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„Fräulein Doktor“ war die erste Grazer Ärztin#

Oktavia Aigner-Rollett war die erste Grazerin, die im Jahr 1900 maturierte, dann Medizin studierte und 1905 eine Arztpraxis eröffnete.#


Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung


Als erste Frau in der gesamten Steiermark eröffnete sie am 26. September 1907 in der Humboldtstraße 17 eine selbstständige Arztpraxis, Foto: © PRIVAT
Als erste Frau in der gesamten Steiermark eröffnete sie am 26. September 1907 in der Humboldtstraße 17 eine selbstständige Arztpraxis
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Oktavia Aigner-Rollett als junge Doktorin, Foto: © PRIVAT
Oktavia Aigner-Rollett als junge Doktorin
Foto: © PRIVAT

Es war ein langwieriger und umständlicher Weg, bis Oktavia Aigner-Rollett (1877-1959) im Jahr 1900 als erste gebürtige Grazerin die Maturaprüfungen ablegen durfte – eine Pionierleistung.

Weil vor der Jahrhundertwende Mädchen sogar der Besuch von Gymnasien verboten war, besuchte Oktavia Rollett, das älteste Kind des Grazer Universitätsprofessors und mehrmaligen Rektors Alexander Rollett, das sechsklassige Grazer Mädchen-Lyzeum. Dieses war 1873 in der heutigen Kaiserfeldgasse als erste höhere Mittelschule der Donaumonarchie für Mädchen gegründet worden. Bereits drei Jahre später musste die Schule wegen des großen Zulaufs in das Palais Khuenburg (heute Stadtmuseum) in der Sackstraße umgesiedelt werden. Nach den sechs Schuljahren besuchte Oktavia ein Jahr lang die Lehrerinnenbildungsanstalt, legte die Lehrbefähigungsprüfung für Englisch ab und wurde Probekandidatin an der Mädchen-Bürgerschule in der Muchargasse.

Oktavia Aigner-Rollett in ihrer Ordination, Foto: © PRIVAT
Oktavia Aigner-Rollett in ihrer Ordination
Foto: © PRIVAT

Frauen dürfen studieren#

Als im Jahr 1900 Frauen in Österreich erstmals zum Studium der Medizin zugelassen wurden, wollte sie unbedingt die Matura machen und – wie ihr verehrter Vater – Medizin studieren. Dafür legte sie im damaligen k.k. 1. Staatsgymnasium (dem heutigen Akademischen Gymnasium) mit 23 Jahren als Externistin und erste gebürtige Grazerin die Matura ab. Sie erhielt ein Reifezeugnis, in dem aber die vorgedruckte Erlaubnis zum Universitätsbesuch (siehe Faksimile unten) durchgestrichen war. Das war damals durch eine geltende Ministerialverordnung gedeckt, die aber im selben Jahr noch wegfiel.

Gegen den anfänglichen Widerstand ihres berühmten Vaters begann Oktavia Rollett im Wintersemester 1900/1901 mit dem Medizinstudium an der Grazer Universität. „Erst durch das anhaltende, energievolle und zielbewusste Streben seiner Tochter und die verständnisvolle Fürbitte seines Assistenten, des nachmaligen Nobelpreisträgers Fritz Pregl, hat er sich dann doch bewegen lassen, ihren Wünschen zu entsprechen“, berichtet Oktavias Sohn Reinhold Aigner im „Historischen Jahrbuch der Stadt Graz“ 1969. Am 9. November 1905 wurde sie in der Aula der Universität ganz allein zum Doktor der gesamten Heilkunde promoviert – als erste gebürtige Grazerin. Kurz vor ihr hatte nur die Wienerin Maria Schuhmeister ein Medizinstudium in Graz abgeschlossen. Parallel zum Medizinstudium hatte Oktavia Chemie studiert, das ist aber „im Zuge der Dissertation an der Abneigung des damaligen Ordinarius für Chemie gegen das Frauenstudium gescheitert“, so Aigner.

Faksimile vom Maturazeugnis, in dem der Universitätsbesuch gestrichen war, Foto: © PRIVAT
Faksimile vom Maturazeugnis, in dem der Universitätsbesuch gestrichen war
Foto: © PRIVAT

Das Fräulein Doktor#

Laut Amtsbestätigung vom 27. Dezember 1905 hat sich „Fräulein Dr. Oktavia Rollett“ an diesem Tag zur Ausübung der ärztlichen Praxis in Graz gemeldet. 1906 war sie das erste weibliche Mitglied der Steiermärkischen Ärztekammer und ebenfalls 1906 als erste Doktorin am allgemeinen Krankenhaus in Graz, das sich damals noch beim Paulustor befand, tätig. Dort arbeitete sie als unbezahlte Hilfsärztin in der II. Medizinischen Abteilung, denn weibliche Sekundarärzte wurden durch einen eigens gefassten Beschluss der Landesregierung für das LKH abgelehnt. Da waren die Privaten in ihrer Einstellung schon weiter: 1906/07 arbeitete Rollett als erste Sekundarärztin an der chirurgischen Abteilung am privaten Anna-Kinderspital in Graz. Seit 1908 war Rollett mit dem Assistenten des Anatomischen Instituts der Uni Graz, Dr. med. Walter Aigner, verheiratet und hatte drei Söhne.



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© "Damals in Graz", Dr. Robert Engele