Tizian - Meister der Farbe und seelischer Tiefen in seinem Werk#
Von Ernst ZentnerIm Kunsthistorischen Museum Wien befinden sich in der Gemäldegalerie einige Werke eines Tizian u. a.: "Christus mit dem Globus", "Ecce Homo" und "Jacopo Strada" sowie "Der Arzt Gian Giacomo Bartolotti da Parma". Sie sind interessante Beispiele eines Kunstmalers, der versuchte neue Wege zu gehen. Innere versteckte geistige Programme versuchte er sichtbar zu machen. Fast Vorgänge mittels Farbenspiel und Seelenwerke sichtbar ans Tageslicht zu bringen. Vielleicht ist das übertrieben? Nein, sicher nicht. Tizian stellte damals völlig neue Maßstäbe auf. Jede abgebildete Person in seinem Werk bietet einen eigenen Charakter. Diese erwähnten Bilder sind nur bloßer kleiner Teil seines Gesamtwerkes, das in der Weltkunst schon lange fest verankert ist.
Tizian war ein italienischer Maler. Die Epoche der Renaissance war seine Welt. Geboren wurde er zwischen 1488 und 1490 in Pieve di Cadore (Rep. Venedig) und starb im August 1576 in Venedig. Wegen seines Geburtsortes nannten ihn die Zeitgenossen auch "Da Cadore".
Sehr früh zeigte sich in ihm seine künstlerische Begabung. Als Neunjähriger wurde er nach Venedig geschickt, wo ihn die Brüder Gentile und Giovanni Bellini ausbildeten. 1513 eröffnete er bei San Samuele in Venedig eine eigene Werkstatt. Hiermit begann sein Ruf europaweit.
Tizian verkörperte mit seinem Stil die Venezianische Schule.
1590 erklärte ihn der Maler (Manierismus), Kunsthistoriker und Kunsttheoretiker Giovanni Paolo Lomazzo zur "Sonne inmitten kleiner Sterne nicht nur unter den Italienern, sondern auch unter allen Malern der Welt" (Britannica).
Bei Tizian kann ich mich des Eindruckes nicht erwehren, dass Abbildungen von Frauen vor allem in Kunstwerken sakraler, mythologischer oder allegorischer Inhalte richtig madonnenhaft oder mütterlich wirken. Wohingegen Männer als Regierende oder Verantwortungsträger, sei weltlich oder geistlich, agieren. Letztere waren auch seine finanzstarken Auftraggeber.
Als junger Künstler war er kreativ und verstand innere Sinngebungen in seinen Gemäldewerken zu verarbeiten. Doch dann beschränkte er sich auf die Klientel aus der Führungsschicht.
Tizian erwies sich als meisterhaftes Genie in der Porträtkunst. Der einflussreichste und aus Wien stammende britische Kunsthistoriker Ernst H. Gombrich (1909-2001) meinte: "Kein Wunder, dass die Großen dieser Welt miteinander um die Ehre wetteiferten, von diesem Maler gemalt zu werden. Nicht, dass Tizian geneigt gewesen wäre, eine schmeichelnde Ähnlichkeit hervorzurufen, vielmehr gab er ihnen die Überzeugung, dass sie durch seine Kunst weiterleben würden. Sie taten es, so will uns scheinen."[1]
Giorgio Vasari warf Tizian vor, dass er mit seinen Schülern und Assistenten wenig gut konnte, er sie weder förderte noch unterrichtet haben soll. Tizian galt dadurch als Maler, der die Konkurrenz fürchtete. Doch gerade deswegen wurden seine Schüler einfallsreiche und imposante Könner ihres Faches. Ihre Namen sollen hier nicht verschwiegen werden: Paris Bordone, Bonifazio Veronese, El Greco und Palma il Giovane. Gerade El Greco, dessen Stil eher zeitungebunden wirkt und eher in unsere Epoche hineinragt.
Tizians Kunst inspirierte etliche Generationen an Künstlern. Nur um die wichtigsten zu nennen: Diego Velázquez, Peter Paul Rubens, Anthonis van Dyck, Rembrandt van Rijn und Francisco de Goya.
Tizians berühmtestes Gemälde war das Reiterbildnis Karls V. (1548, Prado). Es zeigt den Herrscher in beherrschender Dominanz über dem Schlachtfeld. Das in diesem Gemälde verborgene Rot verrät die unglaubliche Kraft, die dieser spanische Habsburger über sein Weltreich, in dem die Sonne nie untergehen sollte, innehielt.
Anbei eine bei Vasari überlieferte Anekdote. Karl V. wollte nur von Tizian gemalt werden. Der Künstler reiste einmal nach Bologna, wo der Kaiser eine Zeitlang Hof hielt. Dort ließ er sich auch porträtieren. Dem Künstler fiel einmal der Pinsel aus der Hand. Karl V. hob den Pinsel auf und sagte: "Tizian verdient vom Kaiser bedient zu werden." Der Stellenwert des Künstlers wurde damit umrissen. Allerdings, die Höflinge entfachten ihre Eifersucht.
Sehen wir die Symbolik der Farben von heute: Rot steht für Schönheit und Sinnlichkeit, Grün für die Hoffnung und Erwachen in der Natur. Blau für den Himmel, für die Ewigkeit und für Gott - die religiöse Komponente der Zeit in der Tizian lebte muss berücksichtigt werden (Martin Luther, Reformation!). Braun für die Erde, Violett für die Buße, Rosa für die Lebensfreude und Gelb steht für unbewältigte Konflikte. Natürlich sind das bloße Interpretationen. Künstler hatten sich schon immer in der Gesamtheit der in der Natur vorkommenden Farben bedient. Ihre mit Öl gebundenen Farbpigmente stammten von jeher aus feinst geriebenen organischen oder anorganischen Substanzen.
Bildteil (Eine Auswahl seiner wichtigsten und interessantesten Werke)
© Ernst Zentner 2019
Anmerkung
[1] Gombrich, 253
Quellen (in Auswahl)
- Tizian/AustriaWiki
- Ian G. Kennedy: Tizian. Köln 2006
- Wilhelm Schlink: Tizian. Leben und Werk. München 2008
- Titian/Britannica
- Ernst H. Gombrich, Die Geschichte der Kunst. Englische Erstausgabe 1950. Inzwischen - auch in deutscher Fassung - mehrmals aufgelegt. Berlin 2016