Brille#
Ende des 13. Jahrhunderts erfand ein Italiener die Brille. Da Lesen nicht Allgemeingut und die Lesehilfe teuer war, galt sie als Zeichen der Intelligenz. So ist wohl auch das Fresko "Allwo die Kuh am Brett spielt" an der Fassade des Hauses Wien 1, Bäckerstraße 12, zu deuten. Es stellt die Allegorie des Machtkampfes zwischen Katholiken (Kuh) und Protestanten (Fuchs) dar, wobei die Kuh eine Brille trägt. Der Name „Brille“ (mhd. berille) leitet sich vom Beryll ab. Die ersten, im 13. Jahrhundert verwendeten Sehhilfen waren geschliffene Halbedelsteine (Bergkristalle). Ein 1240 ins Lateinische übersetztes arabisches Werk beschreibt die Wirkung des Lesesteins. Wahrscheinlich waren Mönche die ersten, die ihn daraufhin in Europa nützten. Die älteste Darstellungen von Brillen finden sich auf - um 1352 entstandenen - Fresken in Treviso (Italien). Darauf hält einer der Dominikaner ein Einglas dicht an sein Auge. Ein anderer trägt eine genietete Brille auf der Nase. Berühmt ist der „Brillenapostel“ auf dem Altar der Kirche von Bad Wildungen (Deutschland), 1403. Der englische Optiker Edward Scarlett baute 1727 die erste Brillenfassung. 1877 erfand der deutsche Naturwissenschaftler Adolf Fick (1829 -1901) Kontaktlinsen aus Glas.
Noch um 1900 bestand in Wien keine Qualitätskontrolle für Brillen. Für die 80.000 Bewohner Favoritens gab es einen einzigen Optiker. Eine große Firma, die vorgab, Brillen selbst herzustellen, beschäftigte sich hauptsächlich mit dem Import ausländischer Waren, die sie (verbotenerweise) von Hausierern vertreiben ließ. „Die Firma gibt ein Dutzend um 1,20 fl., der Hausierer verkauft das Stück um 30-40 kr.“ In Wien geschah das vorzugsweise am Wochenende in Gasthäusern und Cafes, wo sich viele Personen aufhielten, die von der wöchentlichen Lohnauszahlung über Bargeld verfügten.
Quellen:
Otto: Krammer: Wiener Volkstypen, S. 51, 96
Verein für Socialpolitik: Hausiergewerbe in Österreich. Leipzig 1899. S. 18
Bild:
Dame mit Stielbrille (Lorgnette), Postkarte um 1900. Gemeinfrei
Siehe auch:
Heimatlexikon