Bart#
Der Bart als Zeichen der Männlichkeit galt, wie die Haare, als Sitz der Vitalität. Wessen Bart oder Haar geschoren wurde, der begab sich in Unfreiheit. Bärte waren nicht nur Symbol der Kraft und Freiheit, sondern auch der politischen Gesinnung. Zudem waren sie der Mode unterworfen, die von den Kaisern ausging. Von Karl V. (1500-1559) bis zu Ferdinand III. (1608-1657) trugen die Habsburger Vollbart. Dies änderte sich vorerst mit dem Aufkommen der Herrenperücken unter Leopold I.(1640-1705). Im Vormärz durften Soldaten, Beamte und Lehrer keinen Bart tragen, da dieser als "Tarnkappe" der Revolutionäre galt. 1849 wurde den österreichischen Offizieren der Schnurrbart verordnet. Um 1860 trugen die Herrscher Europas Backenbärte: Napoleon III. (1808-1873), Wilhelm I. (1797-1888) und besonders Franz Joseph I. (1830-1916). Er verfügte die Barttracht 1869 für die Armee, ehe sie zur allgemeinen Mode wurde. Der deutsche Kaiser Wilhelm II. (1859-1941) bevorzugte einen Schnurrbart mit nach oben gebogenen Enden. Um diese Form zu bewahren, trug er nachts eine Bartbinde. Das hinderte seine Anhänger nicht, der Mode zu folgen, die man heute "Imperial Moustache" nennt.
Mehrfach ist der Bart Thema in Sagen und Legenden. So ist die Rede von einem Kaiser Otto: "… er war strenge und ohne Milde, trug einen schönen roten Bart; was er bei diesem Barte schwur, machte er wahr und unabwendlich". Kaiser Karl sitzt im Untersberg. Alle hundert Jahre misst seine Tochter des Kaisers Bart, wenn dieser dreimal um den Tisch reicht, naht der Jüngste Tag.
Im Wiener Stephansdom soll sich ein Kruzifx befunden haben, von dem man sagte, dass dem Christus ein Bart wachse. Seit Mitte der 14. Jahrhunderts wurden "Kümmernis"-Darstellungen verehrt. Sie zeigen die gekreuzigte Prinzessin "Wilgefortis" (lat. virgo fortis - starke Jungfrau) in einem wertvollen Kleid und mit langem Bart. Um diesen bat sie Gott, um als Christin nicht verheiratet zu werden. Zwar wurde die Bitte erhört, doch ließ sie ihr Vater wegen des Ungehorsams kreuzigen. Kümmernis bot Anlass für viele Erzählungen. Am bekanntesten ist wohl die Legende eines Bettelmusikanten, dem sie einen ihrer goldenen Schuhe zuwarf. Als man ihn wegen des vermeintlichen Diebstahls zum Tod verurteilte, durfte er noch einmal vor der Figur spielen. Zum Zeichen seiner Unschuld erhielt er von dieser den zweiten Schuh. Im Kreuzgang des Servitenklosters, Wien 9, befindet sich eine Vitrine mit einer lebensgroßen, barocken Wachsstatue des Ordensheiligen Peregrinus Latiosi, dessen Bart aus echtem Haar besteht.
Am 4. September wird der "Weltbarttag" begangen, an dem die Bart-Weltmeisterschaften ausgetragen werden. Dabei siegen meist deutsche Männer. Nur jeder vierte Österreicher rasiert sich täglich. Dazu wird bemerkt, dass tägliches Rasieren aus der Mode kommt (nur noch ein Viertel) 2015 habe ein "Hype um den Bart" begonnen Bei jüngeren Männern sei der "Schnauzer" modern.
Zahlreich sind die Redensarten, wobei der Bart pars pro toto für den ganzen Mann steht, wie "beim Bart schwören" (Beim Schwur wurde der Bart berührt), "um des Kaisers Bart streiten" (um Dinge, die sich nicht entscheiden lassen), etwas Rückständiges "hat einen Bart".
Quellen:
Beitl: Wörterbuch der deutschen Volkskunde. Stuttgart 1974. S. 61, 486 f.
Regina Maria Jankowitsch: K&K Eitelkeiten. Wien 1997. S. 42 f.
Lutz Röhrich: Das große Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. Freiburg/Br. 1991. I/151 f.
"Kurier", 4.9.2021
"Kurier Freizeit", 14.11.2021
Bild:
Kaiser Franz Joseph (1830-1916). Aus: Reinhard E. Petermann: Wien im Zeitalter Kaiser Franz Josephs I. Wien 1908