Landwirtschaftsgesellschaft.