Brauchtum - warum ? 12#
Helga Maria WolfAlle Fotos: Wolf, historische Bilder: gemeinfrei
Im Advent ist nicht zu übersehen, dass ein großes Fest bevorsteht. In Stadt und Land funkeln die Lichterketten. Hotels und Geschäfte glitzern im Weihnachtsschmuck. Man kauft, packt ein und bäckt, schreibt Karten, besucht Weihnachtsmärkte und verfällt zeitweise in Besinnlichkeitsstress. Im Jahreslauf der Bürofolklore spielen Weihnachtsfeiern in Betrieben und Vereinen eine Rolle. Es werden Ansprachen gehalten, Geschenke verteilt, man isst und trinkt viel. Das erinnert an den über Jahrhunderte hinaus öffentlichen Charakters des Weihnachtsfestes.
Advent#
Während das bürgerliche Jahr seinem Ende zugeht, beginnt mit dem 1. Adventsonntag das Kirchenjahr. In ihren ersten Jahrhunderten kannten die Christen keine chronologische Aufgliederung des Heilsgeschehens. Dieses Bedürfnis entwickelte sich nach der so genannten konstantinischen Wende: 313 erließ Kaiser Constantin I. (288-337) das Edikt von Mailand zum Schutz der Christen. Sein Sohn Constantinus II. (317-361) verbot 354 die heidnischen Kulte und ließ sich auf dem Sterbebett taufen. 392 erhob Kaiser Theodosius (347-395) das Christentum zur Staatsreligion. 431 beschäftigte sich das Dritte ökumenische Konzil in Ephesos mit der Gottesmutterschaft Mariens. Danach wurde - nach dem Modell der Osterzeit - der Weihnachtsfestkreis konstruiert. Die vierwöchige Adventzeit gilt erst seit dem 16. Jahrhundert für die ganze Kirche, bis 1917 war sie eine Fastenzeit. Für die Wirtschaft sind die Wochen vor Weihnachten die umsatzstärksten des Jahres. Zahlreiche Adventmärkte werden abgehalten, oft von karitativen Organisationen, die auch Punschhütten betreiben. In Wien ist der "Adventzauber" bzw. "Christkindlmarkt" eine Attraktion, wo seit einigen Jahren junge Christkinddarstellerinnen auftreten.
Adventkranz#
Erfinder des Adventkranzes war der sozial engagierte evangelische Theologe Johann Hinrich Wichern (1808-1881), der in Hamburg das Jugendheim "Rauhes Haus" leitete. In den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts stellte er bei den Adventandachten im Saal Kerzen auf, die nacheinander angezündet wurden. Später sollen dort 24 Adventerzen auf einem Leuchter oder Luster - 4 große weiße für die Sonntage und kleine, rote für die Wochentage, gebrannt haben. Auch von einem wagenradgroßen Holzkranz ist die Rede, der später mit Reisig geschmückt wurde. Aus den Städten des protestantischen Nordens kam der Brauch langsam in den katholischen Süden. In Österreich ist er seit den 1940er- Jahren bekannt. Der so genannte liturgische (katholische) Adventkranz trägt drei violette und eine rosa (dritte) Kerze - in den Farben der Messgewänder der Adventsonntage.
Adventkalender#
Adventkalender sollen den Kindern die Wartezeit bis zum Heiligen Abend verkürzen, indem sie für jeden Tag eine kleine Überraschung beinhalten. In größeren Auflagen gedruckt wurden Adventkalender ab 1903 in der Lithographischen Kunstanstalt München, die auch Bilderbogen herstellte. Der damals 24-jährige Firmenteilhaber Gerhard Lang erfand den Adventkalender aus zwei Bogen. Auf einem waren die Tage aufgedruckt, auf dem anderen für jeden Tag ein Bild. Die Kinder schnitten die Bilder aus und klebten sie auf.
8. Dezember - "Maria Empfängnis"#
Der offizielle Name des Feiertages lautet "Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria". Er hat nichts mit der immerwährenden Jungfräulichkeit der Muttergottes zu tun, die seit dem 4. Jahrhundert lehramtlich festgelegt ist, sondern mit ihrer Erbsünde-Freiheit. Gegenstand des Festes ist der Glaube, dass Maria "durch ein einzigartiges Gnadenprivileg des allmächtigen Gottes im Hinblick auf die Verdienste Christi Jesu, des Erlösers des Menschengeschlechtes, von jedem Makel der Erbsünde unversehrt bewahrt worden ist", wie Pius IX. 1854 definierte. Sein Dogma untermauerte den Feiertag. In Österreich wurde dieser nach dem 2. Weltkrieg aufgrund einer Unterschriftenaktion von 1,5 Millionen Unterzeichnern wieder eingeführt. 1990 erfolgte eine Gesetzesänderung, die das Offenhalten der Geschäfte am 8. Dezember ermöglicht.
Rorate#
Ein liturgischer Brauch an den Wochentagen bis zum 16. Dezember sind die Roratemessen. Ursprünglich Votivmessen zu Ehren der Muttergottes an den Adventsamstagen, haben sie ihren Namen vom lateinischen Anfang des bekanntes Liedes "Tauet Himmel den Gerechten" (Rorate coeli ...) Man nannte die Rorate auch Engelamt, weil das Evangelium von der Verkündigung durch den Engel Gabriel handelt (Lk 1,26-38). In der Barockzeit wurde dies szenisch dargestellt. Die "Goldenen Messen" fanden am frühen Morgen (bei Kerzenlicht), vor dem ausgesetzten Allerheiligsten oder mit sakramentalem Segen statt.
Herbergsuche#
Der typische Brauch der neun Abende vor dem Heiligen Abend ist die Herbergsuche, auch Frautragen genannt. Es geht um die nicht-biblische Szene, bei der ein hartherziger Wirt Josef und der schwangeren Maria den Einlass verweigert. Der Brauch besteht darin, ein Marienbild oder eine Statue jeden Abend zu einer anderen Familie zu tragen, wo man sich zum (Rosenkranz-) gebet versammelt. Er wurde seit dem 16. Jahrhundert von den Jesuiten verbreitet. In der Barockzeit entwickelte sich ein beachtlicher Kult um die „Herbergsuche in Bethlehem“, forciert durch neue Gebetbücher, Lieder und Flugblätter. Um 1900 kam ein starker Impuls aus dem Münchener Servitinnenkloster. Zwischen 1892 und 1914 erschien der populäre Text „Geistlicher Krippenbau“ in zahlreichen Auflagen.
24. Dezember - Heiliger Abend#
25. Dezember - Hochfest der Geburt des Herrn#
Wann Jesus geboren wurde, ist nicht bekannt. Das Fest seiner Geburt ist in der Stadt Rom entstanden und für den 25. Dezember 336 historisch belegt - eine Reaktion der römischen Christengemeinde auf das - 274 eingeführte - staatliche Geburtsfest des “unbesiegten Sonnengottes” (Natale Solis invicti).
Im Mittelalter kannte man mehrere Kinderbeschenktage in der Weihnachtszeit, doch nicht den Heiligen Abend: den Tag der Unschuldigen Kinder (28. Dezember), seit etwa 1300 den Nikolaustag (6. Dezember) für Buben und den Luzientag (13. Dezember) für Mädchen. Wie der Christbaum ist das Christkind als Gabenbringer eine Erfindung des Vormärz. Es entsprach perfekt dem biedermeierlichen Zeitgeist und der neuen familiären Feierkultur, obwohl schon Martin Luther im Hinblick auf das Kommen des Christuskindes zu Weihnachten eine Ablöse des Nikolausbrauches gefordert hatte.
Im 18. und 19. Jahrhundert waren die Dichter Friedrich Schiller (1759-1805) und Johann Wolfgang Goethe (1749-1832) in Deutschland Wegbereiter für den Christbaum. Der Wiener Kongress begann im Herbst 1814, wenige Monate später wurde das erste “Christbaumfest nach Berliner Sitte” aktenkundig. Der geschmückte Baum stand in der Familie des jüdischen Bankiers Nathan Adam Arnstein (1748 - 1838) und seiner aus Berlin stammenden Gattin Franziska (1758 - 1818). Ihr großbürgerlich-liberaler Salon bildete einen Mittelpunkt des damaligen Kultur- und Gesellschaftslebens. So fand der Christbaum bald Eingang in die tonangebenden Kreise Wiens.
Als "Brauch ohne Glaube" bezeichnete Leopold Schmidt 1977 den "Christbaum für alle". (Seither sind Adventkränze und Krippen "für alle" dazugekommen) 1871 berichtete die Familienzeitschrift "Gartenlaube" von einem "Christbaum für alle" bei Schulen und Kirchen. 1912 stand der erste auf einem öffentlichen Platz, dem Madison Square in New York, 1915 und 1919 gibt es Belege aus Deutschland, Schweden und Norwegen. Symbolische Baumgeschenke gab es erstmals 1945 durch die Norweger für London. In Wien erhebt sich seit 1959 ein Baum aus jeweils einem anderen Bundesland - erstmals: Kärnten - vor dem Rathaus. Die offizielle Übergabe und die Illumination sind beliebte öffentliche Gebärden der Stadtregierung.
Für die meisten Kinder und Erwachsenen steht zu Weihnachten die Bescherung im Vordergrund. Der Wert der Geschenke unter dem Christbaum ist den vergangenen Jahrzehnten beträchtlich gestiegen. Das Zentrum der religiösen Bräuche bildet die Christmette. Mette ist die eingedeutschte Bezeichnung von Matutin, das klösterliche Stundengebet um Mitternacht. Nach dem Vorbild der Osternacht zelebrierte man in Jerusalem zu Weihnachten zwischen 21 und 3 Uhr einen Gottesdienst. Diesen Brauch übernahm der Papst, da sich in der römischen Kirche Santa Maria Maggiore eine Nachbildung der Geburtsgrotte mit Reliquien befand.
Das Krippenspiel am Anfang der Mette kam wohl um 1200 in Frankreich (Rouen) auf. Ein als Engel verkleideter Chorknabe kündigte die Geburt Christi an, Kleriker spielten die Hirten. Sie näherten sich in Prozession einer im Chorraum aufgestellten Krippe. In der Barock- und Biedermeierzeit wurden daraus heitere Darbietungen. Mechanische Krippen und Marionetten spielten weihnachtliche und weltliche Szenen. Einen Eindruck davon geben noch heute das Traismaurer Krippenspiel (Niederösterreich ) und das Steyrer Kripperl (Oberösterreich).
Die Aufstellung von Krippen soll auf die Feier Franz' vom Assisi am Heiligen Abend 1223 zurückgehen. Während in den Kirchen die Krippenfeier mit gebotenem Ernst stattfand und in Rom die angeblichen Reliquien der Krippe verehrt wurden, hatte er vom Papst die Erlaubnis erhalten, ein Spiel in der Natur zu inszenieren. Ein Adeliger stellte Platz in seinem Wald, eine Krippe, Heu, sowie Ochs und Esel zur Verfügung. Die Einbeziehung dieser Tiere beruft sich auf das Jesaja-Zitat "Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn" (Jes 1,3). Möglicherweise handelte es sich aber bei der "Feier" um eine Vision des Heiligen. Die erste Kirchenkrippe Österreichs stand 1579 in der Kapelle des Grazer Jesuitengymnasiums. Die Gesellschaft Jesu förderte Krippenbau und -spiele. 1782 waren Krippen in den Kirchen vorübergehend verboten. Außer in Privathäusern findet man Weihnachtskrippen neuerdings auf "Krippenwegen" (von Museen oder Krippenbauvereinen ausgeborgte Krippen stehen in Schaufenstern von Geschäften) oder als lebensgroße "Dorfkrippen" (Krippe für alle) auf öffentlichen Plätzen.
Da der Advent als Fastenzeit verstanden wurde, war der Fleischgenuss im 19. Jahrhundert erst nach dem Mettenbesuch üblich. Vorher war der Weihnachtskarpfen (und andere Fische) die traditionelle Festspeise. Der Christtag galt in Wien um 1870 als Geflügeltag, der Stephanitag als Wildprettag.
Bekannte Heiligenfeste im Dezember#
4. Dezember: Barbara. Barbara von Nikomedien war eine frühchristliche Märtyrin (+306). Nach der Legende sperrte sie ihr Vater in einen Turm, wo sie auf wunderbare Weise durch die Eucharistie gestärkt wurde. Barbara zählt zum Kreis der 14 Nothelfer und mit Katharina und Margaretha zu den Virignes capitales (“drei heilige Madln”). Am Barbaratag schneidet man Zweige von Kirschen- oder anderen Obstbäumen und wässert sie im warmen Zimmer ein. Wenn sie zu Weihnachten blühen, verheißen sie Glück und Segen. Früher wurden sie als Heirats- und Ernteorakel gedeutet. Die Bergleute gedenken ihrer Patronin mit Feiern und Gottesdiensten.
6. Dezember: Nikolaus. Nikolaus von Myra (um 280 - 350) war Bischof von Lykien (Türkei) und Abt. Er nahm am Konzil von Nicäa teil und litt unter den Christenverfolgungen. Seine Funktion als Gabenbringer erklärt sich aus den zahlreichen Legenden des mildtätigen Heiligen als Retter der ungerecht Verurteilten und Gefangenen: Er habe Studenten zum Leben erweckt, die Opfer habgieriger Wirtsleute geworden waren. Drei junge Frauen habe er vor dem Weg in die Prostitution bewahrt, indem er des Nachts Goldklumpen in ihr Zimmer warf. Der pädagogische Einkehrbrauch, bei dem der "Nikolo" begleitet vom Krampus erscheint, kam zur Zeit der Gegenreformation auf.
13. Dezember:Lucia, Odilia. Die Märtyrin Lucia (+ um 304) lebte in Syrakus. Die adelige Klostergründerin Odilia (660-720) wurde nach der Legende blind geboren. Die Nacht des 13. Dezember galt als längste des Jahres. Es dürfte kein Zufall sein, dass man gerade an diesem Datum der Heiligen gedenkt, deren Überlieferungen mit dem (Augen-)licht zu tun haben. Der Mittwintertag war ein wichtiger Orakeltag. Das Gedeihen des Lucienweizens sollte Schlüsse auf die Ernte ermöglichen. Dazu sät man am 13. Dezember Weizen in einen Teller, der bis Weihnachten spannenhoch wächst. In die Mitte stellt man eine Kerze. In Wien besteht seit etlichen Jahren ein schwedisches Lucienfest, bei dem Lucia mit der Lichterkrone und ihr Gefolge einziehen. Im Burgenland gab es einen Heischebrauch der Kinder, den man "Luzeln" nannte. In der Steiermark beschenkte die "Pudlmutter" Kinder mit Kletzen und Nüssen.
26. Dezember: Stephanus. Stephanus war einer der sieben Diakone der ersten Christengemeinde in Jerusalem. Die Biographie des ersten Märtyrers ist in der Apostelgeschichte überliefert (Apg. 6,1-8,2). Gemeinsam mit Johannes am 27. und den Unschuldigen Kindern am 28. Dezember bildet er das Ehrengefolge des Christkinds (Comites Christi). Die Stephansminne, Rotwein, von dem man sich wunderbar-zauberische Wirkungen versprach, wurde 798 von Karl dem Großen verboten, eine Segnung des Weins im 13. Jh. erwähnt. Man erhoffte sich von dem Getränk Hilfe in schwierigen Lebenssituationen und für einen guten Tod. Am Tag des Pferdepatrons werden "Stephaniritte" veranstaltet.
27. Dezember: Johannes. Der als Evangelist bezeichnete Apostel Johannes war Fischer am See Genezareth. Mit Petrus und Jakobus d. Ä. zählte er zu den "Vorzugsjüngern" Jesu, er stand als einziger Apostel unter dem Kreuz. Die neuere Exegese unterscheidet zwischen dem “Lieblingsjünger”, dem Evangelisten und dem Verfasser der Geheimen Offenbarung. Zu seinem Fest weiht man Johannesminne, die mit einer Legende in Zusammenhang gebracht wird: Ein Artemis-Priester setzte dem Heiligen einen Becher mit vergiftetem Wein vor und erklärte, er wolle Christ werden, wenn Johannes diesen ohne Schaden austrinke. Bilder zeigen den Apostel mit dem zerbrochenen Becher oder Kelch, dem das Gift in Form einer Schlange entweicht.
28. Dezember:Unschuldige Kinder. Das Fest erinnert an den Kindermord in Bethlehem (Mt 2,13-18), den König Herodes der Große (72 - 4 v.Chr.) angeordnet haben soll. Im Mittelalter war der 28. Dezember ein Feiertag der Schüler, an dem der Knabenbischof mit seinem Gefolge auftrat. Im Sinne der verkehrten Welt durften die Kinder die Erwachsenen mit Ruten schlagen, die sonst in den Klosterschulen als pädagogisches Requisit dienten. Damit findet der weit bekannte Brauch des "Frisch- und G'sund-Schlagens" (Auffrischen) eine plausible Erklärung.
31. Dezember: Silvester. Papst Silvester I. (+ 31.12. 335) erlebte die grundlegende Umstellung des römischen Staates zum Christentum. In seine Amtszeit fällt der erste Bau der Peterskirche ebenso wie das Konzil von Nicäa (325), das die Gottheit Christi thematisierte. Die Bräuche am letzten Tag des Jahres haben mit dem Heiligen nichts zu tun: Glückwünsche und -symbole, Lärm (Neujahrsblasen bzw -schießen) oder Glockengeläute, Orakel (Bleigießen), Feuerwerke. Seit 1990 ist der Wiener Silvesterpfad eine Attraktion, die alljährlich mehr als 600.000 Besucher zählt.
Siehe auch:Monatsbild