Kaiser ohne Land und Macht - Karl VII. - Ein Wittelsbacher versucht Bayern zu einer Großmacht zu erheben#
von Ernst ZentnerNur drei Jahre fungierte der Wittelsbacher Karl Albrecht als römisch-deutscher Kaiser Karl VII.
Er kam als ältester Sohn des Kurfürsten Maximilian Emanuel von Bayern am 6. August 1697 in Brüssel zur Welt. Der Vater amtierte damals als Statthalter der Spanischen Niederlande. Die Mutter hieß Therese Kunigunde und war die Tochter des Polenkönigs Johann III. Sobieski.
Der Kurfürst begab sich wegen seiner profranzösischen Haltung im Spanischen Erbfolgekrieg (1701—14). ins spanisch-belgische bzw. französische Exil. Der erst neunjährige Karl Albrecht geriet mit seinen nächsten Brüdern unter die Obhut Kaiser Josephs l. Auf Geheiß Kaiser Karls VI. erhielten die Wittelsbacherprinzen eine - standesgemäße Erziehung durch Jesuiten in Graz (seit 1711).
Übrigens, Karl Albrecht entwickelte eine ausgeprägte Frömmigkeit, die er später auch als Kurfürst demonstrativ zur Schau stellte.
Nachdem Maximilian 11. Emanuel wieder als Kurfürst von Bayern eingesetzt wurde, kehrte der Kurprinz nach München zurück (1715), Sogleich unternahm dieser eine Bildungsreise und Kavalierstour in Italien, wo er in Rom Papst Clemens XI. besuchte und bei Neapel den Vesuv bestieg (1715—16). Danach hielt sich der Prinz am Wiener Kaiserhof auf und nahm unter Prinz Eugen von Savoyen im Feldzug gegen die Türken — Belgrad - teil (1717-18).
Nach dem Tod des Vaters (1726) folgte Karl Albrecht als neuer Kurfürst. Er beabsichtigte Bayern zu einer Großmacht (!) auszubauen. Assistiert vom Geheimen Ratskanzler Franz Xaver Joseph von Unertl reformierte er den Bayernstaat. Obendrein bedeutete die Regierung Karl Albrechts den Höhepunkt und das Finale des bayerischen Barocks und Rokokos. Die bildenden Künste verband der Landesfürst mit seinen Bestrebungen zur Erlangung der Kaiserkrone. So beauftragte er den Architekten Francois dé Cuvilliés d. Ä. mit der Neugestaltung der Münchner Residenz (1730—37). Ferner errichtete Cuvilliés -im Nymphenburger Park das kleine Jagdschloss "Amalienburg" (1734—39). Ein architektonisches Rokokojuwel; das der großzügige Kurfürst seiner österreichischen Gemahlin widmete.
Kurfürstin Maria Amalia (1701—1756) stellte die jüngere Tochter des 1711 verstorbenen Kaisers, Joseph I. dar. Somit war sie die Nichte Karls Vl. Ihre ältere Schwester Maria Josepha ehelichte den sächsischen Kurfürsten Friedrich August (1719). Danach heiratete Maria Amalia auf Wunsch des Kurfürsten von Bayern dessen Sohn Karl Albrecht. Die Trauung fand am 5. Oktober 1722 in Wien statt. Aus der Ehe entsprangen zwei Söhne und fünf Töchter.
Vor der Eheschließung verzichtete die Braut — wie ihre Schwester — offiziell auf die österreichische Erbfolge (inklusive Kaiserkrone). Ihr Onkel veröffentlichte schon 1713 die "Pragmatische Sanktion" (Unteilbarkeit der österreichischen Monarchie, weibliche Erbfolge: Karls Vl. Tochter Maria Theresia). Das Reich und die Großmächte akzeptierten den kaiserlichen Erlass. Jedoch Karl Albrecht verweigerte diesem Edikt die Anerkennung. Ständig betonte er sein Recht auf die Kaisernachfolge und auf das gesamte habsburgische Erbe (Schon 1156 wurde Österreich von Bayern endgültig abgetrennt!).
1734 verlangte der Bayernfürst erfolglos, dass sein siebenjähriger Sohn Kurprinz Maximilian III. Joseph die um zehn Jahre ältere Maria Theresia heiraten sollte.
Kaiser Karl Vl. starb im Herbst 1740. Schnell machten die Kurfürsten von Bayern und Sachsen ihre Ansprüche auf Österreich geltend.
Preußenkönig Friedrich der Große besetzte Schlesien und schloss bald ein Bündnis mit Frankreich. Der Erste Schlesische Krieg weitete sich zum Österreichischen Erbfolgekrieg aus (bis 1748): Der Wittelsbacher verbündete sich mit Frankreich, Spanien, Sachsen und Preußen. So gestärkt erstürmte er mit bayerischen, sächsischen und französischen Truppen Oberösterreich. In Linz erfolgte seine Ausrufung als Erzherzog von Oberösterreich (2. Oktober 1741). Doch dann gab Karl Albrecht seinem französischen Bündnispartner nach und beendete einen Feldzug in Niederösterreich (60 km vor Wien!). Dafür eroberte er Böhmen und feierte in Prag die Krönung zum König von Böhmen (19. Dezember). (Inzwischen schritt Maria Theresia — seit Sommer 1741 gekrönte Königin von Ungarn — zu militärischen Gegenmaßnahmen.
Mit Unterstützung Frankreichs und Preußens wurde der Kurfürst am 24. Jänner 1742 in Frankfurt am Main zum Kaiser gewählt. Am folgenden 12. Februar setzte ihm sein Bruder, der-Kurfürst-Erzbischof Klemens August von Köln die Krone Karls des Großen auf das Haupt. In der Weltgeschichte besaß "Karl VII." als zweiter Wittelsbacher — nach Ludwig dem Bayern (gest. 1347) und einziger Nichthabsburger in einer Reihe habsburgischer Kaiser (von 1438 an) die Kaiserwürde.
Der neue Kaiser musste Verluste einstecken. Noch um den Krönungstag verlor Karl VII. Bayern und nachher Böhmen an Österreich. Vorübergehend schied Preußen aus (1741/42). Die Franzosen erlitten eine durch Briten, Holländer und Österreicher
beigebrachte Niederlage (bei Dettingen am Main, 1743).
Nebenher entglitt dem Wittelsbachkaiser abermals Kurbayern. Erst nach Hinausdrängen der Österreicher kehrte er Ende 1744
enttäuscht in seine Münchner Residenz zurück. Längst begriff er, dass er nur mehr einen Spielball der Großmächte — besonders Frankreich — verkörperte. Ein Kaiser ohne Territorium und politischer Gewalt. Von Gicht und wittelsbachischer Schwermut gepeinigt, verstarb der "Herrscher" plötzlich. Kaum 48jährig verschied er am 20. Jänner 1745 in München. Damit endeten die Versuche einer bayerischen Großmachtpolitik. Seine letzte Ruhestätte fand der Kurfürst-Kaiser in der Theatinerkirche zu München, und sein Herz kam in die Wallfahrtskirche Altötting bei Burghausen.Sein Sohn Maximilian III. Joseph entsagte der Kaiserkrone und sicherte die Kurstimme dem Ehemann Maria Theresias, Franz Stephan von Lothringen, zur Kaiserwahl zu.
Der vorliegende Text ist eine leicht aktualisierte Fassung: "Kaiser ohne Land und Macht. Vor 250 Jahren starb Karl VII." Von Ernst Zentner. In: Wochenschau 18. Jänner 1995 / Nr. 3, Seite 22 und 59
Quellen
- Peter Claus Hartmann: Karl Albrecht – Karl VII. Regensburg 1985
- Rudolf Reiser: Karl VII. München 2002
- Hans und Marga Rall: Die Wittelsbacher. Von Otto I. bis Elisabeth I. Originalausgabe 1986 Graz Wien Köln; Regensburg; Sonderausgabe 1994 Wien, Seite 155 bis 162: Kurfürst Karl Albrecht von Bayern (Kaiser Karl VII.)
- Fritz Wagner : Karl VII., Kaiser, Kurfürst von Bayern. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 11 Berlin 1977, 218 f.
- Karl VII. (HRR)/Wikipedia
- Kaiser/AEIOU (Herrschertitel)
Ernst Zentner 1995/2019