Ludwig II. - Bayerns Märchenkönig#
Von Ernst Lanz
Im Schloss Nymphenburg bei München kam König Ludwig II. von Bayern zur Welt (25. August 1845).Er war der Sohn König Maximilians II. von Bayern und der Prinzessin Marie von Preußen. Ludwig erlitt eine freudlose Jugend und erhielt eine eher verfehlte Ausbildung. Neben Deutsch beherrschte er Französisch und widmete sich ausgiebig der vergangenen Hofkultur des Sonnenkönigs Ludwigs XIV. von Frankreich.
Gleich nach dem Tod des Vaters trat der knapp 19jährige Wittelsbacher unvorbereitet das Königsamt an (10. März 1864). Ludwig - intelligent und feinfühlig - pflegte das Monarchentum alter Prägung, achtete auf einen unnahbaren Status und neigte zu liberaler Überzeugung - zum Ärger mancher Zeitgenossen.
Bayern fungierte früher als eine der führendsten Mittelmächte Deutschlands. Der junge Machthaber - ein engagierter Antipreuße - bestand stets darauf, dass die Souveränität Bayerns unangetastet blieb. Seine Mutter nannte er einfach eine "preußische Gebärmaschine".
Bald scheute Ludwig II. die Öffentlichkeit. Mit der Zeit überließ er die Regierungsgeschäfte dem Ministerkabinett, und kontaktierte mit diesem nur mehr über seine Dienerschaft. Der höchste Landesherr entwickelte eine Abneigung gegenüber seinem Volk.
Während außen- und innenpolitischer Entscheidungen, gesellschaftlicher Spannungen (Liberalismus; Kulturkampf) und wirtschaftlicher Veränderungen erwies sich der Wittelsbacher als kraftloser Landesfürst.
Bayern verlor den Krieg an der Seite Österreichs gegen Preußen (Königgrätz, 1866). Widerwillig nahm der Bayernkönig im Deutsch-Französischen Krieg (1870/71) teil und hoffte auf eine friedliche Beilegung des Konfliktes. Angetrieben durch den "Eisernen Kanzler" Otto von Bismarck (1815-1898) überredete Ludwig den Preußenkönig Wilhelm I. zur Annahme des erblichen Kaisertitels. Damit erfolgte die Errichtung des deutschen Kaiserreiches unter preußischer Einflussnahme, was freilich Ludwig nachher tief bereute. (Die Proklamation Wilhelms I. zum deutschen Kaiser erfolgte - unklugerweise - im Spiegelsaal von Versailles am 18. Januar 1871.)
1867 verlobte sich Ludwig mit seiner Cousine Sophie Charlotte, Herzogin in Bayern. Nur fühlte er sich zu ihrer älteren Schwester Elisabeth ("Sisi", Kaiserin von Österreich) geistig hingezogen. Noch im erwähnten Jahr wurde die Verlobung vorgeblich wegen seiner homoerotischen Veranlagung aufgelöst.Seine unbestreitbar größte Leistung manifestierte sich in der Förderung des gewaltigsten Musikgenies aller Zeiten, nämlich Richard Wagner (1813-1883). Der König berief überraschenderweise 1864 den hochverschuldeten Komponisten nach München, wo dieser seine außergewöhnlichsten Werke aufführen durfte (1865: "Tristan und Isolde"; 1868: "Die Meistersinger von Nürnberg"). Der König plante für Wagner sogar ein eigenes Opernhaus zu errichten. Öffentliche Kritik an Wagner wegen seiner Nähe zum König brachte den Künstler 1866 dazu, München überstürzt zu verlassen. Dennoch unterstützte Ludwig den Meisterkomponisten weiterhin.
Ludwig unterhielt mit dem österreichisch-ungarischen Charakterdarsteller Joseph Kainz (1858-1910), der damals in München gastierte, ein freundschaftliches Verhältnis, das aber aus mentalitätsbedingten Ursachen nicht sehr lang andauerte (1881-83). Der König verkroch sich immer in eine selbst geschaffene Traumwelt. Ihr Kern lag angesiedelt zwischen romantischen Mittelalter und französischen Barock. Dadurch befahl er den Bau der Historismus-Schlösser Neuschwanstein (bei Füssen; 1868-86), Linderhof (bei Oberammergau; 1869-78) und Herrenchiemsee (1874-85). Das vom Hoftheatermaler Christian Jank entworfene neuromanische Neuschwanstein gilt heute als absolutes Märchenschloss - Nachbildungen in diversen Disneylands - und beliebte Sehenswürdigkeit. Wohingegen Linderhof und Herrenchiemsee die barocke Aura Versailles widerspiegeln.Früh zeigten sich bei dem Bayernkönig Symptome einer beginnenden Geisteskrankheit. Der hochgewachsene sympathische Jüngling veränderte sich zu einem korpulenten Menschenfeind. Ungebrochen frönte er seiner Baulust - seinem einzigen Vergnügen wie er selbst angab. Lediglich die Vollendung von Linderhof erlebte er. Um die anderen Bauten fertigstellen zu können brauchte er Geld - sogar Bismarck übersandte ihm eine relativ hohe Summe. Das (bayerische) Finanzministerium lehnte vehement das königliche Ansinnen einer neuerlichen Geldforderung ab (April 1886). Ein hinzugezogener Psychiater - Dr. Bernhard von Gudden - erklärte den König für unheilbar geisteskrank. Sogleich übernahm Ludwigs Onkel Prinz Luitpold die Regentschaft (9./10. Juni 1886). Der geschockte Herrscher dachte daran, wie sein jüngerer Bruder Prinz Otto von Bayern - geistig umnachtet - unter Kuratel gestellt wurde. Der regierungsunfähige Monarch ließ sich widerstandlos von Neuschwanstein nach Schloss Berg am Starnberger See (12. Juni 1886). Einen Tag später ertrank der Wittelsbacher 41jährig - mit Dr. Gudden - unter rätselhaften Umständen im Starnberger See (13. Juni 1886). Hiermit begann die "Ludwigslegende". Der Leichnam erhielt in der Münchner St. Michaelskirche seine letzte Ruhestätte. Sein Herz kam in die Wallfahrtskirche Altötting bei Burghausen.
Ludwig II. war gewiss ein Exzentriker, ein Unverstandener und ein übertriebener Schöngeist. Eine Persönlichkeit voller Widersprüche und Missverständnisse. Dahinter verbarg sich der Mensch "König Ludwig II. von Bayern", der zum Gegenstand wissenschaftlicher Abhandlungen und großer Kinofilme wurde. Sogar ein ihm gewidmeter neuer Theaterbau wurde errichtet und ein Musical wurde zum Publikumserfolg ("Ludwig II. – Sehnsucht nach dem Paradies"). 570.000 BesucherInnen frequentierten die Bayerische Landesausstellung "Götterdämmerung: König Ludwig II. und seine Zeit" im Schloss Herrenchiemsee (2011). Gegenwärtig wird der einstige Bayernherrscher als überragende Gestalt bayerischer Landesgeschichte und eigenartige Kultfigur betrachtet.
Quellen (Auswahl)