Peter Rosegger: Viel hat er mit seiner Feder geplaudert#
Von Ernst Zentner
Aller Kräfte größte ist die Wahrheit, aller Wahrheit beste ist die Weisheit, aller Weisheit höchste ist die Güte.[1]
Wir sind Menschen – seien wir's auch![2]
Die grüne Mark bietet nicht nur einen muskelbepackten Schauspieler für US-amerikanische Spielfilme, sondern auch einen Schriftsteller, eher Erzähler: Peter Rosegger. Einer von vielen. Er als kultureller Tourismusmagnet? Wozu? Genügten der Waldreichtum und Erholungswert der Steiermark nicht mehr? Um Alpl zu sehen, Roseggers Geburtshaus zu frequentieren, sein Wohnhaus und seine von ihm initiierte „Waldschule“ zu inspizieren?Biographische Einzelheiten „zerfallen“ in zentrale Linien, die alle auf ein geographisches Gebiet zwischen Mürzzuschlag, Krieglach, Alpl, St. Kathrein am Hauenstein und Ratten münden: Inmitten der Fischbacher Alpen die „Waldheimat“, welcher der Autor in selbstbiographischer und -loser Weise ein literarisches Hauptwerk widmete. Poesie und Fabulierkunst gingen bei ihm ein und aus ohne die „stoa-steirische“ Identität zu verleugnen. 1993 widmete die Steiermark ihm eine eigene steiermärkische Landesausstellung.
Ein Meister der literarischen Darstellung der Dorfgeschichte als Roman ohne gewagt kurzweilig zu werden. Pflichtlektüre für den mündigen österreichischen Staatsbürger? Nebst Ludwig Anzengruber, Robert Hamerling und Adalbert Stifter. Nachklang des Biedermeier, vollster Josephinismus und greiser franzisco-josephinischer Kaiserwelt zwischen Königgrätz und Sarajewo.
Rosegger als verkappter Feind des Judentums? Eher ein Kleinbürger mit gewohnter Tendenz zur generellen Ansicht des Antisemitismus‘ und ärgerlichem Bekenntnis zu deutschnationaler Gesinnung … Ein steirischer „Waffensegen“ und Chauvinismus mit Pfeilrichtung Krieg und viel später von den Nazis vereinnahmt – obwohl er schon so lange auf dem Krieglacher Friedhof begraben liegt. Volkstümliche Literatur, die kaum jemanden das Gehirn strapazierte, und mit der sich ein jeglicher identifizieren konnte …
Der Dichter bekam schon Heimweh, wenn er seine grüne Heimat verließ. Immer betonte er das Pandämonium des Grauen in der Großstadt und bejubelte die ländlich-dörfliche Idylle. Er selbst wohnte eines Gutteils seines Lebens in einer Stadt – Graz …
Hätte er doch Geistlicher werden sollen? Stattdessen schneiderte er Kleider. Dann unternahm er erfolgreich den Besuch einer Akademie für Handel und Industrie. Um danach endlich freier Schriftsteller zu werden. Inmitten des Kulturkampfes um kirchliche Heirat und Erziehungsaufgaben schwenkte er ins liberale Lager und strapazierte Kirche, Staat und Welt in etlichen Romanen. Nichtsdestoweniger in seiner eigenen Monatsschrift „Heimgarten“ nahm er mehr als nötig Stellung zu politischen Alltagszerfleddereien. Einige Bemerkungen zur Nationalitätenfrage im alten kaiserlichen Österreich-Ungarn kostete ihn den begehrten Nobelpreis für Literatur, der dagegen an einen Inder abging.
In der Steiermark, als er geboren, fuhr die erste Eisenbahn, und als er starb, stand der große Weltkrieg im letzten Jahr!
Rosegger, der einstige „Waldbauernbub“, dem die Versteigerung des väterlichen „Kluppeneggerhofs“ als grauenvolles Trauma widerfuhr, war ein Seher, der die Folgen des Industriezeitalters – miteinbegriffen Öko-Katastrophen – erkannte. Schon damals betrachtete er angsterfüllt die hohen Schornsteine der Fabriken und manche Kahlschläge in heimischen Wäldern. Er, das „Nationaldenkmal“ der Steiermark, ein mahnender Prophet? Ein früher – politischer – Grüner?
Um auf dem Titel meines Essays zurückzukommen: Rosegger schrieb es so: "All meine Tage habe ich mit der Feder nichts anderes getan als aus meinen Leben geplaudert."
Anmerkungen
[1] https://gutezitate.com/autor/peter-rosegger/16
[2] https://gutezitate.com/autor/peter-rosegger/25
Quelle (Auswahl)
- Peter Rosegger: Mann des Jahres – Steirische Berichte 3/4 93 (Graz [1993])
- Gerald Schöpfer: Peter Rosegger. Sein Leben in Wort und Bild. ([Prag] 2018)
Ernst Zentner 1993/2021
Abbildungen
Weiterführendes