Daniel Gran - Der einzige Wiener unter den österreichischen Barockmalern#
Von Ernst Lanz
Bekannt ist nur Datum und Ort der Taufe Daniel Grans: 22. Mai 1694 zu St. Stephan. Seine Eltern stammten aus der Steiermark. Der Vater diente unter Kaiser Leopold I. als Hofkoch und starb 1707, bald danach die Mutter.Den ersten Unterricht in der Zeichen- und Malkunst erhielt der Junge – dank seines nächststehenden Verwandten, nämlich Abraham a Sancta Clara (gest. 1709) – bei Adam Pankraz Perg an der Stiftung für verwaiste Knaben. Anschließend ging Gran zum angesehenen Architektur- und Historienmaler Johann Georg Werle – seinem künftigen Schwiegervater. Dieser erweckte in ihm das Interesse an der Freskomalerei; ebenso verdankte er ihm die Aufnahme in den Dienst des Hauses Schwarzenberg. Fürst Adam Franz finanzierte auch eine Studienreise nach Italien (1719-23). Gran erwarb sich in Venedig Kenntnisse bei Sebastiano Ricci, der ihm die Farbigkeit und den Umgang mit übergroßen Wandflächen vermittelte; gleichermaßen Francesco Solimena in Neapel, wo ihm dieser das Gefühl für Figurengestaltung nahebrachte. Ferner studierte der Jungkünstler die großen Klassiker der italienischen Barockmalerei.
Nach der Rückkehr im Frühjahr 1723 nahm Gran Wohnung bei Werle in Lichtental (Wien-Alsergrund). Noch im gleichen Jahr heiratete er dessen Tochter Anna Maria Barbara Werle. Bis 1735 besaß Gran (als "Garteninspector") ein eigenes Quartier im Gartenpalais Schwarzenberg (Wien-Landstraße); seit 1724 wohnte das Ehepaar im Gebäude der kaiserlichen Hofstallungen (Museumsquartier). Schicksalsschläge peinigten den Künstler: Von fünf Kindern überlebten nur zwei Töchter. 1744/45 übersiedelte die Familie Gran nach Sankt Pölten, wo Tochter Anna (gest. 1802) in einem Frauenorden eintrat.
Schon 1718 schuf der junge Gran seine ersten Freskenfrühwerke in der Bibliothek des Schlosses Wasserburg bei St. Pölten. Danach weitere Wandmalereien in einer Villa bei Venedig (vor 1723; verschollen) und in Wien trat er als vollkommener Freskant auf. So realisierte Gran 1723-24 als "Hochfürstlich Schwarzenbergischer Hofmaler" im erwähnten Gartenpalais ein gewaltiges Kuppelfresko ("Allegorie des Tagesanbruchs"; 1945 großteils zerstört). Mit diesem Werk, das voll "zarter Buntheit" strotzte, bewies der Maler, dass er komplizierte, mythologische Themen in reicher Bildersprache umsetzen konnte.
Ein beträchtlicher Auftrag von Seiten des Kaiserhauses beschäftigte Gran 1726-30: Der wahrlich gigantische Freskenzyklus "Apotheose Kaiser Karls VI." im Prunksaal der Wiener Hofbibliothek (Österreichische Nationalbibliothek). Beide Fischer von Erlach, Vater und Sohn, errichteten das eigentliche Bauwerk, das nur noch einer Deckenmalerei bedurfte. Das bedeutungsvolle Bilderprogramm verfasste der Hofgelehrte Conrad Adolph von Albrecht. Gran erhielt als Gesamthonorar 17.000 Gulden (ca. 7,27 Millionen Euro) – etwa das Achtfache, das er sonst bekam. Das Prunksaalfresko fand Eingang in ein von Salomon Kleiner und Jeremias Jacob Sedelmayr angefertigtes Kupferstichwerk "Dilucida Repraesentatio Bibliothecae …" (Wien 1737), wodurch diese Fresken europaweit bekannt wurden. Der Kunstgelehrte Johann Joachim von Winckelmann nannte das monumentalste Werk der europäischen Barockmalerei ein "malerisches Heldengedicht" (1755).Seit damals – 1727 – trug Gran den Titel "Kaiserlicher Kammermaler" und bald ein Adelsprädikat: "Daniel de Gran della Torro". Der Künstler sprach sogar mit Kaiser Karl VI. und genoss bei Hof Ansehen – bis in die Ära Maria Theresias.
Sehr bald zierten Figuralmalereien aus der Hand Grans die Deckenflächen im Schloss Eckartsau ("Dianens Aufnahme in den Olymp", 1732) und im Alten Landhaus zu Brünn ("Mährens Reichtum und Macht", 1734-35).
Allerdings war Gran ein tiefgläubiger und gottesfürchtiger Mensch. Dadurch fühlte er sich von religiösen Themenkreisen mehr angetan und führte auch solche Aufträge lieber durch. Beauftragt durch das Stift Seitenstetten bewältigte er 1738-54 (mit Unterbrechungen) die gesamte Freskenausstattung (ausgenommen die Scheinarchitektur) in der Wallfahrtskirche Sonntagberg ("Heilige Dreifaltigkeit", "Herrschende und streitende Kirche" usw.). Dieses Unternehmen stellte das geistliche Gegenstück zur Weltlichen Deckenmalerei in der Hofbibliothek dar. Dazwischen gestaltete er im Auftrag Maria Theresias in der Schönbrunner Schlosskapelle ein Deckenbild, in dem sogar ein Porträt seiner Auftraggeberin eingearbeitet ist ("Maria Magdalenas Himmelfahrt", 1744).1745 verfertigte er das bedeutendste Hauptwerk unter seinen Altargemälden: "Mariae Himmelfahrt" (Hochaltar der Stiftskirche Lilienfeld). Als direktes Vorbild benützte der Maler unter anderem jenes Altarblatt von Ricci in der Wiener Karlskirche. Vor 1747 lieferte Gran den Entwurf für das Deckenbild im Bibliothekssaal des Stiftes St. Florian (jedoch die Realisation besorgte Bartolomeo Altomonte). Nach Ausschmückungen einiger Deckenfelder in der Stiftskirche Herzogenburg (1747/48) freskierte er im Stift Klosterneuburg die Kaisersaalkuppel mit einem landespolitischen Thema: "Glorie und Majestät des Hauses Österreich" (1749).
Erstaunlicherweise lehnte Gran 1751 die Berufung in die Funktion als Rektor der Wiener Kunstakademie - wegen der zu geringen Besoldung - kompromisslos ab. Er meinte "Wan ich mich nicht ürre, so haben sie in dem neyen proiect Untter andern auch abgelesen, daß der Rector deß Jahres 100 fl. haben solte; falß eß also sein solte, därffen sie sich keine Mühe wegen Meiner geben. Dan auch nicht einmahl mein Scolar dißeß Rectorat vor einen indiscreten gehalt annehmen würde."
Noch in dieser Zeit schuf er in der Annakirche, Wien-Innere Stadt - eine der schönsten Barockkirchen - ein kraftvolles Deckenfresko und dazu das Hochaltarbild.
Aus Krankheitsgründen konnte der - mittlerweile seit 1754 verwitwete - Meister nicht mehr viele Aufträge verwirklichen. So musste er, um finanziell bestehen zu können, seine wertvolle Kupferstichsammlung, die ihm zu Inspiration verholfen hatte, veräußern.
Ein Jahr vor seinem Tod malte er sein letztes großes Freskowerk in der ehemaligen Klosterkirche Und bei Krems an der Donau ("Die Erlösung der Welt durch die Entsendung Christi", 1756). Am 16. April 1757 wurde sein Leichnam in der Gruft des St. Pöltener Domes beigesetzt.Gran war ein Meister der Zeichnung; viele kraftvolle Federzeichnungen (eine Mehrzahl davon in Wien, Graphische Sammlung Albertina) bezeugen sein Interesse für Strukturen und Lebendigkeit. Gran konnte aufgrund seines humanistischen Gedankengutes zu vielen Gemäldethemen Stellung nehmen. Sein Werk als Freskant beeinflusste sogar den Tiroler Paul Troger (vergleiche Melk, Zwettl und Altenburg!). Grans Ruf reichte über Österreichs Grenzen hinaus. Noch zu Lebzeiten erschien in Dresden eine kurze Künstlerbiographie.
Er hinterließ beiläufig 100 Einzelfresken, 117 Ölgemälde und Ölskizzen sowie 129 Zeichnungen. Abschließend sei noch erwähnt, dass Daniel Gran unbestreitbar als einer der überragenden Vertreter der barocken Freskenmalerei und Österreich und Wegbereiter des spätbarocken Malstils gilt.Ernst Lanz 1994 / Aktualisiert 2021
Weiterführendes (Auswahl)
- Eckhard Knab: Daniel Gran. Wien - München 1977
- Johann Kronbichler: GRANDEZZA – Der Barockmaler Daniel Gran 1694-1757. St. Pölten 2007
- Daniel Gran/AEIOU
- Daniel Gran/AustriaWiki