ΜΕΤΑΜΟΡΦΩΣΕΩΝ libri XV#
Weben Wandel Wort - Einige Aspekte zu Ovids Webkunst#
Maga Doris Reiser und Maga Margareta Divjak-MirwaldVortrag von Maga Margareta Divjak-Mirwald am 10. Sept. 2018 im Rahmen von Kunst im Karner, Mödling
"Die Weberei hat in alter Zeit für das Weltbild der indogermanischen Völker den Rahmen abgegeben“ (W. Porzig in Die Attische Tragödie, Leipzig 1926, zit. in Schmitt, Indogermanische Dichtersprache, Wissenschaftliche Buchgemeinschaft, Darmstadt, 1968.)
Die Altphilologin Margareta Divjak-Mirwald stellte in ihrem sehr strukturierten Vortrag zu Ovids Metamorphosen einige etymologische Erklärungen an den Anfang: an Hand von vedischen, griechischen und lateinischen Textbeispiele und Keilschriftaufzeichnungen aus dem Zweistromland ist bereits seit frühester Zeit ein Zusammenhang vom Weben als Tätigkeitsbereich (meist von Frauen) und Gesang abzulesen. Allerdings stammt aus dem vedischen Bereich ein sehr deutlicher Hinweis, dass Männer „Melodien zu Webschiffchen gemacht haben, um zu weben RV. X 130, 2d). Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass – wie auch bei Homer erwähnt - die komplizierten Webmuster durch Absingen von speziellen Liedern „angesagt“ wurden (vgl. Kirkemotiv: Hom. Od. 5,55 und Kalypsomotiv: Hom. Od. 10,220). Später wurden die Worte für weben, fügen Synonyme für ʿsingen, dichtenʾ sowohl im Altindischen, Avestischen aber auch im Griechischen und Lateinischen. In anderen Textstellen wird klar, dass die Webkunst ein Informationsträger zur Konservierung, aber auch Verbreitung von Nachrichten war. Webmuster und Versmaße bilden gleichermaßen Muster, die auch in Teppichen transportiert wurden. Diese Zusammenhänge gibt es auch im Lateinischen und sogar noch in unserer Sprache: Textil als etwas Gewebtes und Text als Informationsträger haben die gleiche Wurzel (idg. Wurzel: * tk̂-, oder *tek̂, aber auch „dichten“ hat mit seinen beiden Bedeutungen Verbindung in beide Richtungen. Zur Illustration ein Vergleich der Struktur des Proömiums der Metamorphosen (Ov. Met. I 1, 1-4) mit einigen traditionellen Webtechniken der Antike. Die färbig markierten Wörter bezeichnen syntaktisch, lexikalisch oder morphologisch zusammengehörige Begriffe (∽ Stilmittel, Redefiguren etc.)
Nach einem Überblick zu Ovids Leben und Werken wurden zwei Metamorphosen näher besprochen: Niobe und Arachne. Auch im Niobemythos (Ov. Met. VI 146,312ff) wurde eine deutliche Übereinstimmung von Textteilen mit bekannten Webmustern gezeigt. Im Arachnemythos (Ov.met. VI, 1-145) gibt der Autor im Textabschnitt über Arachne eine punktgenaue Darstellung der Webtechnik an und schildert in dem Textabschnitt über Athene detailgetreu den gesamten Fries des Parthenons. Hier ist ein kaum mehr zu überbietender Kulminationspunkt von Kunst erreicht. Der Dichter webt in seine Figuren die Beweggründe des Wettkampfes, indem er gleichzeitig den Ursprung des Webens darlegt, und schildert durch seine Beschreibung die figürlichen Darstellung des Parthenonfrieses. Im wahrsten Sinne ein Lied, das über Jahrhunderte Bestand haben wird. Und dennoch ist es bei allem Verständnis für das Los Arachne’s die Göttin Pallas Athene, die den Menschen ihr Wissen weitergibt und sie auf diese Weise an ihrer Kunst teilhaben lässt.
Ein kleines Beispiel für den numerischen Code eines Webstückes: Um das hier abgebildete Textilstück zu erhalten muss der Weberin (oder dem Weber) der genaue Farbverlauf der beiden Fäden (vertikal und horizontal) ständig bewusst sein. Um diese Arbeit zu erleichtern, wird ein numerischer Code angegeben.
Siehe Vorlage/Skizze, der numerische Code, z.B. 7 Schlingen blau, 2 Schlingen rot etc., Das fertige Webstück
Der sehr vielschichtig aufbereitete Vortrag zeigte einige nicht so bekannte oder auf der Hand liegende Zusammenhänge zwischen Dichtkunst und Webtechnik auf und lässt uns auch Ovid mit anderen Augen lesen und interpretieren.