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Goethe-Denkmal in Wien#

Von Ernst Lanz

Goethedenkmal an der Ringstraße (nächst Opernring 10) - einen Häuserblock rechts von der Staatsoper entfernt
Goethe-Denkmal, Ringstraße, vor Burggarten - Foto: © Traumrune / Wikimedia Commons / CC BY 3.0
Goethe-Denkmal, Ringstraße, vor Burggarten - Foto: © Traumrune / Wikimedia Commons / CC BY 3.0
Goethe-Denkmal, dahinter die Goethegasse mit dem ehemaligen Schey von Koromla-Palais - Foto: Zyance, Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Goethe-Denkmal, dahinter die Goethegasse mit dem ehemaligen Schey von Koromla-Palais - Foto: Zyance, Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Eines muss ich mal vorausschicken: Johann Wolfgang von Goethe war niemals in Wien. Aber trotzdem stand er in freundschaftlichen Beziehungen und steten Briefwechsel mit verschiedenen Wiener Persönlichkeiten. Wie kam es allgemein zu den Kontakten? Kuraufenthalte in Karlsbad (Karlovy Vary, Tschechien) erlaubten Beziehungen mit Johann Nepomuk Ernst Graf Harrach (1756-1829) - Begründer der berühmten Harrach'schen Gemäldegalerie (heute in Rohrau) - und dessen jüngerer Bruder Karl Borromäus Graf Harrach (1761-1829) - Arzt - sowie Hofrat Johann Melchior Edler von Birkenstock (1738-1809). Goethe besaß auch über seine Schwiegertochte und Enkelin Bezugspunkte zu Wien. Der Historiker Josef Freiherr von Hormayr (1781/1782?-1848) respektierte Goethe und widmete ihn seine neun Bände umfassende "Geschichte Wiens" (1828).
Für Schiller wurde 1876 ein Denkmal errichtet. Dadurch kam der Wunsch auch für seinen Freund Goethe ein gleichermaßen beeindruckendes Monument zu schaffen.
Endlich - 1878 - wurde der Wiener Goethe-Verein etabliert. Seine Aufgabe? Die Schaffung eines dem Weimarer Dichter gerecht werdendes Denkmal.
22 Jahre werden sie dafür brauchen!

Sehen wir uns mal das Denkmal an. Hier wie bei allen anderen Monumenten ein Blick in eine untergegangene Epoche, die wir höchstens erahnen und vielleicht nicht herbeiwünschen sollten.
Die wuchtige Skulptur steht am Opernring, zwischen den Burggarten am Ende der Goethegasse (!) und Palais Friedrich Schey von Koromla [Opernring 10].
Der Dichterfürst aus Weimar sitzt in einem Prunksessel auf dreistufigen Podest, der wiederum auf einem vom nach außen gewölbten Sockel (aus Marmor) steht. Eigentlich eine späthistoristische Bronzestatue, bezeichnet "E(dmund von) Hellmer fecit". Die "k. k. Erzgiesserei Wien 1900" realisierte die Figur. Eine Inschriften-Tafel auf der Rückseite des Sockel rundet das gesamte Monument ab.
Sitzfiguren waren nicht ungewöhnlich. Schon seit der Antike altbewährte Abbildungen hochgestufter Herrscher oder Intellektueller. In Sammlungen etwa Ramses II. (Museo Egizio, Turin), Moses (Michelangelo, Rom) und in Wien wäre das Maria-Theresien-Denkmal zu erwähnen.

(Sitzfigur) Ramses II., Museo Egizio, Turin - Foto: Jean-Pierre Dalbéra, Wikimedia Commons - Gemeinfrei
(Sitzfigur) Ramses II., Museo Egizio, Turin - Foto: Jean-Pierre Dalbéra, Wikimedia Commons - Gemeinfrei
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(Sitzfigur) Moses (1513-15) von Michelangelo Buonarroti, Grabmal (1505 bis 1545) für Julius II., San Pietro in Vincoli, Rom - Foto: Jörg Bittner Unna, Wikimedia Commons - Gemeinfrei

Goethe war eher ein Konservativer mit entsprechender bürgerlicher Weltansicht. Gemächlich und leger sitzt er da und blickt in Richtung des Schillerdenkmales. Nachdenklich...

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Goethe in der römischen Campagna, gemalt 1787 von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein - Ein Teil der Körperhaltung widerspiegelt sich auch am Goethedenkmal - Foto: Wikipedia Commons - Gemeinfrei
Das Wiener Goethe-Denkmal ist in der Reihe thematisch gleicher Denkmäler eher einzigartig anzusehen. Hellmer schuf einen eigenständigen Denkmalstil, der dem Naturalismus verpflichtet war. (Kuntner, 99)
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Goethes Lebendmaske, geschaffen mit ergänzten Haaren, Ohren und Hals, in Gips gegossen von dem Bildhauer Carl Gottlieb Weisser, 1807 - Diese Maske wurde als Vorlage für das Wiener Goethemonument verwendet; Thorvaldsen Museum, Kopenhagen - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei

Der Wiener Goethe-Verein hatte die Kosten dieses Monumentes bestritten. Ein kleiner Überblick über die Entstehungsgeschichte dieses Denkmals: 1890 wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, die in Wien üblichen Streitereien und endlich ein wohlgefälliges Ende. Hier beteiligten sich auch Carl Kundmann und Viktor Tilgner. Allerdings ging Edmund Hellmer als Sieger hervor. Das Modell wurde 1895 fertiggestellt und das danach geschaffene Denkmal wurde am 15. Dezember 1900 enthüllt.

Etliche Vereine und Gesellschaften hinterlegten am Sockel des Denkmals Ehrenkränze (Lorbeer und Palmen). Nur beispielshalber: "Alma mater Rudolphina" (Wiener Universität), kaiserliche Akademie der Wissenschaften, das Freie deutsche Hochstift in Frankfurt am Main, Goethe-Verein, Senckenberg'sche Naturforscher-Gesellschaft in Frankfurt am Main, Goethe-Gesellschaft in Weimar, Wiener Wagner-Verein, Gesellschaft der Musikfreunde (Neue Freie Presse, 16. Dezember 1900, Seite 7)

Edmund Hellmer, zeitgenössische Fotografie, vor/um 1904 - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Edmund Hellmer, zeitgenössische Fotografie, vor/um 1904 - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Hellmer war eine Künstlerseele, die Selbstkritik nur schwer verstecken konnte, vor allem betraf es sein Meisterwerk Goethedenkmal (1904): "Hellmers Goethe-Denkmal ist denn auch unbestreitbar bisher das Beste, welches die Deutschen ihrem Dichterfürsten errichtet haben. Es ist groß gedacht, wuchtig der Kopf mit der Donnerstirne, mit den genußfreudigen Lippen, den alles sehenden Augen. Dieser Goethekopf, bereits Gemeingut aller Goethefreunde geworden, hat sich einen hervorragenden Platz unter den vielen Goethebildnissen errungen.
In seiner Totalität fand das Denkmal geteilte Aufnahme.
Aber nicht dieser halbe Erfolg war es, der den Künstler, wie es tatsächlich der Fall war, tief unglücklich machte; es war vielmehr die eigene Unzufriedenheit mit der seinen Kunstanschauungen widersprechenden Gesamtwirkung des Werkes.
Hellmer hatte das Denkmal in Marmor geplant - das Denkmalkomitee wollte es anders. Da nun der Wunsch eines Denkmalkomitees einmal in Wien Gesetz ist, wurde das Denkmal trotz allen Protestierens Hellmers in Bronze gegossen.
Hellmer grollte mit dem Schicksal, welches ihn verleitete, gegen die eigene Überzeugung zu handeln. "Warum hab' ich mich dazu hergegeben!" - "Es ist dies meine größte Sünde!" rief er oft verzweifelt aus."
(Arth. Rud. Hecht, 592-593)

"Zu majestätischer Ruhe blickt Goethe von seinem Platze am Kaisergarten seinem träumerisch ihm entgegenschreitenden Freunde und Unsterblichkeitsgefährten Schiller auf dem Schillerplatze entgegen. Wie ein Symbol muthet diese Gegenüberstellung der beiden deutschen Dichterfürsten, die schreitende Bewegung des einen, die ruhende Pose des anderen, an. Die stürmische Freiheitsbegeisterung, die das den Idealismus Schiller's seinerzeit erregte, ist von dannen gegangen: ihr Piedestal [Postament] war zu schmal ... Die von Erfahrung gesättigte Lebensweisheit Goethe's erscheint uns unerschütterlich ruhend auf breitem Untergrunde ...
Goethe ist in Wien seßhaft geworden!
" (Illustrirtes Wiener Extrablatt, 15. Dezember 1900, Nr. 343, Seite 2)

"Den Blick zur Sonne gerichtet, in gelassener Majestät, so saß er vor uns, der bronzene Olympier von Weimar, als, auf das vom Kaiser gegebene Zeichen, die weißen Hüllen von den Flaggenstangen sanken. Eine feierlice Stille trat ein; es war ein schöner und ergreifender Augenblick. Wirklich. Ihn selbst glaubten wir zu schauen, den Dichter mit der Stirn des Zeus und mit den Locken des Apollon. Mächtig und behaglich sitzt er da, ein Gewaltiger, und seine herrlichen Augen ruhen durchdringend und wohlwollend auf dem geschäftigen Menschentreiben, das entlang den Stufen seines Thrones, auf der schönsten Straße der Welt an ihm vorüberbraust ..." (Neue Freie Presse, 16. Dezember 1900, Seite 6)

1909 meinte der angesehene österreichisch-ungarische Kunstkenner und -kritiker Ludwig Hevesi folgendes: "Mit einem Denkmal muß man eine Zeitlang gelebt haben, es muß ein Mitbürger geworden sein, dessen Charakter sich bei Regen und Nebel, in Abendstaub und Morgentau, in Sonnenschein und Mondlicht geäußert hat." (Kuntner, 92)

Drei Jahre später wird Hellmer in den Adelsstand erhoben: Edmund von Hellmer. Er lebte von 1850 bis 1935 und ist als Bildhauer dem Historismus und dem Jugendstil zuzuordnen. (Übrigens er war auch an der Schaffung des weltbekannten und meistfotografierten Johann-Strauss-Sohn-Denkmals im Stadtpark beteiligt gewesen.)

Aber ich möchte Goethe zu Worte kommen lassen:

"Was Entwürfe zu Monumenten aller Art betrifft, deren habe ich viele gesammelt und zeige sie gelegentlich; doch bleibt immer das schönste Denkmal des Menschen eigenes Bildnis." (Die Wahlverwandtschaften: Ein Roman. Band 2 1812, Seite 234)

"Wie über die Menschen, so auch über die Denkmäler lässt sich die Zeit ihr Recht nicht nehmen." (Die Wahlverwandtschaften: Ein Roman. Band 2 1812, 245)

Quellen (Auswahl)